#40 Wechseljahre: Wenn die Hormone Achterbahn fahren
Shownotes
Viele Frauen erleben während der Menopause körperliche und seelische Veränderungen, die ihren Alltag stark beeinflussen können – trotzdem ist das Thema nach wie vor tabuisiert. Moderator Martin Hoffmann trifft dazu Dr. Marie Münch, Funktionsoberärztin an der Klinik für gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen des Universitätsklinikums Heidelberg. Er spricht mit ihr über typische Symptome, sinnvolle Behandlungsmöglichkeiten und die Chancen einer Hormonersatztherapie. Außerdem erklärt die Expertin, warum die Wechseljahre kein Grund zur Sorge sind, welche Rolle Lebensstilfaktoren wie Bewegung und Ernährung spielen und warum die Phase auch etwas Befreiendes haben kann.
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Links zum Thema:
Ihr wollt weitere Informationen zu Marie Münch und der Universitätsklinik Heidelberg? Dann schaut doch mal auf folgenden Seiten vorbei: https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/personen/dr-med-marie-muench-14436#
Diese Artikel geben euch weitere Einblicke in das Thema: https://www.aok.de/pk/magazin/familie/liebe-sexualitaet/wechseljahre-anzeichen-und-symptome/ https://www.aok.de/pp/bw/bodensee-oberschwaben/pm/wechseljahre/
Weitere Links und Websites zu wissenswerten Infos gibt es hier: https://www.menopause-gesellschaft.de/rund-um-die-menopause https://www.frauengesundheitsportal.de/themen/wechseljahre/ https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/bgm/PDF/Wechseljahre.pdf https://www.msdmanuals.com/de/heim/gesundheitsprobleme-von-frauen/wechseljahre/wechseljahre https://www.frauenaerzte-im-netz.de/koerper-sexualitaet/wechseljahre-klimakterium/
Ihr seid Arbeitgebende und möchtet wissen, wie ihr Frauen in den Wechseljahren ein angenehmes Arbeitsumfeld schaffen könnt? Dann ist das Seminarvideo zum Thema „Frauengesundheit in der Arbeitswelt – Fokus Wechseljahre“ das Richtige für euch: https://www.aok.de/fk/medien-und-seminare/seminare/online-seminare-als-video/betriebliche-gesundheitsfoerderung/frauengesundheit-in-der-arbeitswelt-fokus-wechseljahre/
Transkript anzeigen
Intro: Unterwegs für die Gesundheit. GESUNDNAH – der Podcast der AOK Baden-Württemberg.
Martin Hoffmann: Herzklopfen, Schweiß, Angst, Panik. In den sozialen Netzwerken berichten gerade immer mehr Frauen, dass sie plötzlich das Gefühl haben, ihre Körper spielen verrückt. Wie sie dann nach oft wochenlanger Suche erklärt bekommen, das sind die Wechseljahre. Und wir sprechen hier von wirklich vielen Frauen, die ihre Erfahrungen teilen. Diese Beispiele zeigen, wie wenig wir über die Wechseljahren wissen bzw. gesellschaftlich vielleicht auch wissen wollen, wie selten darüber gesprochen wird und dass das Thema tabuisiert wird. Ich nehme mich da gar nicht raus. Mir ist nach meiner Recherche auch klar geworden, wie wenig ich persönlich eigentlich über das Thema Wechseljahre wusste. Klar, einige Anzeichen kannte ich. Hitzewallungen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und so. Aber das sind ja bei weitem nicht alle. Insgesamt habe ich von 34 verschiedenen Symptomen gelesen, die teils über Jahre hinweg die Lebensqualität vieler Frauen massiv beeinflussen können. Ich bin Martin Hoffmann und in dieser Folge wollen wir über die Wechseljahre sprechen. Viele Frauen fühlen sich in der Phase allein gelassen, auch weil Ärztinnen und Ärzte oft wenig Zeit oder Fachwissen zur individuellen Beratung haben. Aber vorab mal ein paar Zahlen, um das Thema einzuordnen. In Deutschland befinden sich derzeit rund 9 Millionen Frauen in den Wechseljahren. Eine Studie, der Menosupport von Dezember 2023 ergab, dass 52 Prozent der befragten berufstätigen Frauen die Wechseljahre als ein Tabuthema am Arbeitsplatz betrachten. Übrigens, Wechseljahre gibt es auch bei Männern, hier heißt das Andropause, das bezeichnet einen altersbedingten, schleichenden Rückgang des männlichen Sexualhormons Testosteron ab dem 40. Lebensjahr. Das führt bei manchen Männern zu Symptomen wie Müdigkeit, Libido- und Potenzverlust, aber auch zu Stimmungsschwankungen, Muskelschwund und Bauchfettzunahme. Aber das nur am Rande. Ich bin jetzt auf dem Weg nach Heidelberg. Hier bin ich mit Frau Dr. Marie Münch verabredet. Sie ist Funktionsoberärztin an der Klinik für gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen am Universitätsklinikum Heidelburg. Ich bin jetzt in der Uniklinik Heidelberg in der Frauenklinik und hier in der Hormonambulanz bin ich mit Marie Münch verabredet. Ich muss mal ganz kurz um die Ecke schauen. Hallo, hallo Marie München.
Dr. Marie Münch: Hallo Martin, schön, dass du da bist. Ich hab uns einen schönen Raum für das Gespräch ausgesucht, wenn du magst.
Martin Hoffmann: Geh du mal vor, du kennst dich hier besser aus. Marie, sagen wir mal, welche körperlichen, welche psychischen Veränderungen sind in den Wechseljahren typisch?
Dr. Marie Münch: Also, das ganz Klassische sind die Hitzewallungen. Also das heißt, dass es einen mit der Hitze überrollt, der Schweiß ausbricht, ganz häufig Schlafstörungen, Konzentrationsstörung, dass man Leistungsabfall bemerkt, sexuelle Störungen, Libidoverlust, all das. Es gibt aber auch so ein bisschen unbekanntere Symptome, die man vielleicht erst mal fehldeutet und damit vielleicht zum Hausarzt geht. Wie zum Beispiel Blutdruckerhöhung auf einmal, Kopfschmerzen, Migräne, dass die sich vermehrt. Oder zum Beispiel, dass man auch Gewicht zunimmt. Dass man sagt, ich habe eigentlich gar nichts verändert, ich mache sogar eher Diät und trotzdem nehme ich immer weiter zu. Ein Urlaub ist fatal für mich, weil gleich fünf Kilo mehr drauf sind und die bekomme ich nicht mehr runter. Also dass man eine sogenannte Insulinresistenz entwickelt. Stimmung kann sich verändern, dass man einfach labiler ist, also aus der Haut fährt auf einmal beziehungsweise auf weinerlicher wird, also sehr, sehr breit gestreut die Symptome.
Martin Hoffmann: Gibt's Anzeichen, wo man sagt, okay, jetzt muss ich ein bisschen genauer hinschauen. Also jetzt muss sich wirklich meinen Arzt, meine Ärztin aufsuchen.
Dr. Marie Münch: Sobald ein Leidensdruck entsteht, sobald ich merke, mein Alltag ist eingeschränkt durch zum Beispiel Hitzewallungen, dass ich im Job nicht mehr funktioniere, dass ich in der Familie nicht mehr funktioniert, dass ich mich selber einfach nicht mehr wohlfühle, also sobalden Leidendruck entsteht egal in welchem Alter, sollte man auf jeden Fall sich an seine Frauenärztin, seinen Frauenarzt wenden.
Martin Hoffmann: Jetzt sagst du gerade Leidensdruck. Das ist ja sehr, sehr subjektiv auch. Also kann man ja nicht so richtig, richtig messen. Wie macht man das?
Dr. Marie Münch: Einfach, wenn ich eine Veränderung bemerke, die mich belastet. Und dann ist es für mich schon Leidensdruck. Also, dass ich einfach nicht mehr so funktionieren kann, wie ich das eigentlich möchte, trotz Anstrengung und dann auch noch zusätzlich.
Martin Hoffmann: Welche Behandlungsansätze gibt es denn?
Dr. Marie Münch: Da gibt es tatsächlich ganz, ganz viel. Also starten wir einfach mal mit den pflanzlichen Präparaten. Da gibt's Ansätze, die eben isoliert gegen die Hitzewallungen gehen. Aber auch Pflanzenpräparate, die die Hormone imitieren, wie Phytoöstrogene. Das ist jetzt so ein Schlagwort. Es gibt bestimmte Tees und all das. Also Salbei-Tee wird sehr gerne im arabischen Raum eingesetzt. Dann gibt es die klassische Hormonersatztherapie. Einmal systemisch, das heißt, die wirkt im gesamten Körper als Tabletten oder Gel-, Sprayform. Es gibt aber auch die Lokaltherapie, wenn ich zum Beispiel vaginale Beschwerden habe, auch da Cremes oder Zäpfchen, dann gibt es auch Medikamente, die allein auf die Hitzewallungen gehen, an unserem Thermorezeptor regulieren. Also das heißt, der reguliert unsere Körpertemperatur und in den Wechseljahren ist der völlig fehlgeleitet. Und da gibt es ein Medikament, das nennt sich Viosa, was diesen Rezeptor wieder zurückstellt auf seine Ursprungseinstellung, beziehungsweise es gibt auch Medikamente, die eigentlich aus einer ganz anderen Indikation benutzt werden. Es sind eigentlich Blutdruckmedikamente. Das sind Antidepressiva. Das sind Medikament, die die Magensäureproduktion beeinflussen, die aber auch diesen Thermorezeptor beeinträchtigen. Und dann gibt es natürlich auch den großen Bereich des Lebensstils. Auch da kann ich viel machen, dass ich darauf achte, gesund zu leben, also kein Übergewicht. Dass ich mich bewege, die Ernährung gesund halte. Gerade bei Hitzewallungen scharfe Speisen meide, nicht rauche, Alkohol in Maßen oder am besten gar nicht. Es gibt bestimmte Yoga-Formen, die gegen Hitzeverlungen helfen können, Akupunktur, also da auch so alternativmedizinische Maßnahmen.
Martin Hoffmann: Hast du ein Beispiel, wie so eine Behandlung konkret abläuft? Also da kommt eine Frau jetzt zu dir und die sagt, das sind das sind meine Symptome und daraufhin wird dann was gesucht oder oder wie geht ihr davor oder wie gehst du davor?
Dr. Marie Münch: Also wir hören uns natürlich erstmal die Symptome an und finden raus, sind es jetzt wirklich Wechseljahresbeschwerden oder könnte nicht vielleicht doch was anderes dahinter stecken. Wenn wir es benötigen, machen wir natürlich eine Laboranalyse und schauen da insbesondere auf die Hormone. Wie sind die Steuerhormone der Eierstöcke? Das nennt sich FSH und LH. Wie ist der Östrogenspiegel? Man kann auch den Spiegel der männlichen Hormone bestimmen. Die fallen auch ab im Alter. Also auch wir Frauen haben männliche Hormones. Und dann gucken wir uns natürlich auch noch an, was hat die Frau noch für Risikosituationen? Also hat sie Vorerkrankungen, die wir beachten müssen? Und was möchte sie? Möchte sie vielleicht erst mal sanft einsteigen? Sind ihre Beschwerden vielleicht eher milde ausgeprägt, dass sie sagt, okay, vielleicht kann man da was verbessern? Oder ist sie im Prinzip da mit sehr, sehr starken Beschwerden? Und anhand dessen... Bespreche ich mit ihr dann die Therapieoptionen, schließe aus, was bei ihr zum Beispiel, was ich nicht einsetzen darf, Kontraindikationen hat. Genau, also so findet man gemeinsam seinen Weg.
Martin Hoffmann: Jetzt hast du die Hormontherapie angesprochen. Wie läuft so was genau ab? Wie lange läuft so eine Hormontherapie? Und auf was muss man sich da ein bisschen einstellen? Weil es wurde ja auch mal pausiert. Jetzt wird es teilweise wieder empfohlen. Ich habe da wirklich die wildesten Sachen online gesehen. Deswegen erklär doch mal ein bisschen was zur Hormondtherapien, bitte.
Dr. Marie Münch: Also, die Hormontherapie können wir im Prinzip starten, sobald entsprechende Beschwerden sind. Indikationen von Hormonenersatztherapie sind klassischerweise Hitzewallungen, Schlafstörungen, all das. Und wenn jetzt eine Patientin kommt, zum Beispiel mit 50 Jahren und sagt, ich kann meinen Alltag nicht mehr bewältigen, mich überrollt es jeden Tag, ich schlaf nicht mehr gut, dann kann man im Prinzip starten wenn sie keine Kontraindikation hat.
Martin Hoffmann: Eine Kontraindikation wäre was in dem Fall?
Dr. Marie Münch: Gegenanzeigen für eine systemische Hormonersatztherapie sind zum Beispiel hormonabhängige Krebserkrankungen, klassischerweise der Brustkrebs. Es gibt aber auch Gebärmutterkörperkrebs, Endometriumkarzinom nennt sich das. Und dann gibt es auch relative Kontraindikationen, wie zum Beispiel Lebererkrankung, gerade wenn ich es in Tablettenform gebe. Es gibt auch gutartige Tumore, die hormon-abhängig sind, das sind so Hirnhauttumore oder Meningiome heißen die. Das muss ich natürlich einmal abfragen. Es gilt aber immer ... Das sind relative Kontraindikationen. Also, wenn die Frau schon alles ausprobiert hat und wirklich großen Leidensdruck, dann muss ich einfach mit ihr gemeinsam entscheiden, kann ich es nicht vielleicht doch wagen. Aber am besten kann ich...
Martin Hoffmann: Geht man dann das Risiko ein, das dann trotzdem zu machen, auch wenn z.B. Brustkrebs dann ein Thema werden könnte?
Dr. Marie Münch: Brustkrebs ist eine schwierige Sache. Wenn die Frau erkrankt ist, würde ich keine Hormonersatztherapie geben, zumindest keine systemische. Bei einer lokalen Östrogentherapie ist es so, also wenn ich zum Beispiel vaginale Probleme habe, kann ich das schon geben, weil da eigentlich der Anteil einer systemischen Aufnahme gleich Null ist. Da gibt es auch aktuelle Studien, die eben sagen, bei Beschwerden, wenn ich Alternativen schon ausgereizt habe, kann ich eine vaginale Therapie schon geben.
Martin Hoffmann: Was ist mit den pflanzlichen Produkten, die du ganz am Anfang angesprochen hattest?
Dr. Marie Münch: Die kann ich eigentlich auch immer geben, auch einer Frau mit einer Brustkrebserkrankung. Ich wäre bei Phytoöstrogen, also bei pflanzlichen Hormonpräparaten eher zurückhaltend. Man muss so ein kleines bisschen aufpassen. Man denkt häufig nicht daran, wenn ich jetzt zum Beispiel pflanzliche Präparate einnehme oder Supplemente, also Nahrungsergänzungsmittel, dass ich das gar nicht als Medikament wahrnehme als Anwender und vielleicht auch als Arzt nicht. Die können aber trotzdem Nebenwirkungen haben, das sind klassischerweise zum Beispiel Einfluss auf die Leber- oder Nierenwerte. Oder manche haben auch Wechselwirkungen mit Arzneimitteln. Ein Beispiel davon ist zum Beispiel Johanniskraut. Also es ist schon ganz wichtig, wenn ich da auch in der Beratung bin, darauf hinzuweisen, dass das jetzt keine Smarties sind, sondern dass ich auch immer, wenn ich bei einem anderen Arzt bin, nennen muss, dass ich da plantliche Mittel einnehme.
Martin Hoffmann: Aber das ist auch ein guter Hinweis, dass man auch wirklich schauen muss, okay, welche Nahrungsergänzungsmittel, was supplementiere ich auch noch? Was könnte da Kontraindikationen? Nee, also nicht Kontraindikation, sondern Wechselwirkungen quasi haben, dass man da genau hinschaut, nicht dass da irgendwas das andere vielleicht auch blockieren könnte. Habe ich das richtig verstanden?
Dr. Marie Münch: Genau, genau, das ist ganz wichtig, dass der Patientin dann auch mitgibt. Weil ganz häufig kommen Frauen zu uns in die Sprechstunde, wir haben einen Anamnesebogen, da steht bei Medikamenteneinnahme gar nichts. Dann frage ich nach Supplementen nach und dann kommt, ach, ganz, ganz viel. Und dann kommen die Döschen und das ist dann schon nicht unerheblich.
Martin Hoffmann: Wir waren gerade bei der Hormontherapie. Wie läuft die genau ab dann?
Dr. Marie Münch: Also wenn wir jetzt von der klassischen systemischen reden, dann muss ich mit der Frau besprechen einmal, wo steht sie denn gerade in ihrer Menopause? Hat sie noch eine Blutung, weil man kann ja auch Hitzewallungen oder Wechseljahresbeschwerden haben und noch regelmäßig bluten oder vielleicht alle zwei Monate. Ob ich diese Therapie kontinuierlich oder sequenziell, also das heißt zyklisch, gestalte. Was davon abhängt, ist die Gabe des Gelbkörperhormons. Also das Östrogen ist das, was uns gegen die Hitzeballungen hilft. Solange eine Frau eine Gebärmutter hat, muss ich aber auch die Gebärmutterschleimhaut schützen. Und das mache ich mit dem Gelbkörperhormon. Weil irgendwann haben wir Frauen keine Eisprünge mehr, und das ist der einzige Zeitpunkt, wo wir Gelb-Körperhomonen dann bilden. Deshalb muss ich es dann substituieren. Und wenn die Frau noch eine regelmäßige Blutung hat, dann zykle ich mir die Hormonersatztherapie ein bisschen ein. Das heißt, ich imitiere den Zyklus und gebe das Ganze, ja, zyklisch. Das andere ist, ich muss entscheiden, gebe ich die Hormonersatztherapie oral, also in Tablettenform, oder gebe ich sie über die Haut? Der Vorteil ist bei den Präparaten über die Haut, ich habe kein, oder ein eigentlich irrelevantes, Thromboserisiko. Weil über die haut wird das Medikament nicht über die Leber verstoffwechselt und wirkt deshalb nicht auf die Blutgerinnung ein. Das heißt, ich kann sogar einer Frau mit Risikofaktoren für Thrombose eine Hormonersatztherapie geben. Man hat ja vielleicht schon häufig gehört: Pille bei Zustand nach Thrombose sollte ich nicht geben, das ist aber möglich. Und dann muss ich mir natürlich noch über die Dosierung Gedanken machen. Und wenn ich weiß, okay, die Patientin blutet noch ab und zu, hat sie ja noch eine eigene Östrogenproduktion. Hat vielleicht Phasen, wo sie wenig Östrogen hat und wiederum Phasern, wo sie viel hat. Das macht es manchmal am Anfang ein bisschen komplizierter, das heißt, ich muss die Frau, meine Patientin, so ein bisschen hinweisen, was sind Zeichen von zu viel von zu wenig Östrogen? Zu wenig hat man ja schon gerade mit den Hitzewallungen, zu viel ist meistens immer, dass man völlig überdreht ist, so ein bisschen Unruhe, Herzstolpern vielleicht hat und Brustspannen, wie es vielleicht manche Frauen in der Schwangerschaft gemerkt haben. Und dann weiß die Patientin, okay, vielleicht habe ich gerade eine eigene Produktion, ich kann mit der Dosis runtergehen. Das ist das Schöne bei den Präparaten, die ich über die Haut gebe. Man gibt Sprühstöße oder Hübe aus und kann einen oder mal zwei nehmen.
Martin Hoffmann: Das heißt, da ist die Verantwortung genommen auch ein bisschen bei den Frauen, dass die selbst schauen, wie reagiert der Körper, um dann auch selbst die Dosierung anzupassen, oder?
Dr. Marie Münch: Verantwortung finde ich schwierig, weil sie trotzdem noch medizinischer Laie, aber es ist immer gut, wenn die Patientin versteht, ihre körperlichen Symptome zu deuten und dann ihre Therapie anzupassen. Nichtsdestotrotz, bei Unsicherheiten sollte sie sie sich natürlich an ihren Frauenarzt wenden.
Martin Hoffmann: Also immer Rücksprache halten, bevor man da irgendwie noch mal unsicher ist bei irgendeiner Dosierung.
Dr. Marie Münch: Auf jeden Fall, auf jeden Fall.
Martin Hoffmann: Welche Frauen profitieren denn am meisten von so einer Therapie?
Dr. Marie Münch: Auch wieder da komme ich mit meinem Alltagseinschränkungen und Leidensdruck, also die Frau, die im Prinzip Symptome hat. Es gibt auch ganz viele Frauen, die gehen durch die Wechseljahre und sagen, ach so schlimm war es doch gar nicht, ich habe nichts gemerkt. Aber die, die eben Einschränkung haben, aber auch zum Beispiel die Frauen, die sehr früh in die Menopause kommen, vor dem 40. Lebensjahr, weil da ist es ganz wichtig, dass der Knochen noch ein bisschen mit Östrogen versorgt wird. Unsere Knochen, die Stabilität ist östrogenabhängig. Aber auch die Gefäßstabilität, Elastizität, damit die Gefäße nicht starr werden und wir einen Bluthochdruck entwickeln. Oder zum Beispiel unsere Blutfette, die werden auch in Balance gehalten durch das Östrogen. Und wenn wir auf einmal kein Östogen, sehr, sehr jung haben, dann gehen die Blutwerte auch in die falsche Richtung und somit steigen die ganzen Zivilisationserkrankungen. Und gerade diese Frauen profitieren auch sehr von einer Hormonersatztherapie.
Martin Hoffmann: Über welche Dauer sprechen wir denn eigentlich dann? Also muss das dann, ich sage es mal, über die gesamten Wechseljahre dann auch eingenommen werden oder über die Haut aufgenommen werden? Oder kann man da auch sagen, naja, die Anfangsphase oder wie läuft das?
Dr. Marie Münch: Also ein Muss gibt es schon mal nicht. Früher hat man gesagt, so lang wie nötig, so kurz wie möglich. Weil es Studien gibt, die sagen, bei einer Anwendung einer Hormonersatztherapie ab dem fünften Anwendungsjahr steigt das Brustkrebsrisiko. Das muss ich aber so ein kleines bisschen relativieren, wenn ich mir so die absoluten Zahlen anschaue. Und das auch gerade bei den neuen Präparaten. Da komme ich auch gerne gleich nochmal dazu. Man sagt pro Jahr auf 1000 Frauen kommt es zu ein bis maximal zwei mehr Brustkrebsfälle durch eine Hormonersatztherapie. Wir wissen ja, es erkrankt jede achte Frau leider an Brustkrebs und eine Hombonersatztherapie kann das Risiko natürlich steigern. Viel höher wird das Risiko allerdings gesteigert durch z.B. Diabetes, Übergewicht, Alkoholkonsum. Also da ist jede Hormonersatztherapie eher milder dagegen. Ich will es jetzt nicht beschönigen, aber das muss man auch immer sagen, weil viele haben natürlich Angst vor diesem Risiko. Diese Zahlen gelten aber für die alten Präparate eher. Früher gab es das meistens in Tablettenformen. Das Östrogen war künstlich. Jetzt ist es bioidentisch, nämlich Östradiole, also das Hormon, was wir Frauen im Körper bilden. Und die eigentliche Hauptkomponente, die das Brustkrebsrisiko erhöht, ist das Gelbkörperhormon. Was, wie ich vorhin ja gesagt habe, wir brauchen für den Schutz der Gebärmutterschleimhaut. Und früher waren das synthetische, also künstliche Gelbkörperhormone. Und jetzt nimmt man meistens Progesteronpräparate, also auch wieder das, was unser Körper eigentlich kennt.
Martin Hoffmann: Jetzt hast du bioidentisch gerade gesagt heißt bioidentisch, dass die Medikamente individuell auf die Patientin angepasst werden oder wie kann ich mir das vorstellen?
Dr. Marie Münch: Das sollten sie auf jeden Fall, aber bioidentisch meint in diesem Sinne, dass es im Prinzip körpereigene Hormone sind, also dass sie der Strukturformel der eigentlichen Hormone entsprechen und eben nicht sie nur imitieren.
Martin Hoffmann: Welche Möglichkeiten gibt es denn, um Sexualität und Gesundheit auf lange Sicht zu bewahren oder vielleicht auch zu stärken?
Dr. Marie Münch: Also Sexualität ist ein großer, großer Punkt, auch gerade so in der Perimenopause und Menopause, der natürlich multifaktoriell ist. Es kann natürlich durch die absinkenden Hormonspiegel bedingt sein, also Östrogene, aber auch die männlichen Hormone, wie ich ja schon gesagt habe. Und da kann eine Hormonersatztherapie schon hilfreich sein. Aber es gibt auch viele andere Faktoren, also einfach Stress, dass man da auch so einen Leistungsdruck durch den Job zum Beispiel hat, partnerschaftliche Probleme. Die eigentliche Beeinträchtigung durch Hormone, sagt man, sind vielleicht so ein Drittel. Auch da muss ich das wieder ganzheitlich angehen, wenn ich es therapieren möchte. Also Sexualtherapie, Partnertherapien, wenn das vielleicht so einen Punkt ist. Ich muss aber auch ausschließen, gibt es zum Beispiel organische Probleme beim Geschlechtsverkehr. Dass es sehr trocken ist, dass es Erkrankungen der Vulva, der Vagina gibt, die ich natürlich behandeln muss. Und wenn ich dann soweit alles ausgeschlossen habe, dann kann ich natürlich probieren, mit einer Hormonersatztherapie, lokal oder systemisch, da eine Verbesserung zu erzielen. In der Leitlinie ist auch bei Libidoverlust, also Verlust der sexuellen Appetenz, nenne ich es jetzt mal, dass man auch männliche Hormone geben kann, also Testosteron oder die Vorstufe von Testosteronen, DHEA. Problem ist nur, dafür gibt es keine zugelassenen Präparate für Frauen. Man braucht Apotheken, die spezielle Mischungen dann für einen anfertigen lassen, weil die Präparate, die man für Männer zur Substitution nimmt, sind jetzt eher ungeeignet für Frauen.
Martin Hoffmann: Warum gibt's sowas nicht?
Dr. Marie Münch: Tja. Da müsste man mal die Pharmaindustrie befragen. Es gab mal ein zugelassenes Präparat, ein Pflaster, aber das ist irgendwie vom Markt gekommen. Und es betrifft ja glücklicherweise trotzdem auch eher einen kleineren Anteil. Und das funktioniert trotzdem wunderbar, sich da so Mischungen anzufertigen. Also das ist jetzt nicht, dass wir da eine Raketenwissenschaft machen müssen, um da die perfekte Mischung zu finden.
Martin Hoffmann: Aber es ist natürlich ein Punkt, wenn es da mal ein Produkt gab, ein Medikament gab, was auch gut funktioniert hat und auch wenn, ich sage das mal, die Gruppe vielleicht kleiner ist, naja, wenn der Leidensdruck, wie du vorhin gesagt hast, da ist, dann gibt es auch eine Berechtigung dafür, also sollte man ein bisschen genauer hinschauen vielleicht, warum da was eventuell nicht mehr auf dem Markt ist. Jetzt hast du es vorhin schon mal kurz angesprochen, was passiert denn in der Postmenopause.
Dr. Marie Münch: Also zur Definition, die Perimenopause ist im Prinzip alles um die Menopause herum. Und das ist ein weit gefasstes Spektrum an Symptomen, beziehungsweise das kann auch wirklich mehrere Jahre bis Jahrzehnte dauern. Das kann teilweise schon ab Mitte 30 losgehen.
Martin Hoffmann: Das wäre dann aber schon sehr früh eigentlich, oder?
Dr. Marie Münch: Das ist schon sehr früh, aber trotzdem können da schon erste Symptome auftreten. Und es kann sein, dass die Frau in der Zeit vielleicht noch ein, zwei Kinder bekommt. Aber dass der Zyklus halt einfach langsam, ich sag's mal ganz salopp, unrund wird. Also dass die Reifung eines Follikles, eines Eibläschens so ein bisschen holprig ist. Der Eisprung vielleicht in ein paar Zyklen mal nicht stattfindet, der Gelbkörper eine Schwäche entwickelt und klassischerweise kommen dann diese Patientinnen mit kurzen zweiten Zyklushälfte, mit prämenstrellen Beschwerden, dass die Brüste spannen, Wassereinlagung so der zweiten Zyklushälfte Stimmungsschwankung all das und das ist wie gesagt ganz breit gefächert und von der Dauer sehr sehr variabel.
Martin Hoffmann: Gibt es da medizinisch schon was, was man so präventiv auch machen kann, um das noch mal herauszuzögern?
Dr. Marie Münch: Also die Eizellreserve, das ist ein Kontinuum, die verliert man einfach und die Ursache eben für Menopause, Perimenopause ist einfach eine sich immer weiter reduzierende Eizellenreserve.
Martin Hoffmann: Aber das ist so, wie du sagst, ein bisschen runder läuft wieder irgendwie. Gibt es da Möglichkeiten?
Dr. Marie Münch: Also zum einen, ich kann sehr viel mit dem Lifestyle machen. Was man weiß, ist, dass zum Beispiel Nikotin die Reduktion der Eizellreife beschleunigt. Auch Übergewicht und so was. Man kann natürlich auch wieder da den Zyklus versuchen, zu glätten. Dass ich versuche, die Gelbkörperphase zum Beispiel auszugleichen, indem ich auch wieder Progesteron substituiere. Das ist ja einfach Stärke zum Beispiel. Bei leichten Zyklusstörungen kann ich auch Mönchspfeffer einsetzen. Das ist dann wieder ein pflanzliches Präparat, was da einfach an vielen Bereichen im Zyklus eine Verbesserung bringen kann. Studienlage bei Nahrungsergänzungsmittel oder pflanzlichen Präparaten ist da natürlich immer sehr schwierig.
Martin Hoffmann: Macht es was, wenn ich das einnehme, auch wenn ich es jetzt nicht wirklich brauche? Also Mönchspfeffer zum Beispiel?
Dr. Marie Münch: Im besten Fall bessert es die Symptome und wenn ich keine Symptomverbesserungen habe, würde ich es dann aber auch nicht einnehmen.
Martin Hoffmann: Okay, also das ist schon so, man sollte es wirklich auch nur nehmen, wenn es Symptome dafür gibt. Postmenopause.
Dr. Marie Münch: Postmenopause ist im Prinzip die Zeit oder die ersten 12 Monate nach der Menopause. Also das heißt nach der letzten Blutung, die eine Frau in ihrem Leben erlebt, hoffentlich. Und dann zehn Jahre nach der Menopause kann ich noch mal unterscheiden zwischen dem Senium. Also das heisst wirklich der Post-Postmenopause und die Postmenopause zeigt sich dann eher durch Zeichen eines chronischen Östrogenmangels. Also Perimenopause habe ich ja wie gesagt meistens noch gute Östrogenspiegel oder Spannende In der Postmenopause kommt dann meine Östrogenproduktion zum Erliegen und dann stellen sich diese chronischen Beschwerden ein. Im Sinne von trockenen Schleimhäuten, Vaginalschleimhäute, Augen, Mundschleimhaut, all das zum Beispiel. Aber zum Beispiel auch das Osteoporose-Risiko steigt, also dass der Knochen dünner oder brüchiger wird.
Martin Hoffmann: Weil eben da, wie du gesagt hast, Östrogen einfach auch für die Stabilität verantwortlich ist. Das heißt, wir sprechen hier eigentlich von ab 35, so ganz grob, bis wir 65 irgendwo sind oder ...
Dr. Marie Münch: Genau, also das ist wirklich eine breite Spanne. Ich will jetzt hier niemanden irgendwie Sorge machen, mit 35 sich da schon über die Menopause Gedanken zu machen. Aber manche bemerken das tatsächlich, schon die ersten Beschwerden. Und man muss jetzt da nicht keine Sorge machen, den Teufel an die Wand malen, aber dass man einfach weiß, okay, das ist normal, dass man vielleicht ab Ende 30 merkt, okay mein Zyklus wird immer kürzer. Und es gibt auch Frauen, die haben teilweise bis 60 noch regelmäßig eine Menstruation. Also das ist sehr, sehr individuell. Und nicht pauschalisierbar, wie eben auch dann die zugeschnittene Therapie, wenn ich sie benötige.
Martin Hoffmann: Aber wann sollte man sich denn Gedanken machen? Also ist es dann Mitte, Ende 30, dass man okay mal ein bisschen genauer das Radar mal laufen lassen sollte nach Symptomen oder?
Dr. Marie Münch: Nach Symptomen, ganz klassisch nach Symptomen, aber auch zum Beispiel, wenn ich jetzt mit Ende 30 immer noch unerfüllten Kinderwunsch habe. Auch da sollte ich schon auch mal mit meiner Gynäkologin, mit meinem Gynäkologen drüber sprechen und da vielleicht auch mal einen Hormonstatus machen.
Martin Hoffmann: Ich finde den Punkt Lebensstil, den hast du jetzt ein paar Mal angesprochen. Und man kann da anscheinend wirklich sehr, sehr viel machen. Und wir haben ja auch in vielen Folgen jetzt immer kommt immer eine gesunde Ernährung, viel Bewegung, macht noch ein bisschen Sport, trinkt kein Alkohol und am besten rauchst du auch nicht. Damit kann man schon mal hinter viele Sachen so einen Haken machen. Ich fand das jetzt sehr spannend, wie du vorhin noch mal mit der Hormontherapie gesagt hast. Kannst du das noch mal so ein bisschen? Gegenseitig nicht aufwiegen, aber da noch mal die die Risiken irgendwie zeigen, was man alles mit einem guten, gesunden Lebensstil erreichen kann. Das wäre, das wäre glaube ich sehr, sehr gut.
Dr. Marie Münch: Also der Lebensstil ist wirklich die Basis von allem, muss man einfach sagen. Frauen zum Beispiel mit Adipositas haben viel, viel schlimmere Hitzewallungen und auch über längere Zeit. Das heißt, wenn ich da mein Gewicht in einem gesunden Bereich halte, und auch da ist es wichtig, wir kennen ja von den Körperformen die Birnenform, also wo die Taille eher schmal ist und dann eher im unteren Bereich die Fettverteilung ist, und die Apfelform, wo das Fett im Bauch verteilt ist. Und das ist die gefährliche Form. Wenn ich da einfach schaue, dass ich da das verbessere. Man muss kein Idealgewicht haben, sondern ein gesundes Gewicht. Und der Taillenumfang ist im Prinzip, oder der Abdomenumfang, das Wichtige. Bewegung hilft immer. Und das muss jetzt auch nicht diese besagten 150 Minuten pro Woche sein, sondern einfach mehr Bewegung im Alltag. Bringt da schon sehr, sehr viel. Und umso risikoärmer ist dann auch so eine Hormonersatztherapie zum Beispiel. Man muss so ein kleines bisschen vorsichtig sein mit Östrogenen bei Frauen mit Vorerkrankungen. Wenn die jetzt zum Beispiel schon Ablagerungen in den Halsschlagadern haben. Östrogen wirkt präventiv auf diese Ablagerungen, aber wenn sie schon da sind, kann es sie aufbrechen und dann können die wandern. Und da müssen wir dann schon sehr zurückhaltend sein mit einer Hormonersatztherapie. Und deshalb ist es auch ganz wichtig, wenn wir jetzt zum beispielsweise eine Frau haben, die ihre Menopause vielleicht mit Mitte 50 hatte und lange vielleicht keine Beschwerden und mit Mitte 60 kommt und sagt, ich habe auf einmal wieder Hitzewallungen. Dann ist es eigentlich nicht mehr das Klimaterium oder klimaterische Beschwerden, sondern in der Zwischenzeit ist vielleicht eine Insulinresistenz dazugekommen, Bluthochdruck, was dann wiederum hier fehl gedeutet wird, weil Frauen nach den Wechseljahren, da muss noch Hormonersatztherapie gemacht werden. Das ist auch noch ganz wichtig.
Martin Hoffmann: Jetzt ist es ja so, dass die Wechseljahre schon so ein Tabuthema in der Gesellschaft ist. Es wird nicht wirklich darüber gesprochen und es ist auch schwierig, finde ich, gute Informationen dazu zu bekommen. Und wenn man dann mal in sozialen Medien unterwegs ist, dann gibt es dann da verschiedenste Bubbles, wenn man da mal so reinguckt und teilweise auch vielleicht ein bisschen Panikmache auf der einen Seite dabei, auf der anderen Seite natürlich auch sehr berechtigte Sorgen. Wie ist es denn bei dir, wenn Patientinnen zu dir kommen, die noch relativ jung sind, also eigentlich noch zu jung, sind ich sage es mal Mitte 30, bei denen es dann losgeht. Hast du da Beispiele, die du uns mal kurz erklären könntest, wie das für so eine Frau ist, die dann herkommt, eigentlich mit denen nicht genau weiß, hey, sind das jetzt schon, gehen die Wechseljahre jetzt irgendwie los, macht sich Sorgen, vielleicht auch noch Kinderwunsch irgendwie da und hat da einfach Ängste?
Dr. Marie Münch: Ja, also wir machen da natürlich einmal eine Bestandsaufnahme. Also erst mal werden ihre Symptome ernst genommen, weil es gibt es halt einfach: 1% aller Frauen haben eine Minopause vor dem 40. Lebensjahr. Und es fällt manchmal auch gar nicht auf, weil da z.B. Noch eine Pille eingenommen wird als Verhütungspille. Die wird abgesetzt und ups, wo ist denn jetzt der Zyklus? Also da muss man einfach eine Bestandaufnahme machen. Man macht einen Ultraschall, guckt, wie sieht die Gebärmutter, die Gebährmutterschleimhaut aus und sieht da die Eierstöcke auch schon. Wie ist die Reserve? Dann mache ich natürlich eine Hormonanalyse, passt das zu den Wechseljahren, man kann auch die Eizellreserve im Blut bestimmen und dann muss ich gucken, wo befindet sich diese Frau. Habe ich da noch eine Chance, zum Beispiel beim Kinderwunsch, durch jetzt eine aktive Behandlung ihr zu helfen oder ist es leider schon zu spät und ich muss mich darauf konzentrieren, dass diese Frau gesund bleibt, Knochen, Gefäße und alles drumrum und ich ihr dann sehr früh eine Homoenersatztherapie anbieten muss. Und natürlich ist es auch eine große Belastung für eine junge Frau, wenn sie mit Mitte 30 z.B. erfährt, okay, ich bin in den Wechseljahren oder ich bin in der Menopause, weil man denkt, bin ich dann überhaupt noch eine Frau? Ja, natürlich, selbstverständlich. Aber das ist sehr belastend. Und auch eine psychologische Mitbegleitung ist dann ganz, ganz wichtig, dass sie angeboten wird.
Martin Hoffmann: Das ist ein super Stichpunkt, psychologische Mitbegleitung. Wie läuft sowas ab? Wird das standardmäßig mitangeboten? Oder wie kann ich darauf auch zurückgreifen, wenn ich halt merke, okay, also ich werde medizinisch betreut, aber irgendwie brauche ich noch eben dieses psychologisch Angebot.
Dr. Marie Münch: Also in vielen Praxen bzw. Auch Kliniken gibt es da auch Ansprechpartner, wo man dann einfach die Nummer rausgibt als Angebot und sich die Frauen dann daran wenden können. Wie wir alle wissen, gerade auf dem psychologischen Bereich, es herrscht einfach Knappheit. Aber im besten Fall gibt es wirklich auch spezialisierte Ansprech-Partner. Also wir als Uniklinik haben da natürlich eine Abteilung, wo wir da auch Spezialisten haben, wo sie anbinden können. Viele Praxen. Auch Kooperationen, aber die Frage ist, wie schnell komme ich denn da an meine Hilfe.
Martin Hoffmann: Jetzt habe ich auch in meiner Recherche gesehen, es gibt eine Vielzahl von Produkten rund um Wechseljahre. Das ist, glaube ich, wirklich ein sehr, sehr boomender Markt gerade, weil wahrscheinlich wird eine neue Zielgruppe irgendwie erschlossen. Ich glaube, wir reden gerade von ungefähr neun Millionen Frauen, die sich aktuell in den Wechseljahren befinden. Wie bewertest du sowas aus deiner, aus der medizinischen Sicht?
Dr. Marie Münch: Also ich finde es schon mal sehr positiv, dass jetzt eine verstärkte Awareness ist auf diesem Punkt. Also dass es eben kein Tabuthema mehr ist, dass jede Frau selbstbestimmt sich informieren kann, was passiert mit meinem Körper und muss ich jetzt zum Arzt gehen, ja oder nein, und auch versteht, was dann mit ihr gemacht wird. Also das finde ich schon mal schon sehr, sehr positiv. Die andere Seite der Medaille ist, dass eben diese boomende Branche natürlich nicht nur von Ärzten und gerade Gynäkologinnen und Gynägologen, die vielleicht auch noch einen Schwerpunkt haben für gynäkolgische Endokrinologie, betrieben wird. Bei den Präparaten würde ich jetzt mal so beurteilen, das sind ja meistens Supplemente, Nahrungsergänzungsmittel, pflanzliche Präperate. Bei leichten Beschwerden kann ich bei einer Frau, die keine Vorerkrankungen hat, nichts falsch machen. Aber auch da wieder nochmal der Hinweis, ich muss einfach das auch trotzdem als Medikament wahrnehmen, also dass es auch Nebenwirkungen haben kann. Und dass ich die auch nenne, wenn ich jetzt in der Anamnese gefragt werde, was nehmen sie denn ein? Es ist natürlich auch wieder ein Kostenfaktor. Viele Produkte muss man selber bezahlen oder alle. Und die sind auch nicht gerade ganz billig. Also würde ich mich da immer beraten lassen von meinem betreuenden Gynäkologen, Gynägologin, die kennen mich meistens am besten. Wenn ich das Gefühl habe, okay, da habe ich ein bisschen mehr Bedarf. Vielleicht dann auch noch eine Spezialambulanz. Also es gibt ja Hormonambulanzen, gynäkolgische Endokrinologien. Natürlich Apotheke. Was auch immer mehr kommt und auch sehr gut ist, dass eben die Krankenkassen informieren, aber auch die Arbeitgeber. Also wir an der Uniklinik haben auch jetzt eine Kampagne für die Menopause, wo wir eben aufklären, Mitarbeiter aufklären, dass das auch in der Arbeit enttabuisiert ist, das auch andere verstehen, was passiert denn mit einer Frau, wenn die in die Wechseljahre kommt, dass die vielleicht mal mehr ausfällt oder ein bisschen mehr Zeit braucht. Das ist ganz wichtig. Dafür ist es natürlich schon gut, dass dieses Thema jetzt immer mehr aufkommt.
Martin Hoffmann: Was glaubst du denn, wenn wir in zehn Jahren wieder über das Thema sprechen? Wie sind wir da aufgestellt, was Behandlungsansätze zum Beispiel angeht? Wie entwickelt sich so eine Hormonersatztherapie weiter? Welche Möglichkeiten gibt es da überhaupt noch? Oder vielleicht auch mit anderen Behandungsansätzen?
Dr. Marie Münch: Also zum einen, dass es weiterhin eine gute, risikoarme Hormonersatztherapie gibt, die ich individuell auf jede Patientin anpassen kann. Und da sind wir schon in einem sehr guten Bereich. Dass aber auch ganzheitlich das angesehen wird. Also dass ich nicht nur sage, ich greiche die Hormone aus und zwar nur die weiblichen, sondern Stichwort eben auch, wenn ich es benötige, die männlichen Hormonen. Aber auch, dass ich sowas adressiere, wie eben psychologische Beschwerden. Also dass sich da einfach mehr Experten habe, sexuelle Beschwerde, partnerschaftliche Probleme. Und aber auch die internistischen Probleme, also gerade die Insulinresistenz. Ganz, ganz viele Frauen leiden darunter, dass sie einfach zunehmen und ihr Körperbild sich verändert und dass man auch das vielleicht mit in diesen Aspekt mit einbringt, wenn es Leidensdruck wiederum macht bzw. auch in den Bereich geht, wo es krankhaft ist.
Martin Hoffmann: Also Leidensdruck ist jetzt öfter gefallen. Ich glaube, das ist wirklich das Entscheidende. Sobald ein Leidungsdruck da ist, sollte eine Frau dann auch wirklich sich Hilfe suchen.
Dr. Marie Münch: Ja, ja, also das spätestens spät, wie gesagt, bei den Einschränkungen schon. Das klingt jetzt natürlich immer alles so ein bisschen Wechseljahre und das Wort Leiden, dass es sehr viel fällt. Es kann auch was Wunderbares sein. Nur gibt es eben Frauen, die da wirklich leiden und die darf man nicht verpassen. Das ist ganz, ganz wichtig.
Martin Hoffmann: Jetzt wo du gerade sagst, irgendwie das kann auch was Wunderbares sein, was genau ist dann das Wunderbare, das damit irgendwie auch verbunden werden kann?
Dr. Marie Münch: Dass ich einfach nicht mehr diese Schwankungen habe. Also viele Frauen leiden auch unter ihrem Zyklus durch die Hormonschwankungen. Wir Frauen haben einfach keinen Gleichstrom in unserem Menstruationszyklus, wie die Männer, die haben kontinuierlich ihr Testosteron. Und wir haben verschiedene Zyklusphasen und aber auch Beschwerden damit. Also wenn ich zum Beispiel eine sehr schmerzhafte Menstruation habe, dass es dann einfach mal Schluss damit ist. Und das wird für manche auch als sehr positiv empfunden.
Martin Hoffmann: Also hat wiederum beide Seiten da auch gespielt. Beide Seiten, genau. Vielen, vielen Dank. Ich habe sehr, sehr viel gelernt und nehme wirklich viel für mich mit. Danke dir.
Dr. Marie Münch: Sehr gerne.
Martin Hoffmann: Also ich habe aus dem Gespräch mit Marie Münch definitiv mitgenommen, dass der Leidensdruck der Frauen entscheidend ist. Sobald Symptome auftreten, die auf die Wechseljahre zurückzuführen sind und die Lebensqualität in irgendeiner Form einschränken, sollten sich Frauen Hilfe holen oder zumindest beraten lassen. Hierfür am besten direkt mit der Frauenärztin oder mit dem Frauenarzt Kontakt aufnehmen, aber das gilt natürlich auch für alle anderen Beschwerden. Um das Thema Wechseljahre aus der Tabuzone rauszuholen, hilft nur ein offener Umgang damit, wie Marie Münch nochmal betont hat. Wie geht es in euch jetzt nach dem Gespräch? Habt ihr euch schon mit dem Thema Wechseljahre auseinandergesetzt oder seid ihr vielleicht selbst gerade in den Wechseljahren? Wenn ihr möchtet, könnt ihr gerne eure Erfahrungen in die Kommentare schreiben und euch dort austauschen. Marie Münch hat uns auch wieder einige Infos zukommen lassen, die findet ihr wie immer in den Shownotes. Und wenn ihr eine Idee für ein spannendes Thema habt, dem wir uns mal widmen sollen, schreibt es gerne in die Kommentaren oder schickt uns eine Nachricht bei Instagram, @gesundnah, so findet ihr uns. Wenn euch der Podcast gefällt, gerne abonnieren und wenn ihr schon dabei seid und gerade auf abonnieren gedrückt habt, gerne auch eine Bewertung dalassen. Wir freuen uns, wenn ihr auch das nächste Mal wieder dabei seid. Ich bin Martin Hoffmann. Wir hören uns.
Outro: GESUNDNAH – der Gesundheits-Podcast der AOK Baden-Württemberg.
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