#37 Mental Load: Wenn der Kopf nie Feierabend hat

Shownotes

Arzttermine organisieren, WhatsApp-Gruppen managen, Einkäufe planen – all das spielt sich oft unsichtbar im Kopf ab. Dieses Phänomen heißt Mental Load und trifft vor allem Frauen. Moderator Martin Hoffmann spricht mit Dr. Caroline Bialon, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutin, über gesundheitliche Folgen und Warnsignale. Außerdem erzählt Autorin und Mental-Load-Expertin Laura Fröhlich, wie sie bemerkt hat, dass die Belastung zu groß ist, warum besonders Mütter in die Mental-Load-Falle geraten, und welche Strategien helfen, Aufgaben fairer zu verteilen.

Links zum Thema: Frau Dr. med. Caroline Bialons Praxisseite findet ihr hier: https://www.caroline-bialon.de

Ihr möchtet mehr über Laura Fröhlich und ihre Tipps gegen den Mental Load erfahren, dann findet ihr sie auf Instagram: https://www.instagram.com/mentalload_expertin

Lauras Liste zur fairen Aufgabenverteilung könnt hier herunterladen: https://mental-load-akademie.de/liste/?fbclid=PAZXh0bgNhZW0CMTEAAad3g9z9XiqftAtGGgiJJlv68GB0XcsZXP7M0QBYpfqiIdwSAJfmU6lxylTaYAaemymd0J-By1ZM1y0tROrBnvw

AOK-Gesundheitskurse zur Stressbewältigung findet ihr hier: https://www.aok.de/pk/gesundheitskurse/stressbewaeltigung

Was ist Mental Load und warum sind meist Frauen betroffen? – Ein Interview mit Diplom-Psychologin und Buchautorin Patricia Cammarata: https://www.aok.de/pk/magazin/familie/eltern/mental-load-wie-unsichtbare-aufgaben-frauen-belasten

Wer an konkreten Zahlen zum Thema Mental Load interessiert ist, findet hier einen ausführlichen Report der Hans-Böckler-Stiftung: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008679

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Transkript anzeigen

Intro: Unterwegs für die Gesundheit, GESUNDNAH, der Podcast der AOK Baden-Württemberg.

Martin Hoffmann: Wenn ihr an euren Alltag denkt, wie viele Dinge habt ihr da gerade im Kopf? Also alles, was parallel zum regulären Arbeiten läuft. Ich spreche jetzt von konkreten Terminen wie Arztbesuche, Kita, Elternabend und Verabredung, aber auch von To-dos wie Haushalt, Wäsche machen, Einkaufen, Geburtstagsgeschenke besorgen und so weiter. Die Liste lässt sich fast endlos fortführen. Wie ist es bei euch? Seid ihr dafür alleine verantwortlich oder teilt ihr die Aufgaben mit eurem Partner oder mit der Partnerin? Das sind ja alles Gedanken, die parallel laufen, also To-dos, die geplant werden müssen, über die kommuniziert werden muss. Das wird oft extrem stressig bis hin zur mentalen Überlastung. Diese unsichtbare Denk- und Koordinationsarbeit im Alltag nennt man Mental Load. Und sind wir ehrlich, oft tragen Frauen die größere Last. Das bestätigen auch die Zahlen. Ich habe hier so eine Studie von der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2023 gefunden. Ich bin Martin Hoffmann und heute möchte ich mehr über die Folgen von Mental Load erfahren. Auf den Körper und auf die Psyche. Vor allem geht es mir bei dem Thema aber auch um Strategien, wie sich diese Last besser auf mehrere Schultern verteilen lässt. Also dass in Partnerschaften nicht immer eine Person für die ganze Alltagkoordinierung verantwortlich ist. Aber auch wie sich dieser Stress, wie sie diese Last generell reduzieren lässt. Bei meiner Recherche bin ich relativ schnell auf Laura Fröhlich gestoßen. Sie ist auf Instagram sehr aktiv und war lange selbst vor Mental-Load betroffen. Inzwischen ist sie Expertin auf dem Gebiet, schreibt Bücher und hat die Mental-Load-Akademie gegründet. 2020 kam ihr Buch „Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles“ raus. Kann ich übrigens sehr empfehlen, verlinken wir auf jeden Fall in den Show-Notes. Bevor ich zu Laura Fröhlich nach Remseck fahre, spreche ich mit Caroline Bialon. Caroline ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie. In ihrer Praxis bietet sie Mental-Load-Coachings an. Carolin ist gerade im Urlaub, deswegen klappt es leider mit einem persönlichen Treffen nicht. Wir haben uns aber zu einem Videocall verabredet. Carolin, ich erwisch dich gerade im Urlaub. Erstmal vielen Dank, dass du dir Zeit nimmst. Wo bist du denn gerade?

Dr. med. Caroline Bialon: Hallo Martin, ich danke, dass ich da sein darf. Ich bin in Polen, mein Mann stammt aus Polen und da sind wir quasi zu Hause.

Martin Hoffmann: Für mich ist erstmal wichtig, ich habe in der Recherche wirklich viel gelesen, aber was versteht man denn unter dem Begriff Mental Load aus medizinischer Sicht?

Dr. med. Caroline Bialon: Also eigentlich ist ja Mental Load gar keine medizinische Bezeichnung. Also das ist ja keine Diagnose oder so. Es ist einfach in Anführungszeichen ein Belastungsfaktor, der, wenn er lang genug und ausgeprägt genug ist, zu einer medizinischen Diagnose führen kann oder auch zu mehreren. Aber an sich ist es erst mal ein Belastungsfaktor. Nämlich der, dass man primär die Denkarbeit, die kognitive, die mentale Leistung primär fürs Familienleben. Es ist im Prinzip auch weiter fassbar, aber es hat sich etabliert, dass es sich aufs Familienleben, aufs Privatleben primär bezieht. Diese Denkarbeit, die es braucht, um das Familienleben vor- und nachzubereiten und für alle sozusagen zu managen. Und da ist es ganz wichtig zu unterscheiden. Es geht nicht darum, was man dann tut. Also das Tun ist davon eigentlich schon der nächste Schritt, die sogenannte ja auch Care-Arbeit, die das oft beinhaltet. Kann auch andere Sachen sein, aber es geht primär darum, das alles im Kopf zu haben. Und was auch ganz wichtig ist, es geht um ganz viele so kleine Dinge, die jedes Einzelne oft gar nicht so der Rede wert sind. Und das macht es aber so gemein, weil diese vielen kleinen Dinge, die jedes für sich so mini sind, aber in der Summe einen ganz großen Haufen machen. Und es auch eben gerade so viele kleine Punkte sind, die so diffus machen, dass es auch doch recht anstrengend ist, an das alles zu denken. Also ich gebe mal ein Beispiel. Wenn ich jetzt im Familienleben bin, dann gibt es da zum Beispiel Arzttermine der Kinder. Da muss ich im Blick haben, wann steht die nächste Impfung an? Wann steht die nächste U-Untersuchung an, wie organisiere ich die? Wann ist der Termin? Habe ich den Termin schon oder muss ich den noch machen? Wie trage ich den ein? Wer geht mit dem Kind dahin? Wer kommt mit dem Kind zurück? Entstehen daraus irgendwelche Folgegeschichten? Was hat der Arzt gesagt oder auch nicht? Und das Eigentliche zum Arzt gehen. Ist dann sozusagen nur der kleinste Teil davon.

Martin Hoffmann: Das heißt, der ganze Prozess wurde schon durchdacht und dann ist dieses Tun eigentlich ein ganz kleiner Task nur.

Dr. med. Caroline Bialon: Ganz genau.

Martin Hoffmann: Jetzt die Frage, warum sind Frauen vor allem von Mental Load betroffen? Liegt es dann daran, dass sie sehr viel von der Care-Arbeit immer noch übernehmen, auch wenn sich da gesellschaftlich, ich sag jetzt mal, so ein bisschen was tut? Aber ist das dann der Hauptgrund oder warum ist das so?

Dr. med. Caroline Bialon: Das ist tatsächlich der Hauptgrund und der zweite Grund ist tatsächlich dieses Mentale. Und da ist mein absoluter Triggersatz, da gehen bei mir alle Alarmglocken los, wenn junge Eltern, die Mutter, dann sagt oder wenn auch ein Kind erwartet wird: Ja, mein Mann hat auch gesagt, er hilft mir. Und das ist der Satz, wo sich bei mir alle Haare sträuben, weil ich denke: Wobei hilft er denn bitte? Er ist der Vater, das Kind hat zwei Eltern, warum sollte er helfen? Also, verstehst du, er hat die gleiche Verantwortung.

Martin Hoffmann: Also eigentlich sollte es 50-50 geteilt sein, alles, ne? Genau. Ich würde ganz gerne noch mal kurz zu dem medizinischen Aspekt kommen. Diese, ich sag jetzt mal, diese chronische Überlastung, wenn wir über Mental Load sprechen, wenn wir diese ganzen Aufgaben sprechen, die dann vor allem Frauen betreffen oder vor allem gerade von Frauen gemacht werden. Welche psychischen und welche körperlichen Folgen sieht man denn da? Wie äußert sich diese Belastung?

Dr. med. Caroline Bialon: Also die Folgen sind eben die von einer inneren Unruhe, von einem Gefühl nie abschalten zu können. Also wenn dieser innere Gedankenfluss gar nicht abbricht, so woran muss ich noch denken, das muss ich noch machen, da ist noch das und dann auch so durchs Haus zu gehen oder durch die Wohnung und zu sehen, boah, da liegt noch was und das steht noch an und oje, ach ja, da ist ja noch das. Zum Beispiel auch, wenn da Nachrichten reinkommen in WhatsApp-Gruppen oder sonst wo, dass man dann sieht, ach ja stimmt, da soll ich dem Kind noch zwei Euro mitgeben oder so. Dieser Gedankenstrom und diese Aufgaben reißen ja nie ab und sie sind so klein, dass sie auch keine so richtige Befriedigung machen. Also wenn ich jetzt meinem Kind zwei Euro in die Schule mitgegeben hab, sag ich hinterher nicht, wow, ich hab's voll was geschafft. Und das führt dann eben zu so Unruhe, zu Reizbarkeit. Zu Schlafstörungen, auch zu Überlastungssymptomen, bis hin auch zu Burnout oder zu einer Erschöpfungsdepression, bis hin ja auch zu Anspannungszuständen, also Verspannungen, Kopfschmerzen, auch Infektanfälligkeit, wenn eben das Stresslevel so steigt, dass eben auch die Cortisol-Spiegel steigen und so weiter. Also das hat dann ganz unterschiedliche Auswirkungen. Ich nenne es auch immer ganz gern, jeder Mensch hat so seine eigene Sollbruchstelle. Also der eine kriegt halt, wenn es dann harter fragt, kommt mehr Kopfweh und der andere ist eher krank. Und der dritte hat Nackenverspannungen oder sonst was. Und das fiese ist, dass dann halt die Stimmung eben auch leidet, dass man eben auch reizbarer wird, dass man merkt, es ist was nicht in Ordnung. Es ist ein Ungleichgewicht da. Und wenn ich dann sag, ja, ich tu so viel oder da ist so viel, dass dann eben das gar nicht gesehen wird, dadurch, dass die Aufgaben so klein sind und dass man eben auch keine guten Beispiele geben kann, weil man sich selber auch sagt, ja aber was ist denn daran jetzt schlimm? Oder was ist dann daran schlimm? Oder daran? Aber es sind dann einfach so viele kleine Sandkörnchen, dass sie einen großen Haufen machen.

Martin Hoffmann: Das ist dann die Summe einfach, ne? Genau. Ich finde total spannend, dass du Sollbruchstelle sagst. Bei mir ist es zum Beispiel der Rücken. Also wenn es zu viel wird, dann gibt es ja auch dieses Sprichwort, die Last auf dem Rücken tragen oder alles schultern müssen. Ja. So ein bisschen, bei mir ist wirklich, wenn der Stress zu groß wird, bei mir schießt das dann irgendwie in den Rücken rein. Welche gesundheitlichen Folgen kann denn dieser Mental-Load haben, wenn er eigentlich auf Dauer immer wieder größer wird und immer wächst und immer wächst und sich auch nicht auf mehrere Schultern verteilt, sondern an dem Beispiel, das du gebracht hast? Naja, mein Mann hilft mir ja ab und an, dass der halt wirklich hauptsächlich bei der Frau liegt.

Dr. med. Caroline Bialon: Das ist dann eben auch unterschiedlich, welche Resilienz ich von mir aus habe, welche Quellen ich habe, aus denen ich Kraft schöpfen kann. Also kurzum, wie gut ich Selbstfürsorge betreiben kann. Also ich kann auch sozusagen alleinerziehend sein. Also Alleinerziehende sind ja auch immer besonders belastet. Und eben unter anderem auch deswegen, weil sie ja diesen ganzen Mental Load allein tragen. Ich kann aber auch durchaus ein gesunder, zufriedener, alleinerziehender Elternteil sein, wenn ich eben gelernt habe, auch für mich selber zu sorgen. Also das ist immer wichtig, das von so Egoismus abzutrennen. Selbstfürsorge heißt wirklich, für sich Sorgen. Und wenn ich gut. Nur wenn ich gut für mich sorge, kann ich auch anderen helfen. Und was sich bei Kindern und gerade in Familien mir immer ein ganz, ganz großes Anliegen ist, indem wir das selber gut machen, sind wir unseren Kindern Vorbild. Weil, im Zweifelsfall, was nimmt ein Kind mit? Ja, Mama und Papa sorgen total gut für mich. Aber wenn ich selber mal Mama und Papa bin, dann sorge ich für meine Kinder, aber ich stehe hinten an. Also das ist ja das Bild, das ich sehe. Und ganz ehrlich, ich würde das meinen Kindern nicht mitgeben wollen.

Martin Hoffmann: Was sind denn so typische Symptome oder Warnsignale, an denen man halt erkennt, okay, die mentale Belastung, die wird jetzt zu groß?

Dr. med. Caroline Bialon: Also das ist ja wieder spannend, da schließt sich der Ring zu den Sollbruchstellen. Wenn ich weiß, ich nenne es auch mit meinen Patienten immer gern: „Was ist mein Barometer?“ Also wenn ich weiß, ich kriege leicht Migräne oder ich krieg leicht Rückenschmerzen, dann kann ich diese Rückenschmerzen als mein persönliches Barometer nehmen und gucken, wie es mir gerade geht. Und alles, was es dazu braucht, und es klingt ganz wenig, ist aber tatsächlich schon ein... großer Schritt, wenn einem das gelingt, immer wieder einchecken bei sich und zu gucken, wie geht es mir denn? Was macht denn mein Rücken? Wie geht es mir denn insgesamt? Bin ich gerade total genervt? Bin ich gerade gut drauf? Bin ich entspannt? Was ist denn los? Und wenn ich dann merke, oh, irgendwie die letzten Wochen habe ich regelmäßig Rückenbeschwerden. Ich muss irgendwie immer wieder eine Schmerztablette nehmen. Ich muss immer wieder gucken, dass ich einen Physiotermin kriege oder meine Gymnastik noch mehr mache oder sonst was. Dann wäre das ein super Moment, zu gucken was ist sonst in meinem Leben los.

Martin Hoffmann: Warum glaubst du, warum ist es so, dass viele Betroffene, dass es denen wirklich schwerfällt, sich Hilfe zu suchen oder sich selbst zu entlasten? Also ich bin auch bei meiner Recherche auf Laura Fröhlich gestoßen, mit der treffe ich mich auch noch und spreche auch noch mit ihr. Sie ist bei Instagram wirklich sehr aktiv und da habe ich auch in den Kommentaren sehr viel gelesen, dass sich viele einfach nicht trauen, Hilfe zu suchen. Warum glaubst du ist das so?

Dr. med. Caroline Bialon: Also, die Laura Fröhlich ist da eine absolute Vorreiterin in dem Gebiet und hat ja auch einen ganz tollen Podcast dazu, wo sie so auf die Details eingeht und auf verschiedene Konstellationen. Ich denke, eins ist wirklich, dass es zu unsichtbar ist und dass es so viele kleine Mini-Dinge sind und dass dadurch dieses selbst in relativ emanzipierten Paaren, Also wo man sagen würde, ja, wir teilen uns Sachen auf. Dieser Teil nur sichtbar wird, wenn ich ganz echte Aufteilung mache. Und mit ganz echt meine ich einen wirklichen Dienstplan, wer wann zuständig ist. Also solange eine Frau zu 80 Prozent da ist oder zuständig ist und der Mann nur so in Randzeiten, wenn die Frau auch da ist, sozusagen, oder sie halt mal zu einer Yogastunde geht, ja, das zähle ich nicht, sondern wirklich der Mann. Also üblicherweise ist es halt jetzt die Konstellation, gibt's natürlich auch anders, aber häufig ist es schon so. Der Mann muss echt Zeit allein mit dem Kind, den Kindern haben, in denen er dieser Problematik begegnen kann. Wenn man das erklärt, ist es häufig ganz schwer, das nahe zu bringen. Und Das ist wirklich was, wenn man das erlebt, dann ist das sofort klar. Also wenn ich jetzt zum Beispiel mit Kindern auf den Spielplatz gehe oder ins Schwimmbad und keine Wasserflasche mitnehme, dann merke ich das Ruckzuck. Und natürlich ist es dann so, wenn jetzt der Mann ins Schwimmbad geht und die Frau in die Tasche packt, dann habe ich mich selber ausgehebelt. Ja, schon. Dann ist es schon vorbei. Und andersrum bin ich aber auch eine große Verfechterin, der Ansicht, dass Männer auch ihre eigenen Fehler machen dürfen. Wir müssen es dann echt abgeben als Frau. Wir müssen wirklich sagen, das ist deine Zeit und dein Bereich und das ist meine Zeit und mein Bereich. Wirklich wie in einem Dienstplan. Und wenn da nicht grobe Sachen schiefgehen, dann ist es wirklich auch die ... Der Verantwortungsbereich dessen, der in der Zeit zuständig ist. Ganz ehrlich, wenn ich als Frau diese Trinkflasche vergessen hab und ich komm' heim, dann wartet da üblicherweise kein Mann, der sagt, ha, ich hab dir doch gesagt, du blickst es nicht und packst nicht richtig. Während diese kleine Genugtuung, die zum Ausdruck zu bringt, das muss man sich als Frau dann echt verkneifen. Sondern dann wirklich zu sagen, mach du deins, ich mach meins und dann aber auch wirklich sich rauszuhalten und zu fordern: Diese Badetasche räumt ihr aber hinterher auch aus. Also ihr packt sie, ihr geht dahin, ihr räumts sie hinterher aus. Ich hab damit nichts zu tun. Oder zum Beispiel bei uns ist es auch wirklich so, wir haben den Dienstplan. Also da ist es ganz klar, wann ist mein Mann zuständig und wann bin ich zuständig und wenn dann auch Eltern von Freunden unserer Kinder fragen, dann sage ich auch, du, das muss mein Mann fragen, ich bin in dem Zeitraum nicht zuständig. Und inzwischen, die fragen dann schon: „Bist du da zuständig oder soll ich deinen Mann fragen?“ Das ist dann ein bisschen lustig, aber genauso ist es. Dann kann er nämlich auch wirklich sagen, das passt mir oder das passt mir nicht. Also es ist auch total gemein, diese Zeit dann für den anderen zu verplanen, weil das würde ich ja auch nicht wollen.

Martin Hoffmann: Lass uns nochmal ein bisschen ordnen, ein bisschen suchen, wie kommt man aus dieser Mental-Load-Falle wieder raus?

Dr. med. Caroline Bialon: Das Wichtigste ist diese Momente, um bei sich selber einzuchecken. Diese Selbstreflektion, dieses aber nicht nur im Kopf zu hirnen, da sind wir ja dann wieder bei Mental Load, sondern mal in sich reinzuspüren, sich mal hinzusetzen und die Augen zuzumachen und zwei, drei tiefe Atemzüge zu nehmen und zu spüren, wie geht es mir, wie läuft es, was ist denn los. Und wenn man da so ein bisschen Gefühl für sich kriegt... Unser Intellekt will uns das dann oft schönreden oder umdeuten oder da irgendwie dazwischenfunken. Aber eigentlich wissen wir alle ziemlich intuitiv, ziemlich schnell, ob gerade alles in Ordnung ist oder ob es uns gerade viel ist, ob wir müde sind und so weiter. Und dann geht es wirklich um die Grundbedürfnisse, und zwar gerade bei Familie. Essen, trinken, schlafen. Also wirklich zu gucken, wie komme ich an Schlafenszeit? Wie komme ich von vernünftigen Nahrungen an genug zu trinken? Dann kann ich überhaupt erst einen klaren Gedanken fassen. Also dann kann ich auch wirklich gucken, okay, jetzt lass uns mal schauen, was ist denn unser Deal? Natürlich am besten schon, bevor man Kinder bekommt. Aber eigentlich ist es so ein kontinuierlicher Prozess, weil es ist ja immer unterschiedlich. Neugeborenes ist anders als ein Dreijähriges und Schulkinder sind anders und Pubertierende noch mal. Und dann immer wieder zu gucken. Wie läuft das gerade? Braucht es gerade eine Änderung? Also zum Beispiel, wir sind da auch so reingewachsen. Mein Mann und ich haben uns das immer ganz klar gesagt, wir wollen beide mit den Kindern sein und wir wollen beide arbeiten. Erst mal war das so, dass als unser Sohn auf die Welt kam, der hat dann halt geschlafen und dann haben wir halt geguckt, was wir zu tun haben. Und dann waren wir halt wieder da oder auch nicht. Und dann haben irgendwann gemerkt, nee, nee, jetzt müssen wir aber echt Schichtpläne. Also. Ausmachen, wer ist man zuständig, damit man einfach auch sich mal in Ruhe hinsetzen und was arbeiten kann, ohne dann gestört zu werden und nicht zu sagen, oh jetzt muss ich schon dreimal aufstehen und warum stehst du mal nicht auf, sondern wirklich zu sagen ja, wie vermeide ich denn Streit, indem ich einfach schon vorsorge, die Situation ist ja total absehbar. Ich kenne auch viele Eltern, die dann sagen, na gut, sie teilen sich zum Beispiel kindweise auf, dass der eine für ein Kind für die Klassengruppe oder Kindergartengruppe oder sonst wie zuständig ist und der andere fürs andere. Oder einer sagt, ich mach das alles und dafür macht der andere irgendeinen anderen Bereich. Und da hatten wir zum Beispiel auch so eine ganz konkrete Sache, wo wir wussten, beide Kinder sind in der Betreuung, haben wir aber den Dienstplan. Weiter beibehalten, auch für die Zeiten, wo die Kinder betreut sind. Weil es jetzt so ist, wenn ein Kind krank ist oder abgeholt werden muss plötzlich oder sonst irgendwas ist, dann wissen wir immer, wer da dran ist. Und dadurch, also ich hab halt Sprechstunde, da bin ich nicht dran. Und an dem anderen Tag, wo ich keine Sprechstunde hab, da kann ich mir natürlich Termine reinlegen, da kann alles Mögliche machen. Aber ich weiß, wenn da irgendwas ist dann kippt mein Termin. Aber dann ist das nicht schlimm, sondern das ist die Absprache.

Martin Hoffmann: Ich muss sagen, ich finde das sehr, sehr spannend. Ich glaube, da tut sich gerade einiges. Ich finde den Punkt auch, dass man auch drüber sprechen muss. So wie ihr das macht, dass irgendwie im Freundeskreis schon die Leute wissen, wer im Dienstplan gerade dran ist. Ich glaube wenn man da sehr, sehr offen kommuniziert, dann kann man, glaube ich, das auch noch mal ein bisschen weitertragen. Und vielleicht geht dann so eine Entwicklung auch noch ein bisschen schneller. Ja, sehr, sehr spannend, Caroline. Ich habe so viel mitgenommen, muss ich sagen. Und ich muss bei mir, glaube ich, auch noch einmal einiges überdenken. Ich finde diesen Dienstplan, das nehme ich mir auf jeden Fall mit. Und auch wenn die Kinder in der Betreuung sind, dass man den Dienstplan weiterführt, finde ich einen sehr, sehr guten Punkt. Jetzt will ich dich gar nicht länger von deinem Urlaub aufhalten. Ich wünsche dir ganz viel Spaß mit deiner Familie weiterhin. Und vielen Dank für deine Zeit. Hat mir großen Spaß gemacht. Danke dir.

Dr. med. Caroline Bialon: Ich danke dir, Martin. Mir hat es auch großen Spaß gemacht und ich freue mich, dass wir damit das Thema auch wieder nach vorne bringen können. Vielen, vielen Dank dir.

Martin Hoffmann: Offen kommunizieren, Probleme ansprechen, Aufgaben klar verteilen und Regeln aufstellen. Das sind auf jeden Fall konkrete Sachen, die ich aus dem Gespräch mitnehme. Jetzt bin ich total gespannt, was Laura Fröhlich erzählt. Sie ist Mutter von drei Kindern und war lange selbst mental beladen. Eigentlich kann man schon fast sagen überladen. Bei Instagram folgen Laura fast 50.000 Leute. Das Thema betrifft also echt viele Menschen und gefühlt fliegt es trotzdem total unterm Radar. Ich bin jetzt in Remseck und Laura Fröhlich hat uns zu sich nach Hause eingeladen.

Laura Fröhlich: Hallo Martin, komm rein!

Martin Hoffmann: Hallo Laura, hallo.

Laura Fröhlich: Ich hab schon Kaffee gemacht.

Martin Hoffmann: Perfekt. Dankeschön. Laura, du hast du hast selbst erlebt, was Mental Load bedeutet. Wie hat sich das in deinem Alltag gezeigt?

Speaker 5: Also ich habe immer zuerst gedacht, dass ich meinen Alltag nicht geregelt bekomme. Ich dachte, ich wäre irgendwie zu chaotisch oder ich vergesse ständig Sachen. Und ich habe dann versucht, immer besser organisiert zu sein. Aber das wurde nicht besser. Und ich hab es auch daran gemerkt, dass es mir schwer, viel Pausen zu machen. Also sobald ich irgendwie meinen Kaffee trinken wollte, sind mir direkt Dinge eingefallen, die ich erledigen kann. Und dann habe ich halt nicht Kaffee getrunken, sondern irgendwelche Matschhosen. Bei Vinted bestellt und habe dementsprechend kaum noch Pausen gemacht und es hat dann auch irgendwann dazu geführt, dass ich ja auch gesundheitlich Probleme bekam, also Zittern oder Kopfschmerzen, ich konnte nicht schlafen. Dann habe ich richtig gemerkt, wie diese Belastung im Kopf dazu führt, dass auch der Körper irgendwann nicht mehr mitspielt.

Martin Hoffmann: Das heißt, du hast Pausen direkt gefüllt mit neuen To-Dos, die du irgendwie abhaken solltest oder wolltest.

Laura Fröhlich: Genau, ich hab ja versucht, alles effizient hinzubekommen, Beruf und Familie und Haushalt und was weiß ich noch alles. Und dann erschien mir jede Pause erst mal ... Ja, als ungenutzte Zeit. Und dieses Entspannen wirklich, das erschien mir dann einfach nicht mehr notwendig. Aber hab dann natürlich gemerkt, dass der Körper, der Geist es unbedingt braucht. Und so hab ich dann tatsächlich auch mal beim Arzt gesessen und gesagt, meine Hände zittern komisch oder ich fühl mich unwohl. Und der hat dann einfach auch gesagt, ja vielleicht machen sie zu viel.

Martin Hoffmann: Das heißt, das ist schon auch was, wo du sagen würdest, das hat auch viel mit Familie, mit eigenen Kindern zu tun, oder?

Laura Fröhlich: Absolut, also das ist für mich und so ist es, glaube ich, für viele Frauen ein Gamechanger, wenn man Kinder bekommt. Denn tatsächlich organisieren sich ja viele Paare davor recht gleichberechtigt. Aber sobald ein Kind dazu kommt in eine Familie, fühlt sich vor allem die Mutter verantwortlich. Und genauso war es bei uns eigentlich auch. Ich habe dann eben vor 14 Jahren genau das gemacht, was alle anderen Mütter auch gemacht haben. Ich war länger in Elternzeit als jetzt mein Mann. Und ich war danach in Teilzeit tätig und habe mich halt sonst um Kind und Haushalt gekümmert. Was wir vorher 50-50 aufgeteilt hatten, ist dann in so eine Schieflage gekommen und das erlebe ich schon auch bei vielen Familien.

Martin Hoffmann: Wenn wir jetzt über diese Schieflage, wie du sagst, mal sprechen. Was hat dich da besonders überfordert?

Laura Fröhlich: Dass die Ansprechperson für alles zu sein. Also, es war gar nicht die Tätigkeit, Wäsche waschen, kochen oder diese Dinge, diese ausführenden Dinge, sondern vor allem dieses Regeln im Kopf. Und zwar nicht nur die Dinge, die heute getan werden, sondern was machen wir am Wochenende? Wann muss das Kind zur nächsten U-Untersuchung? Bald steht der Urlaub an, wir müssen das Kind in die Kita eingewöhnen. Das heißt, es waren so Zeiträume von drei bis sechs Monaten. Die ich dann sozusagen dauernd überschauen musste. Und das unterschied sich auch von meinem Mann. Der hat natürlich schon überlegt, was muss heute noch organisiert werden. Der hatte aber nicht diesen Weitblick. Das ist auch nachgewiesen von der Soziologin Allison Daminger, dass tatsächlich Frauen diesen Weitblick oft haben, weil die Gesellschaft das von ihnen erwartet, viel mehr als von Männern.

Martin Hoffmann: Wo hättest du dir und wie hättet du dir da mehr oder anders Unterstützung gewünscht?

Laura Fröhlich: Also ich glaube, jetzt rückblickend hätte ich die Elternzeit – und ich glaube so sieht es mein Mann auch – wirklich 50-50 aufgeteilt. Das heißt, die Unterstützung ist für eine Person auch sehr schwer, die 40 Stunden pro Woche erwerbstätig arbeiten muss. Also das ist für mich das ganz große Manko und da wird einfach ganz zwangsläufig die Person, die weniger erwerbstätig ist und mehr Zeit zu Hause verbringt, besser. Ja, und dazu noch der Anspruch von außen, das heißt auch so, ich werde immer perfekter in dem, was ich tue. Das Problem war nicht mein Mann, der zu wenig getan hat, sondern es war eher diese Überkompetenz bei mir und natürlich auch die mangelnde Zeit bei ihm und die Zeit, die vorhanden war bei mir, damit ich mich eben optimal um alles kümmere.

Martin Hoffmann: Du sagst gerade, optimal um alles kümmern, immer perfekter werden. Das ist ja auch dieser Perfektionismus, der immer auch erwartet wird. Das ist auch ein gesellschaftliches Problem, was wir da haben. Was muss ich da ändern?

Laura Fröhlich: Also ich würde sagen, ganz grundsätzlich sollten wir uns mit diesem idealisierten Mutterbild auseinandersetzen als Gesellschaft. Das fängt schon im Kindergarten, in der Schule an, in Filmen sehen wir es, in Serien, auf Social Media. Es ist immer die Mutter, die alles macht, die sich um alles kümmert, die Ansprechperson ist. Und das hat hier auch historische Gründe, dass wir so ein idealisiertes Mutterbild haben, ganz besonders in Deutschland, ganz besonderes im westlichen Teil Deutschlands und das ist heute noch so stark vertreten. Was wir auch aktuell bei diesen Tradwives auf Instagram sehen. Und ich merk ja selber, irgendwie fasziniert dieses Bild von einer Mutter, die backt und kocht und tut. Auch wenn ich jetzt so aus beruflichen Gründen weiß, wie fatal und gesundheitlich problematisch das ist. Aber trotzdem, ich glaub, bei vielen Frauen ist immer noch dieses, das spricht irgendwie an, dass man so eine allzeit präsente Mutter sein möchte. Und weil man das natürlich nicht sein will und auch nicht sein kann. Ist da dann dieses Schamgefühl, ich krieg's nicht hin, ich hab mich nicht genug gekümmert. Und dieses Schamgefühl wiederum treibt den Perfektionismus an. Dann probier‘ ich eben noch mehr. Deshalb würde ich sagen, dieses idealisierte Mutterbild ist das grundlegende Problem, warum auch so viele Frauen, grade Mütter, unter Mental Load leiden.

Martin Hoffmann: Jetzt hast du auch gerade gesagt, man kann ja eigentlich nur daran scheitern. Also perfekt geht ja gar nicht. Und sich immer weiter zu optimieren hat ja dann irgendwann auch seine Grenzen. Du hast gesagt, bei dir hat es auch am Schluss gesundheitliche Probleme gehabt. Wie sahen die aus? Also wie waren da die konkreten Auswirkungen von Mental Load bei dir?

Laura Fröhlich: Also es war tatsächlich dieses erwähnte Muskelzittern, Kopfschmerzen und, ich glaube, eine ganz brutale Gereiztheit. Also ich war sozusagen ständig auf 180, mein Kopf war ständig voll und unser Gehirn ist nicht endlos. Das heißt, ich hatte so viel im Kopf, dass ich meine Emotionen gar nicht mehr kontrollieren konnte. Ich war sauer, ich war wütend auf mich, auf die Kinder, auf meinen Partner, auf alles. Und war dann eben auch ständig gereizt. Und das, würde ich sagen, war auch so ein Phänomen, was ich heute im Rückblick total verständlich finde. Wer sich um alles kümmert, hat eben nicht genug Zeit, um sich auszuruhen und dann vielleicht auch geduldig mit den Kindern umzugehen. Aber ich habe da natürlich gedacht, ich bin gereizt, ich schreie rum, ich bin schuld, ich bin keine gute Mutter und dann wären wir wieder bei diesem Kreislauf und in diesem, man sagt auch Erschöpfungsdepression. Also ich habe tatsächlich auch mal mit einer Frau gesprochen, die psychotherapeutisch arbeitet und die hat von diesem Erschöpfungskreislauf gesprochen. Ja, man arbeitet viel, aber diese Arbeit wird nicht gesehen. Dann fühlt man sich schuldig, weil man es nicht hinbekommt, traut sich nicht, drüber zu reden, ist einsam. Ja, und man kann sich vorstellen, all diese Dinge zusammen in einem Topf, das kann wirklich bis zu einer Erschöpfungsdepression gehen. Und ich war ganz dankbar auf diesen. Begriff Mental-Load zu stoßen, dann hätte ich genauso weiter gemacht, dann hätte ich mir gut vorstellen können, dass ich da auch gelandet wäre.

Martin Hoffmann: Gab es bei dir so einen Moment, an den du dich erinnerst, wo du sagst: „Okay, so kann es nicht weitergehen?“

Laura Fröhlich: In einem Urlaub, wo ich nebenher mein Buchprojekt, an dem ich geschrieben hab, ich hab das in den Urlaub mitgenommen, hab dann gleichzeitig die Packliste geschrieben, hab überlegt, was machen wir heute als Tagesausflug. Und da hab ich dann auch gemerkt, ich kann ja gar nicht mehr nichts tun. Also es gibt für mich keinen Urlaub.

Martin Hoffmann: Wollte ich gerade sagen, klingt nach einem richtig tollen Familienurlaub, den du da geplant hast.

Laura Fröhlich: Und es ist natürlich, warum das auch so wichtig ist, zu sehen diese Erwerbsarbeit, die ja sehr viele Frauen auch noch machen müssen bzw. Wollen. Also ich wollte unbedingt erwerbstätig sein. Das halt unter einen Hut zu bekommen ist für Frauen besonders schwer, weil sie, das zeigen auch Studien, dass selbst wenn er und sie beide in Vollzeit erwerbstätig sind, sie sich immer noch um diese ganze Orga kümmert. Nicht weil die Männer nicht wollen. Also es geht hier nicht drum, zu sagen Männer haben keine Ambitionen und weigern sich. Aber sie hat ja dieses schlechte Gewissen. Und sie sagt auch abends, wenn beide erschöpft auf dem Sofa liegen, ich räum noch die Küche auf. Ich schreib noch einen Einkaufszettel. Und das hab ich auch immer gemerkt. Ich konnte nicht dann abends sagen, jetzt lassen wir das halt einfach mal chaotisch, sondern ich hab dann immer noch weiter organisiert, bis ich ins Bett gegangen bin. Ich glaube, es ist ganz wichtig zu akzeptieren, dass es nie perfekt laufen kann, weil Familienalltag einfach auch nicht darauf ausreicht. Gelegt ist und auch nicht sein muss. Dass natürlich wir uns ohne Kinder konnten, wir uns oft an unsere Pläne halten. Mit Kindern ist das schwieriger. Und dass dieser Alltag stressig ist. Und genau was du gesagt hast: wichtig ist der Werkzeugkasten. Also miteinander reden über dieses Mental-Load-Thema. Oder aber auch zu sagen: „Ich habe so eine Auszeit für mich, wo ich wirklich mal nichts muss. Ja, also ich gehe zum Beispiel schwimmen, da bin ich unter Wasser, da kann ich nicht mal an mein Handy. Also, ich hab da eine Zeit, in der bin ich nicht erreichbar. Und das ist wirklich die wichtigste Medizin für Eltern. Die ist, wenn Kinder ganz klein sind, noch mal kleiner, ja. Bei einem Säugling kann ich schwimmen gehen vielleicht. Aber wenn's die zehn Minuten sind, die ich mal kurz übers Feld laufe, ohne Smartphone, nicht erreichbar, nicht im Projektmanagement-Modus. Ich brauche das, damit ich diese anstrengenden Tage überstehe, die kommen. Und die können wir auch nicht wegorganisieren, weil die gehören nur mal zum Leben mit Kindern dazu.

Martin Hoffmann: Wie hast du diesen Abwärtsprozess, diesen Teufelskreis durchbrochen, dass du aus dieser Dauerbelastung rausgekommen bist?

Laura Fröhlich: Also ich habe eine Mutter-Kur gemacht, ohne Kinder, habe mir davon dann irgendwie versprochen, dass dann alles besser wird. Und es war natürlich eine tolle Zeit. Aber da ging es noch nicht um dieses Mental-Load-Thema. Also es ging danach eigentlich wieder weiter wie bisher. Deshalb hat das bei mir nachhaltig nicht so viel gebracht, wie: Ich habe einen Vortrag über Mental Load gehört und dachte: Ja krass, das ist es ja. Also das ist genau mein Problem. Ich bin damit gar nicht alleine. Wow. Ich verstehe, warum ich so schnell bin. Ich versteh, warum mein Mann und ich zanken über, warum muss ich mich um alles kümmern oder dir kann man's nicht recht machen. Und dann haben wir darüber gesprochen. Ich hab damals gebloggt und hab über dieses Thema geschrieben. So im Schreibprozess ist mir vieles klar geworden. Und dann hab ich durch dieses Schreiben und durch dieses Recherchieren einfach ... Ja, mich in das Thema reingefuchst und in dem Zug natürlich auch mit meinem Mann gesprochen. Und wir haben einfach gemerkt, was ist das Problem? Und jetzt können wir zusammen da Lösungen finden. Und das hat wirklich dazu geführt, dass – Ich hab dann ja dieses Buch geschrieben über Mental Load. Ich mache das ja heutzutage beruflich und durch dieses Berufliche färbt es natürlich automatisch auf meinen Alltag ab. Das heißt, wir sprechen uns zum einen sehr viel ab. In der Familie. Aber was bei mir wirklich das meiste verändert hat, ist schon so diese eigene Reflektion. Ich ziehe mich aus bestimmten Themen raus. Ich bin für manches nicht mehr zuständig. Das hat langfristig noch viel mehr geholfen, aber vor allem natürlich auch zu sagen, wir schaffen jetzt verschiedene Verantwortungsbereiche und dadurch kann ich Dinge abgeben. Kann vor allem auch, und das ist ein wichtiger Punkt, abgeben, lernen. Dieses wirklich, ich bin ja viel beruflich unterwegs und auch ich habe gelernt, dass, wenn ich zurückkomme und die Küche nicht hundertprozentig perfekt aussieht, dass ich da nicht anfange zu putzen, sondern eher sage, super, die haben das hier ohne mich hinbekommen und die haben es sogar cool gemacht, weil die machen die 80% und nicht die 100%, weil die sind im Familienalltag eh Quatsch. Also ich lerne da auch durch meine Kinder, dass es nicht perfekt sein muss.

Martin Hoffmann: Jetzt haben wir viel über junge Familien gesprochen. Jetzt kann ich mir gut vorstellen, dass Mental Load, wenn man eben nicht die Partnerin oder den Partner an der Seite hat, die noch mal, wo man Sachen hinschieben kann und sagt, hey, komm, lass uns das irgendwie anders aufteilen. Ich gebe gerne was ab oder ich habe zwar Probleme, was abzugeben, aber wir müssen irgendwie. Wenn man alleinerziehend ist und eben nicht so eine Person hat und vielleicht die Großeltern jetzt auch nicht in der Nähe. Was machen solche Leute? Wie gehen die damit um?

Laura Fröhlich: Also ich erlebe das als ganz großes Problem, sowohl in Workshops – also ich habe auch schon Workshop mit Alleinerziehenden gemacht – als auch auf Instagram, es kann einfach nicht funktionieren, weil Kinder zu betreuen, zu versorgen, für sie da zu sein, das ist für eine Person alleine im Grunde nicht stemmbar und deshalb wünsche ich mir da auch einen Perspektivwechsel, also dass wir mehr hinschauen und es wirklich mehr Unterstützung für Alleinerziehende gibt, weil die haben sowohl die Erwerbsarbeit als auch diese ganze Fürsorgearbeit auf dem Buckel. Und es wird aber gar nicht so richtig gesehen. Sie werden ja von außen trotzdem, also sie kriegen die gleichen Aufgaben, sie müssen in der Kita präsent sein, sie müssen an der Schule alles liefern und gerade auch alleinerziehende Mütter haben diesen Perfektionismus natürlich auch, weil sie auch immer nach außen zeigen wollen, ich krieg's hin. Deshalb erlebe ich, dass Alleinerziehende da wirklich einen besonders hohen Mental Load tragen. Gerade weil sie ja nicht sagen können, ich lagere dieses eine Thema mal aus und ich bespreche es mit Partner oder Partnerin. Also ich muss alles irgendwie alleine schultern. Was können die tun? Ich erlebe immer, dass natürlich der Austausch unter Alleinerziehenden ganz, ganz wertvoll für Alleinerziehende ist, also dass man mal diese Belastung, die eben noch eine besondere ist, teilen kann und letztendlich braucht es wirklich Menschen, die mit anpacken. Ja, also optimal in einem Mehrgenerationenhaus, wo ältere Leute mit anpacken, wo Nachbarinnen mit anpacken, dann auch einfach nochmal in Vereinen, in Schulen, in Kitas. Dass wir einfach noch mal besonders auf die Alleinerziehenden achten, weil das kann ja jedem Elternteil passieren, von heute auf morgen oder durch einen Konflikt, das Paar trennt sich. Also das passiert nun mal auch sehr häufig. Und deshalb wünsche ich mir da insofern auch wieder eine gesellschaftliche Veränderung.

Martin Hoffmann: Du hast gesagt, Workshops, du hast mit Blog eigentlich angefangen und hast ein Buchprojekt. Damit ging das bei dir so los und mittlerweile machst du es beruflich, hast du gesagt.

Laura Fröhlich: Genau, also ich bin für… ich brenne für dieses Thema so leidenschaftlich aus eben besagten Gründen. Ich war selbst betroffen und hab dann über das Buch, über verschiedene Vorträge, über meine Tätigkeit als Speakerin, da mittlerweile auch so viel Austausch mit anderen Menschen, mit anderen Betroffenen, dass ich deshalb auch ganz genau weiß, wie unterschiedlich Mental Load sein kann und dass es natürlich Mittel gibt, die helfen. Aber dass es ganz oft auch für Familien nicht reicht, wenn ich Tools und Werkzeuge weitergebe. Sondern da sind es vor allem die Strukturen, der Kitaplatz, der fehlt. Oder zu wenig Hände, die mal mit anpacken. Es gibt keinen Babysitter. Das sind dann noch mal Herausforderungen, die lassen sich mit einem Workshop nicht lösen, sondern die brauchen dann einfach noch mal viel, ja, weitläufigere Lösungen, gesellschaftlich.

Martin Hoffmann: Jetzt haben wir viel über Familien geredet, viel über Kinder geredet. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass das Thema Mental Load auch mal, wenn man Familien und Kinder und Alleinerziehende und so was einfach mal ausklammert. Wen betrifft es denn noch? Also welche Gruppen werden da oft vergessen?

Laura Fröhlich: Also wir haben ja auch Menschen, die Angehörige pflegen, die neben ihrer Erwerbstätigkeit, ihrem Haushalt, ihren eigenen Aufgaben da noch so einen wirklich krassen Job haben, sich zum Beispiel um die eigenen Eltern zu kümmern. Also das ist vor allem auch so eine Gruppe, die sehr von Mental Load belastet ist, würde ich sagen. Auch hier wieder die Fürsorge eben spielt da eine große Rolle. Nicht nur das eigene Leben zu organisieren, sondern auch für die Eltern da zu sein oder für Verwandte. Aber es kann auch eine Person sein, die sich weder um Angehörige kümmert, noch eigene Kinder hat, aber so ein People Pleaser ist. Ja, also ich bin die Gefühlsmanagerin oder der Gefühlsmanager und bin vielleicht im Büro die Person, die immer gute Laune verbreitet und anderen zuhört und sich kümmert, aber dabei gar nicht mehr an sich selbst denkt. Ja, also ich bin für alle da, ich organisiere den Skiurlaub, ich organisiere Geschenke für den Kollegen und bin so verwurzelt in dieser Fürsorgearbeit, dass ich denke, ja, ich gönn mir selbst aber keine Zeit. Und deshalb kann Mental Load jede Person betreffen, ja. Also da darf sich auch jede Person, die merkt, oh ja, ich hab das Problem auch, angesprochen fühlen. Das ist nicht begrenzt. Aber ich würde trotzdem noch mal sagen, dass diese Fürsorge für andere Menschen da sein, in welcher Form auch immer, da ein Faktor sein kann, der Mental Load begünstigt und eben da speziell neben den Eltern auch die Menschen, die sich um Angehörige kümmern. Und es gibt natürlich auch Menschen, die haben noch Kinder, um die sie sich kümmern, aber schon die eigenen Eltern werden pflegebedürftig. Und dazu nochmal, das betrifft auch wieder vor allem Frauen. Also doppelt so viele Frauen pflegen ihre Angehörigen wie Männer und manchmal sogar auch noch die Schwiegereltern. Also haben wir da auch wieder eine sehr hohe Belastung, gerade bei Frauen. Ich möchte aber die Männer nicht ausschließen.

Martin Hoffmann: Was machst du denn, dass du nicht mehr in diesen Teufelskreis zurückfällst irgendwie? Weil ich kann mir gut vorstellen, du bist so viel unterwegs, du machst so viel, du hast eigentlich nochmal ein eigenes Projekt nochmal on top dazu genommen. Hast du so einen kurzen Tipp, was du machst, damit du da nicht mehr reinfällst?

Laura Fröhlich: Also für alle auch die Zuhörer, die jetzt denken, Mensch, jetzt hat sie da ihr Glück gefunden. Das ist natürlich nicht so, ich merke ganz genau manchmal diese Mental-Load-Peaks, wie ich sie nenne. Aber ganz klar ist für mich, wenn ich wieder merke, oh, ich fühle mich wieder für alles zuständig, dass wir nochmal in der Familie sprechen. Also dieses Gespräch, wie geht's mir, aber auch wie geht es den anderen? Aufgaben sammeln und dann verteilen. Aber auch wirklich nochmal, also ich habe so einen Journal und da schreibe ich dann auf, wenn es mir zu viel wird. Reflektier wieder selber und seh natürlich dann schon, wo hab ich so mikrogemanagt, wo hab' ich wieder Aufgaben übernommen, die eigentlich gar nicht in meiner Verantwortung waren. Und tatsächlich, wenn ich merke, mein Mental Load wird wieder größer, genau dann such' ich mir im Kalender Lücken und mach' so Termine mit mir selber. Da geh' ich schwimmen, da gönn' ich eine Massage, da treff' ich mich mit einer Freundin. Also guck einfach, wo kann ich wieder Termine mit mir selbst machen, weil sonst ist natürlich mein Kalender super schnell voll mit Arbeit, unbezahlter oder bezahlter. Und das ist auch wirklich, glaube ich, das Allerwichtigste, dass man sagt, es ist mein Leben und ich möchte von meiner Zeit auch selbst für mich was haben. Und meine Zeit ist nicht für die anderen da, sondern ich möchte, ich erhebe Anspruch auf meine Zeit und ich erlaube mir wieder, die nur für mich zu nehmen.

Martin Hoffmann: Vielen, vielen Dank. Ich habe Muster erkannt, muss ich sagen, in meinem eigenen Alltag und habe ganz viel mitgenommen. Danke dir.

Laura Fröhlich: Sehr gerne.

Martin Hoffmann: Familienleben, Alltagsplanung, Kinder, Pflege, vielleicht sogar generell Care-Arbeit. Das ist alles ein Marathon, wie Carolin sagt. Und wir müssen uns die Frage selbst stellen, wie wollen wir leben? Wie stressig oder wie wenig stressig soll unser Alltag sein? Und wie kommt man raus aus der Mental-Load-Falle? Selbstreflektion, das eigene Barometer im Blick behalten und eine klare Aufteilung, vielleicht bis hin zum Dienstplan. Beispiel Kinder. Wer ist wann für die Kinder verantwortlich? Und wenn die körperlichen und psychischen Symptome zu heftig werden, auf jeden Fall Hilfe suchen, zum Beispiel beim Hausarzt oder bei der Hausärztin. Sag mal, wie geht's denn euch nach den beiden Gesprächen? Habt ihr euch da vielleicht in einigen Punkten wiedererkannt? Also ich definitiv, muss ich zugeben. Schreibt's gerne mal in die Kommentare und tauscht euch aus. Und wenn ihr mehr über das Thema Mental Load erfahren möchtet, dann schaut auch gerne mal in die Show Notes. Hier haben wir verschiedene Literatur Tipps und Infos von Laura Fröhlich und Caroline Bialon zusammengestellt. Und wie immer, Fragen, Anregungen und Themenvorschläge gerne per Instagram DM an uns schicken. Add gesund nah, da findet ihr uns. Und wenn du keine Folge mehr verpassen möchtest, abonniert am besten den Podcast und gerne auch eine Bewertung verlassen. Ich freue mich, wenn ihr das nächste Mal auch wieder dabei seid. Ich bin Martin Hoffmann. Wir hören uns.

Outro: GESUNDNAH, der Gesundheitspodcast der AOK Baden-Württemberg.

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