#34 Mikroplastik: Kaum sichtbar, aber bedenklich.
Shownotes
Tag für Tag gelangen winzige Plastikpartikel in unseren Körper – oft, ohne dass wir es merken. Doch was passiert dabei eigentlich in unserem Körper? Moderator Martin Hoffmann geht dieser und weiteren Fragen auf den Grund. Dazu spricht er mit der Chemikerin Dr. Katrin Schuhen, die ein Verfahren entwickelt hat, um Mikroplastik aus unseren Gewässern zu filtern. Außerdem trifft er den Chemiker Dr. Andreas Fath, der mit kreativen Aktionen auf die unsichtbare Gefahr im Wasser aufmerksam macht.
Links zum Thema:
Auf der Seite des Umweltbundesamtes findet ihr weitere interessante Informationen rund um Mikroplastik: https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/chemische-stoffe/mikroplastik#was-ist-mikroplastik-und-wo-kommt-es-her
Wie das Bundesinstitut für Risikobewertung Mikroplastik einstuft, könnte ihr hier nachlesen: https://www.bfr.bund.de/fragen-und-antworten/thema/mikroplastik-fakten-forschung-und-offene-fragen/
Eine aktuelle Studie, wie sich Mikroplastik auf unser Gehirn auswirken könnte, findet ihr hier: https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/wie-mikroplastik-das-gehirn-schaedigen-koennte/
Hier findest du eine ganze Reihe interessanter AOK-Artikel zum Thema Mikroplastik: https://www.aok.de/pk/magazin/tag/mikroplastik/
Ihr wollt mehr über Dr. Katrin Schuhen und ihr Unternehmen erfahren? Dann schaut doch mal auf ihrer Website vorbei: https://wasserdreinull.de/
Spannende Informationen zum Projekt H2Org findet ihr über diesen Link: https://h2org.de/
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Transkript anzeigen
Intro: Unterwegs für die Gesundheit. GESUNDNAH – der Podcast der AOK Baden-Württemberg.
Martin Hoffmann: Wir alle essen, trinken und atmen Mikroplastik. Laut einer WWF-Studie nehmen wir so wöchentlich circa fünf Gramm dieser Kunststoffpartikel zu uns. Das entspricht etwa dem Gewicht einer Kreditkarte. Jede Woche so viel kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen. Auf jeden Fall ein sehr greifbares Beispiel und irgendwie auch erschreckend. Bei meiner Recherche sind mir allerdings unterschiedliche Zahlen begegnet. Ob es jetzt dabei geringfügig mehr oder weniger als fünf Gramm sind, ist auch nicht entscheidend. Klar ist, Mikroplastik ist allgegenwärtig. Ob in PET-Flaschen, Autoreifen, den klassischen Plastikverpackungen aus dem Supermarkt oder Kosmetikprodukten. Das Abwasser und unsere Gewässer, ob Flüsse oder Meere, sind voll davon. Ich bin Martin Hoffmann und heute möchte ich mehr über die Folgen von Mikroplastik herausfinden. Welche Folgen haben Kunststoffpartikel auf unsere Gesundheit und auf die Umwelt? Und: Gibt es Lösungen, mit denen wir das Problem in den Griff kriegen könnten? Ich bin echt gespannt, denn das Problem ist akuter als viele denken. Studien an Ratten und Mäusen haben gezeigt, dass Mikroplastik, das über die Nahrung aufgenommen wird, die Barriere der Darmwand überwinden kann und so in unseren Blutkreislauf gelangt. Das könnte weitreichende gesundheitliche Folgen haben und irgendwie ist die Vorstellung, dass in meinem Körper Plastikpartikel zirkulieren, auch nicht gerade beruhigend. Andreas Fath ist Professor für Chemie an der Hochschule Furtwangen. Durch einige sehr medienwirksame Projekte macht er auf die Verschmutzung durch Mikroplastik in Gewässern aufmerksam. Er ist zum Beispiel durch den Rhein und die Donau geschwommen. Ihn treffe ich später an der Kinzig in der Nähe von Offenburg. Ich bin echt gespannt, welche Erkenntnisse er in den letzten Jahren sammeln konnte. Vorher geht es für mich aber nach Karlsruhe. Hier bin ich mit Dr. Katrin Schuhen verabredet. Sie ist ebenfalls promovierte Chemikerin und hat das ScreenTech-Startup "Wasser 3.0" gegründet. Mit ihrem Team hat sie ein Verfahren entwickelt, das Mikroplastik aufspürt, aus Abwasser herausfiltert und wiederverwertet. Außerdem sammeln sie deutschlandweit Daten über die Verschmutzung von Gewässern, die dann der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Ich bin jetzt gerade in Karlsruhe bei der Wasser 3.0 gemeinnützigen GmbH. Und ich muss mal gerade gucken, 17a ist hier. Katrin, hallo Katrin! Hallo, wie komme ich rein? Lasst ihr mich gerade rein?
Dr. Katrin Schuhen: Na klar, ich mach dir die Tür auf.
Martin Hoffmann: Und dann erster Stock meintest du, gell? Perfekt! Katrin, ich bin bei meiner Recherche immer wieder über diese ominöse Kreditkarte gestolpert. Du weißt bestimmt, was ich meine. Also nochmal zur Erklärung: Es ist anscheinend so, dass wir wöchentlich eine Kreditkarte, also die Masse einer Kreditkarte an Mikroplastik, irgendwie zu uns nehmen, essen, trinken. Ist das so oder ist das eher so ein Mythos oder so ein Bild, was man so im Kopf hat?
Dr. Katrin Schuhen: Die berühmte WWF-Studie von 2019. Ja, es ist tatsächlich so, dass man hier dem Ganzen einen Mythos, eine Zahl hinterlegt hat, die marketingseitig ausgenutzt wird. Das ist aber nicht die Zahl, mit der wir tatsächlich als Mensch konfrontiert sind. Das ist mittlerweile deutlich weniger. Diese fünf Gramm lassen sich natürlich wunderbar im Marketing-Kontext verarbeiten. Das heißt, diejenigen, die etwas über Mikroplastik und Reduktion erzählen wollen, nutzen natürlich diese fünf Gramm für Bilder, für Emotionen. Aber die richtigen Emotionen fangen eigentlich erst dann an, wenn man Zahlen, Daten, Fakten wissenschaftlich auswertet und fundiert, eine Marketingstrategie aufsetzt. Und bei Mikroplastik weiß man, die fünf Gramm sind lange überholt. Die demografischen Faktoren, also dort, wo man lebt, wie man sich ernährt, das sind die Grundlagen für die Mikroplastikmenge, die man pro Tag zu sich nimmt. Weil Mikroplastik ist nicht nur in der Nahrung vorhanden, sondern in Wasser, Boden und Luft.
Martin Hoffmann: Kann man so, wahrscheinlich für Deutschland dann auch schon schwierig, irgendwie da eine Zahl nennen. Aber wo bewegen wir uns da, wenn wir so unter fünf Gramm mit sind gerade?
Dr. Katrin Schuhen: Es ist tatsächlich wirklich schwierig, da eine verlässliche Aussage zu treffen, weil alleine schon die Tatsache, wie wir uns ernähren: Fertigprodukte, ökologisch angebaute Produkte. Wie wir trinken: Hahnwasser, hochverarbeitetes Wasser in PET-Flaschen. Wie wir atmen, in welcher Umgebung wir atmen: Sind wir in Räumen unterwegs, die mit Kunststoffböden ausgelegt sind, sind wir draußen an der Luft unterwegs, ist das ein Ballungsraum, wo viel Feinstaub existiert oder wenig Feinstaub existiert? Das ist tatsächlich beim großen Thema Mikroplastik sehr, sehr komplex. Und da können halt die Werte auch sehr, sehr stark variieren.
Martin Hoffmann: Fangen wir mal vorne an. Was ist denn eigentlich genau Mikroplastik und wie entsteht Mikroplastik?
Dr. Katrin Schuhen: Mikroplastik ist eigentlich ein Wort für alle Kunststoffe, die als reine Polymere oder als Kunststoffprodukte mit einer Größe kleiner fünf Millimeter in der Umwelt vorkommen. Und das muss man sich halt vor Augen führen. Also es gibt 200 verschiedene Polymertypen, das ist die Basis für unsere Kunststoffprodukte. Kunststoffprodukte sind hochverarbeitete Kunststoffe, teilweise Mischverbindungen, also eine große Varianz an unterschiedlichen Substanzen. Und wenn diese Produkte genutzt werden, kann Mikroplastik entstehen, wenn diese Produkte produziert werden, kann Mikroplastik entstehen. Auch, wenn sie als Abfall recycelt oder entsorgt werden, entsteht Mikroplastik. Das heißt auch über die gesamte Prozesskette kann Mikroplastik in die Umwelt eingetragen werden.
Martin Hoffmann: Warum ist jetzt Mikroplastik so problematisch? Also für die Umwelt, aber auch jetzt für uns.
Dr. Katrin Schuhen: Mikroplastik ist erst mal ein Synonym für ein globales Umweltproblem. Und ein globales Umweltproblem kann man nicht per se mit einem Schnips lösen, sondern es ist einfach komplex und schwierig heranzugehen. Wenn man jetzt weiß: Okay, Mikroplastik kann aus unsachgemäß entsorgten Abfällen entstehen, dann ist das eine Möglichkeit zu agieren. Mikroplastik wird aber auch über die Ernährung übertragen. Dann kann ich natürlich mit den Veränderungen der Ernährungssituation Mikroplastik reduzieren. Genau das gleiche mit Wasser, genau das gleiche mit der Umgebung, wo man sich aufhält. Aber das Problem ist, in dem Moment, wo Mikro-plastik in den Körper aufgenommen wird, und das handelt sich auf dem Papier um Kohlenwasserstoffverbindungen, denkt der Körper, es sind Ballaststoffe. Und in dem Moment, wo der Körper "Ballaststoffe" hört, dann kennt man das vielleicht, wenn man Nüsse zu sich nimmt, das sind Stoffe, die bestimmte Dinge transportieren, aber in der Regel auch wieder aus dem Körper ausgeschieden werden. Und bei Mikroplastik ist es eben so, wenn die Partikel immer kleiner werden, fünf Millimeter, sagt man noch, okay, das kann der Körper tatsächlich aus dem Körper heraus transportieren. Aber wenn die Partikel immer kleiner werden, werden sie auch immer gefährlicher. Das heißt, irgendwann kommt der Moment, wo die Blut-Hirn-Schranke übertreten werden kann. Irgendwann kommt der Moment, wo die Zellgängigkeit entsteht. Irgendwann kommt der Moment, wo in den Muskeln Mikroplastik gefunden wird. Und das ist der Moment, wo natürlich in unserem Leben das Problem sehr nah an uns herantritt, weil Gefahrenquellen drohen für potenzielle gesundheitliche Einschränkungen, also für Krankheiten. Und dessen muss man sich bewusst sein, wenn man sich mit dem Thema Mikroplastik auseinandersetzt und eigentlich auch tagtäglich versucht, Lösungen ans Leben und ins Leben zu bringen. Wenn man sich das einfach mal bewusst macht, wie sehr uns die Kunststoffe in unserem Alltag ja schon eingenommen haben und seit mehr als 70 Jahren die Kunststoffproduktion auch immer wieder neue, tolle Produkte hervorgebracht hat – so sind ja Kunststoffe Alltagshelfer. Und das ist ja ganz wichtig, also dieses Alltagshelfer-Thema ist ja ganz wichtig. Wir wollen ja nicht auf unsere Kunststoffe verzichten, aber wir wollen einfach Produkte, die keine gesundheitlichen Risiken für uns mitbringen. Und deswegen ist es ganz wichtig eben auf der einen Seite die Produktionswege zu kontrollieren, aber eben auch die Nutzungsphasen und die Phasen, wenn das Produkt nicht mehr verwendet wird.
Martin Hoffmann: Was kann man denn machen, wenn das Produkt nicht mehr verwendet wird? Also reden wir dann über sowas wie Kreislaufwirtschaft?
Dr. Katrin Schuhen: Wir reden auf der einen Seite, wenn ein Produkt nicht mehr verwendet wird, das heißt, die Nutzungsphase ist beendet: Alte Textilien kann man recyceln, Reifen kann man vernünftig recyceln, wenn die Reifenmischungen zusammenpassen. Dann haben wir sehr viele Abfälle, die natürlich auch im Recycling oder in der Wiederverwertung landen. Dann gibt es ganz, ganz viele Prozesse, wo Hand in Hand Abwasser und Abfall sinnvolle Lösungen auch kreislaufwirtschaftlich hervorbringen, wo man einfach sagt, hier wird maximal reduzierend Mikroplastik aus dem System entfernt und wir haben am Ende des Tages nahezu mikroplastik-freie Produktions-, Nutzungs- und Wiederverwertungsprozesse. Darum geht es ja tatsächlich in der Zukunft, nachhaltige Prozesse aufzusetzen, die genau das auch abbilden. Das heißt, Mikroplastikeinträge in die Umwelt komplett zu verhindern. Es geht nicht darum, Kunststoffe zu ersetzen, sondern es geht darum, sinnstiftend zu handeln.
Martin Hoffmann: Wie ist der Stand deiner aktuellen Forschung und wie ermittelt ihr die Daten? Wie macht ihr das?
Dr. Katrin Schuhen: Also wir haben zum einen unsere standardisierte Analytik aufgesetzt. Das hat schon alleine zweieinhalb Jahre gedauert, bis man ein validiertes, cross-validiertes System hat, was so robust ist, dass man überall auf der Welt auch Daten aufzeichnen kann und dass auch die Menschen mithelfen können bei der Probennahme zum Beispiel. Weil die Analytik für Mikroplastik beginnt nicht im Labor, sondern die beginnt schon damit, dass die Proben richtig genommen werden müssen, dass hier keine Fremdkontamination entsteht und dass man tatsächlich auch nicht das Mikroplastik in der Wasserprobe misst und nicht, was der Mensch anhatte oder wie sich vielleicht auch die Umgebung gerade mit Luft, Wasser, Boden entsprechend Einflüsse verschafft.
Martin Hoffmann: Wie sieht es denn mit, ich sage es mal so, so Missverständnissen im Thema Mikroplastik aus?
Dr. Katrin Schuhen: Alleine schon die Tatsache, dass kommuniziert wird in den Medien, "Trillionen von Partikeln an Mikroplastik im Meer gefunden" oder geschätzt, wie auch immer es gerade dann in der Headline heißt. Impliziert ja eigentlich, dass das Problem im Meer ist. Weil erst mal jeder denkt, Trillionen von Partikeln, oh meine Güte, das ist eine Zahl, die kann ich noch nicht mal fassen, aber das ist ja Wahnsinn. Wenn man das aber jetzt mal runterbricht, das heißt wirklich auch mal guckt, was bedeutet das denn pro Liter? Dann erkennt man, dass das Problem mit einem Mikroplastik pro Liter nicht im Ozean ist. Sondern wenn man mal die Gewässer hochgeht über Flüsse bis in die kommunalen Kläranlagen, dann auf einmal so tausend Mikroplastikpartikel pro Liter durchaus auch mal die drei Reinigungsstufen passieren können. Und wenn man dann noch mal weitergeht in die Produktions- und Verarbeitungsindustrie, dann findet man teilweise auch eine Million Partikel pro Liter. Und dann ist auch klar, an welchen Stellen Lösungen Sinn machen. Also wir brauchen keine Lösung für Mikroplastik im Meer oder in unseren Flüssen und Seen, sondern wir brauchen tatsächlich an den Hotspots die Entfernungsstrategien, die uns ermöglichen, unsere Gewässer und Ozeane zu schützen.
Martin Hoffmann: Jetzt hast du mit deinem Unternehmen "Wasser 3.0" ein Verfahren entwickelt, um Mikroplastik aus Wasser oder aus Abwasser also einmal aufzuspüren, dann herauszufiltern und wiederzuverwerten. Was hat dich denn damals motiviert, so ein Unternehmen zu gründen, das sich wirklich diesem Thema widmet?
Dr. Katrin Schuhen: Tatsächlich komme ich aus der polymer-chemischen Ecke, das heißt, ich habe meine Doktorarbeit vor vielen, vielen Jahren in der Polymerchemie gemacht, habe dann auch lange in der Polymerchemie gearbeitet und habe mich seit 2012 mit dem Thema forscherisch auseinandergesetzt als Junior-Professorin für organische und ökologische Chemie. Eine Junior-Professur dauert in Deutschland sechs Jahre, danach stellen sich die Weichen auf, bleibe ich an der Uni und gehe weiter diesen Weg oder mache ich was anderes. Und für mich war damals klar, ich möchte eine Umgebung, wo mich nicht der bürokratische Wasserkopf gänzlich ausbremst und wo ich unabhängig bin, wo mir nicht jemand sagt, was ich zu tun habe und wo ich frei an den Dingen forschen kann, wo ich denke, dass es der Menschheit was hilft. Und habe dann eben 2020 die Wasser 3.0 G GmbH gegründet, also wir sind ein gemeinnütziges Unternehmen, haben das auch sehr, sehr groß auf unseren Fahnen, das heißt, wir machen sehr viel Forschung und Bildung. Kommunikation natürlich auch, aber es geht in erster Instanz darum, Wissens- und Technologie- und Innovations-Transfer zu betreiben. Das heißt, wenn wir Lösungen haben, dann patentieren wir sie, um sie open access zur Verfügung zu stellen, damit es niemand anderes für sich alleine nutzen kann. Also diese rein wirtschaftlichen Interessen, wie viele andere Unternehmen, ist uns gänzlich nicht fremd, aber es ist erst mal fernab von unseren Wertvorstellungen, wie wir sozial-ökologische Transformation leben wollen und wo wir uns in Zukunft sehen. Und deswegen haben wir eben genau dieses gemeinnützige Konstrukt gewählt, um einfach auch jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, Teil der Lösung zu werden.
Martin Hoffmann: Auf dem weiteren Weg, wenn wir über das Entfernen von Mikroplastik sprechen. Was, was sind da noch technisch gesehen die Herausforderung für euch?
Dr. Katrin Schuhen: Wenn man sich das Mikroplastik mal per Definition anschaut – jetzt sind wir wieder auf der Grundlagenebene – 200 verschiedene Polymere, die natürlich alle ihre eigenen Eigenschaften mit sich bringen. Das ist wunderbar, das ist super, das hat man so gewollt, als man Polymer-Design gemacht hat. Man hat, wenn man sich in der Wassersäule befindet, aufschwimmende Partikel, langsam absinkende Partikel und Partikel, die sehr schnell absinken und auf dem Boden sind. Das ist mit der Dichte des Materials verbunden und damit ein rein physikalischer Effekt. Und wenn man jetzt natürlich eine technische Lösung sucht, dann bringt's nix, wenn ich an der Oberfläche 20 Prozent abschöpfe und der Rest geht weg, krieg ich nicht erfasst. Oder ich mach nur die Wassersäule, hab dann vielleicht noch mal 30 Prozent und schaff den Rest nicht. Sondern es geht ja tatsächlich darum, bei Lösungen ganzheitlich das Ganze aufzusetzen. Also, das sind aufschwimmende, absinkende und langsam absinkende Partikel. Oder ein Partikel auf dem Sediment, im Sediment oder auf dem Boden des jeweiligen Systems – ich muss ja alle erfassen. Wir haben gesagt, wir machen einen Wasserstrudel. Dieser Wasserstrudel, wenn man sich das vorstellt, wenn man den Abflussdeckel hochzieht bei der Waschmaschine oder bei der Badewanne, dann sieht man, wie das Wasser diesen Strudel bildet. Und genau in diesem Strudeln lokalisieren wir die Partikel. Und wenn wir die Partikel lokalisiert haben, dann können wir sie auch an einem Ort entfernen. Und das geht nicht, indem man einzelne Partikel rausfischt. Dafür sind es einfach zu viele. Sondern wir nehmen hier unsere Wasser-3.0-PEX-Technologie, so heißt es tatsächlich im Jargon. Hybridkieselgele sind die Magic-Reagenzien, die wir einsetzen. Es sind Verbindungen ökotoxikologisch komplett unbedenklich, die in der Lage sind, Mikroplastik zu verklumpen. Und dieses Verklumpen ist ein komplett neuer Ansatz. Wir nennen es chemisch gesehen Agglomerationsfixierung – hört sich super kompliziert an, aber es ist nichts anderes, als dass wir die Mikroplastikpartikel mit einer Art Kleber zusammenhaften. Die Partikel werden ein bis zwei Zentimeter groß, die poppen an die Wasseroberfläche wie Popcorn und können entfernt werden.
Martin Hoffmann: Du hast uns ja, wie gesagt, diese Petrischalen mitgebracht. Und ich glaube, bei dem einen, da sieht man es auch ganz gut. Also das sind wirklich so drei große Klumpen, wie du sagst, wie Popcorn ungefähr auch von der Größe her. Und die kann man natürlich dann leichter entfernen. Also das ist dann halt kein Mikroplastik mehr an der Stelle. Wen siehst du denn mehr in der Pflicht? Ich sage es mal so, die Privatperson, die Einzelperson, die Industrie, die Politik – also wer ist, ich sag jetzt mal, mehr in der Pflicht, sich dem Mikroplastikproblem zu widmen, oder ist es, wie du auch schon sagst, so eine Gesamtheit am Ende? Aber wo liegen da die Verantwortungen?
Dr. Katrin Schuhen: Wir könnten es mal argumentieren mit dem Verursacher-Prinzip. Also wer sind die Verursacher von Mikroplastik in der Umwelt? Da kann man natürlich sagen, das ist die Industrie, das sind kommunale Kläranlagen, die industrielle Abwässer und Haushaltsabwässer verarbeiten. Das ist auch die Privatperson. Wenn ich halt einfach jeden Tag mit Vollgas vor und zurück 17-mal auf der Stelle mit dem SUV meinen Mikroplastikabrieb durch Reifen produziere, dann bin ich halt auch ein Verursacher. Das könnte ich auch einfach sein lassen und damit hätte ich das Problem schon gelöst. Aber der Konsument per se, dem die Schuld zuzuschieben an einer Mikroplastikproblematik, die viel weiter vorne in der Prozesskette anfängt, ist einfach gänzlich falsch. Also der Konsument kann ja nur auf dem aufbauen, was er oder sie zur Verfügung hat. Das heißt, das ist natürlich die Produktverantwortung, weil hier das Verursacherprinzip am schnellsten greifen würde. Mit viel besseren Produkten hätte der Konsument auch eine viel bessere Handhabe, selbst aktiv zu sein.
Martin Hoffmann: Wie könnte man denn Menschen motivieren auch, wie du das Beispiel mit dem SUV zum Beispiel gesagt hast, mehr gegen Mikroplastik zu unternehmen?
Dr. Katrin Schuhen: Es ist tatsächlich die Frage der kleinen Schritte. Und das kann natürlich mit dem Konsum hochverarbeiteter Produkte anfangen, wo man sich selber schützt, indem man einfach auf weniger verarbeitete Produkte setzt und sagt, dann mach ich meinen Salat nicht aus der Packung, wo Kunststofffolie drum ist, sondern ich hole ihn nebenan beim regionalen Bauern und hab's in der Papiertüte maximal eingepackt. Also diese kleinen Schritte sind tatsächlich die, die jeder von uns zu Hause übernehmen kann.
Martin Hoffmann: Ihr geht, glaube ich, auch in Schulen und macht da auch viel, sage ich mal, Aufklärungsarbeit, Bildungsarbeit. Wie sieht die genau aus? Was macht ihr mit den Kindern?
Dr. Katrin Schuhen: Durch die standardisierte Analytik haben wir natürlich auch den Zugang zu den Citizen Scientists. Und die Citizen Scientists sind tatsächlich in Schulen, das sind aber auch die Eltern, das sind die Großeltern, die mit uns gemeinsam Mikroplastikmapping können. Mikroplastikmapping bedeutet, dass man an die regionalen Gewässer geht, Wasserproben nimmt und die werden bei uns im Mikroplastik Analytik Labor analysiert und die Werte kommen in die Global Map of Microplastics. Und in dem Moment, wo man selber sieht, weil man die Proben selber genommen hat und die Zahlen aus dem Labor dann in der Global Map of Microplastics dargestellt werden, sieht man auch, wo das Problem tatsächlich, wie nah es schon gerückt ist. Und das ist nicht nur für die Schülerinnen und Schüler einerseits ein Erlebnis, weil sie natürlich direkt in das wissenschaftliche Arbeiten eingebunden werden und auch tatsächlich Teil der Lösung werden, weil wir auch mit den Schülerinnen und Schülern dann an die Hotspot-Identifikation gehen, also das sind dann fächerübergreifende Themen: Da kommt MINT auf einmal mit Erdkunde, Deutsch, Religion und auch mit der Politik in Verbindung. Und wir schaffen es dadurch, auch die Schülerinnen und Schüler in der gesamten Klassenbreite, in der Altersstruktur zu adressieren. Das heißt, das ist komplett inklusiv, da kann jeder mit den entsprechenden Stärken, die die Person mit sich bringt, Teil der Lösung werden. Und das zeigt dann wiederum mit strahlenden Gesichtern bei den Kindern: Mensch, das macht ja richtig Spaß. Umweltschutz ist eine richtig coole Sache. Und da bin ich mittendrin und statt nur dabei.
Martin Hoffmann: Welche Rolle spielt denn Plastik generell in deinem Alltag auch? Also jetzt mal abgesehen beruflich Mikroplastik. Aber bist du jetzt jemand, der sagt, naja, Plastik kommt mir nicht ins Haus, irgendwie absolut verteufeln oder oder wie sieht es bei dir aus?
Dr. Katrin Schuhen: Ich kann mich auch nicht schützen vor Plastik. Es wäre absolut gelogen, wenn ich sagen würde, bei mir gibt es nicht auch aus dem Supermarkt irgendwelche verpackten, kunststoffhaltigen Dinge. Und es wäre auch Quatsch, wenn ich sagen würden, mein Radtrikot besteht aus 100 Prozent Baumwolle. Nee, tut es einfach nicht, weil auch hier, sage ich, synthetische Materialien sind Alltagshelfer. Und ich habe die Kunststoffboxen aus meinem Alltag gänzlich verbannt, schon vor vielen, vielen Jahren, weil ich einfach gesagt habe, Edelstahl und Aluboxen, sind tatsächlich auch schöner – es ist ein ästhetisches und ein gesundheitliches Thema. Aber Kunststoffe sind immer präsent, werden immer präsent sein und deswegen lebe ich mit denen. Und wenn ich irgendwas entfernen kann aus meinem Leben, weil ich es einfach nicht mehr benötige, sprich ein Produkt, wo ich sage, auf das kann ich komplett verzichten, dann verzichte ich drauf.
Martin Hoffmann: Katrin, vielen, vielen Dank für die Einblicke. Danke dir. Ich kann gar nicht genau beschreiben, wie es mir gerade geht. Also auf der einen Seite finde ich es großartig, was für Möglichkeiten es gibt, Mikroplastik zu binden und zum Beispiel aus dem Abwasser zu entfernen. Auf der anderen Seite ist es aber auch irgendwie frustrierend, weil das Problem anscheinend noch nicht richtig erkannt wird. Politische Mühlen mahlen einfach langsam. Und wenn man dann hört, welche Folgen Mikroplastik auf die eigene Gesundheit und die Umwelt haben kann, dann bleibt einfach nur zu hoffen, dass sich hier schnell was tut. Aber natürlich können wir alle auch unseren Teil dazu beitragen. Ich mache mich jetzt auf den Weg an die Kinzig bei Offenburg. Hier treffe ich Professor Dr. Andreas Fath. Mit seinen Selbstversuchen, bei denen er ganze Flüsse durchschwimmt, macht er auf die Mikroplastikverschmutzung unserer Gewässer aufmerksam. Und ganz nebenbei ist es auch wirklich eine richtig krasse sportliche Leistung. Auf seinen Lösungsansatz bin ich wirklich gespannt. Ich habe gerade das Auto geparkt. Ich bin jetzt in Haslach am Kinzigtal. Es war eine relativ entspannte Autofahrt von Karlsruhe und ich muss grad mal schauen, Andreas hat mir den WhatsApp Livestandort geschickt. Er meint, ich soll direkt an die Kinzig kommen, hier unten. Und da sehe ich ihn schon stehen. Hallo Andreas, hallo. Andreas, sag mal ganz kurz, warum treffen wir uns jetzt direkt hier an der Kinzig?
Prof. Dr. Andreas Fath: Die Kinzig fließt durchs schöne Haslach, hier lebe ich, und in der Kinzig kann man auch schwimmen, im Übrigen. Gerade hier, wo der Seitenkanal reinkommt, da hat man eine schöne Gegenstromanlage und wir machen des Öfteren hier auch ein Clean-up, so heißt es auf Neudeutsch. Putzete oder Dreckwecktag gibt es ja in anderen Städten und wir versuchen immer Leute zu gewinnen, die hier zusammen mit mir Kunststoff einsammeln, dann ein bisschen was zu erklären, warum es wichtig ist, das zu tun.
Martin Hoffmann: Und du springst nachher auch noch hier rein trainieren.
Prof. Dr. Andreas Fath: Ja, jetzt das Wetter ist gerade schlechter, da gehe ich vielleicht doch lieber ins Freibad, aber heute Morgen war es so heiß und wenn es voll ist im Bad, dann komme ich lieber hier in den Fluss. Da bin ich alleine und es ist schön kühl und hab die Wasserfläche für mich.
Martin Hoffmann: Dann würde ich sagen, bauen wir mal hier auf und dann unterhalten wir uns gleich.
Prof. Dr. Andreas Fath: Ja, gerne. Freu mich drauf.
Martin Hoffmann: Andreas, ich hab natürlich so ein bisschen online mal geschaut, bevor wir uns hier getroffen haben. Und bei dir kommt ganz oft "Der schwimmende Professor". Wo kommt deine Liebe zum Schwimmen und fürs Wasser her?
Prof. Dr. Andreas Fath: Das kommt daher, dass ich eben Flüsse schwimme, das hat mit dem Rhein begonnen, dann kam der Tennessee River, dann kam die Donau und jetzt noch die Elbe und jetzt im Oktober noch ein Stück des Ganges. Das verbinde ich aber das Ganze mit Wissenschaft, weil ich bin Naturwissenschaftler, ich unterrichte an der Hochschule in Furtwangen Chemie und auch Umwelttechnik, Umwelttechnologien. Und ich habe einfach das Thema Gewässerschutz in dieser Art und Weise verbunden. Einerseits ganzkörperlicher Einsatz im Wasser, andererseits aber die Komplettanalyse der Gewässer, in die ich mich stürze.
Martin Hoffmann: Jetzt habe ich gelesen: Naja Flüsse sind auch so ein Spiegel der Gesellschaft immer wieder.
Prof. Dr. Andreas Fath: Auf jeden Fall.
Martin Hoffmann: Wie sieht es denn aus um unsere Gesellschaft, wenn du jetzt den Rhein durchschwommen bist und wenn wir jetzt hier zum Beispiel an der Kinzig sind in der du immer wieder schwimmen gehst. Wie sieht es aus hier mit uns?
Prof. Dr. Andreas Fath: Wir finden eigentlich alles, was wir in unserem Abwasser freisetzen. Die Kläranlagen sind nicht die eierlegende Wollmilchsau. Sie können nicht alles zurückhalten, obwohl wir jetzt nach der neuen Wasserrahmenrichtlinie auch festgelegt haben in Europa, dass Kläranlagen eine vierte Behandlungsstufe haben müssen um die Spurenstoffe, das sind Stoffe, die in geringen Konzentrationen vorhanden sind, die aber doch einen deutlichen Effekt haben auf die Biodiversität. Wir haben Artenvielfalt verloren, einige, so in Gewässern seit den 70er Jahren 70 Prozent. Das hängt mit diesen Stoffen zusammen, die wir freisetzen ins Gewässer. Das sind Hormone, Antibiotika, Pestizide, Süßstoffe aus den Light-Getränken. Und jetzt ein ganz großes Thema, natürlich der ganze Plastikmüll, der in den Flüssen landet, der sich umwandelt zu Mikroplastik. Das ist eine, was wir hier sehen, ist eine Plastikmühle auch. Nicht nur eine Gesteinsmühle, sondern auch eine Plastikmühle – transportiert oder transformiert Makroplastik große Teile in kleine Mikroplastikpartikel.
Martin Hoffmann: Bleiben wir mal bei diesen Plastikpartikeln. Wie ist so dein Eindruck: Wie hat sich das in den letzten Jahren verändert?
Prof. Dr. Andreas Fath: Was ich feststelle, ist, dass seit dem Rhein auf jeden Fall eine gewisse Aufmerksamkeit oder stärkere Aufmerksamkeit dem Thema entgegengebracht wird. Sowohl aus meinem Umfeld als auch, was man aus den Medien liest, wo überall Mikroplastik enthalten ist. Wir untersuchen auch Quellen. Es treten immer mehr Quellen zu Tage, wo es überhaupt herkommt. Man macht sich Gedanken, wie kann man es vermeiden. Also das sind alle Dinge, die sind seit 2014 eigentlich immer stärker in den Brennpunkt geraten. Und jetzt natürlich auch die medizinischen Untersuchungen, die stattgefunden haben, wo man Rückschlüsse zieht schon, ob Mikroplastik nicht auch einen Einfluss darauf hat auf körperliches Befinden, auf Demenz, auf Menschen, die einen Gehirnschlag erleiden, weil wir wissen, dass wir Mikroplastik mittlerweile auch in unserem Körper haben. Es ist allgegenwärtig, es ist überall. Da wird es auch noch bleiben. Was wir tun können, ist die Menge zu reduzieren und das beginnt damit, dass wir die Makroplastikmenge, diese neun bis zwölf Millionen Tonnen, die wir jährlich in unserer Weltmeere entlassen – und Flüsse sind Zulieferer dieses Plastikmülls – und wenn wir uns hier umschauen, da findet man überall Plastikmüll. Es wird weniger, also ich engagiere mich ja auch für diese Rhein Clean-Up-Organisation, die mittlerweile 23 Flüsse säubert. Da gibt es eine konzertierte Aktion in der zweiten Septemberwoche, wo die Gesellschaft aufgerufen wird, daran teilzunehmen. Und das ist ein Augenöffner. Also wenn man daran teilnimmt, erkennt man die Situation und das verändert ein Bewusstsein auch, wie man mit Kunststoff umgeht. Und da, wenn 40.000 Menschen 400 Tonnen Müll einsammeln, dann ist das schon auch eine Schlagzeile, die es bis in die Tagesthemen schafft. Und dann kommt das in das Bewusstsein der Menschen.
Martin Hoffmann: Wie ist das denn eigentlich? Also wenn jetzt zum Beispiel eine Plastikflasche landet, jetzt hier, wir sitzen an der Kinzig, also die bleibt jetzt zum Beispiel hier, wird zermahlen und wird dann kleinteiliger und wird dann irgendwann Mikroplastik. Und dann, ein Fisch frisst das dann. Wie, gelangt das dann in unseren Körper, wenn wir Fisch essen oder wie läuft das?
Prof. Dr. Andreas Fath: Also die Flasche schwimmt zunächst mal und dann wird sie, weil Polyethylenterephthalat, diese PET-Flasche, die ist schwerer als Wasser, Dichte 1,4, die kriegt irgendwann einen Riss, UV-Strahlung macht sie spröde, dann geht sie unter, da unten bewegt sich der Sand, Kies, der schabt dann aus der Oberfläche dieses Mikroplastik ab und das schwimmt dann in den Flüssen, treibt in den Flüssen und an der Oberfläche dieser Kunststoffteichen, da hängen sich auch Schadstoffe an. Und zwar in höheren Konzentrationen, als sie in dem Liter Wasser und der Umgebung konzentriert sind. Und diese Teilchen sind scheinbar für viele Wasserlebewesen sehr attraktiv. Die sehen gut aus, die riechen vielleicht gut, sie dünsten noch irgendwelche Additive aus, die im Kunststoff enthalten sind. Die werden aufgenommen von Wasserlebewesen, von Muscheln zum Beispiel als Filtrierer oder Fischen. Natürlich essen wir nicht den Magen-Darm-Takt des Fisches, da ist das Mikroplastikteilchen drin, das wird wieder ausgeschieden. Aber die angelagerten Schadstoffe, die das Mikroplastik quasi als Trojaner mitgebracht hat, die bleiben im Fettgewebe, im Gewebe des Fisches. Also wir vergiften uns eigentlich indirekt mit Schadstoffen durch Mikroplastik.
Martin Hoffmann: Wie sieht es mit der Forschung gerade aktuell aus? Wo sind da noch Lücken? Also was muss in Bezug auf Mikroplastik noch besser erforscht werden?
Prof. Dr. Andreas Fath: Gut, es gibt immer noch Quellen, die wir nicht kennen, das ist ein Feld, das wir bearbeiten. Dann, wie gefährlich es ist, ist vielen noch nicht klar. Auch da, wir wissen mittlerweile, dass, wenn die Teilchen sehr klein werden, dass sie die Blut-Hirn-Schranke überwinden können und auch in den Gehirnen landen. Was sie da tun und ob diese Trans-, ob diese, dieser Übertritt über die Blut-Hirn-Schranke, ob der beeinflusst wird durch die Schadstoffe, die angelagert sind an Mikroplastik, ob dieser Vektoreffekt auch fürs Gehirn funktioniert und was dann für Schadstoffe mitgeschleppt werden, die dann auch im Gehirnen landen...also das sind Forschungen, die wir jetzt angehen wollen. Da ist es wichtig, dass man so eine Blut-Hirn-Schranke mal simuliert, mikrosystemtechnisch. Das kann man ja nicht am Menschen durchführen, also braucht es Modelle dafür. Dann wird jetzt meine Aufgabe sein, also solche Mikroplastikteichen zu produzieren und die zu beladen mit, was weiß ich, mit Diclofenac, mit Methylestradiol, mit anderen Stoffen, die wir auch verwenden, um zu schauen: Werden diese transportiert oder werden die die Magen-Darm-Wand durchdringen oder auch die Blut-Hirn-Schranke. Das sind Forschungsaktivitäten, die werden wir in Zukunft noch angehen. Das wird spannend sein.
Martin Hoffmann: Spannend sagst du auf der einen Seite, auf der anderen Seite ist es irgendwie auch nicht so ein richtig gutes Gefühl, wenn ich mir überlege, wo im Körper überall solche Partikel irgendwie rumschwirren könnten. Und dann, wenn es gerade so in den Kopf, ins Hirn reingeht, ich weiß nicht, irgendwie so ein richtig gutes Gefühl habe ich damit nicht. Wie sieht es aus mit politischen Forderungen?
Prof. Dr. Andreas Fath: Also ich würde, wenn ich am Ruder wäre, würde ich sagen: Okay, wir gucken jetzt mal, ob wir es nicht schaffen, einen Verpackungspfand auf den Weg zu bringen. Weil, wenn wir jetzt hier am Fluss an der Kinzig sammeln, dann würden wir wenig Pfandflaschen finden. Da gibt es Leute, die haben sie längst eingesammelt und haben die 25 Cent kassiert dafür. Und wenn das mit dem Verpackungsmaterial so wäre, weil das ist ja die Hauptquelle des Plastikmülls in der Natur, sind Verpackungen. Da müssen wir biologisch abbaubares Material dafür entwickeln – das ist auch auf dem Weg, aber die Produktionsmengen sind noch im Vergleich zu den auf petrochemischer Basis hergestellten Kunststoffen sehr gering. Da muss man in die Richtung gehen und...
Martin Hoffmann: Wahrscheinlich würde da auch die Entwicklung, ich sage es mal, deutlich schneller vorangehen, wenn es gesetzliche Regelungen gäbe, dass das eine verboten wird, ich sage jetzt mal in fünf bis zehn Jahren oder so was, und dann weiß man relativ schnell, okay, wir müssen uns in die und die Richtung entwickeln. In der Kosmetikbranche hat man ja auch schon einiges gemacht. So ein bisschen ist es, würdest du sagen, eher Tropfen auf einem heißen Stein oder ist es ein richtiger Schritt, was so zukunftsweisend für andere Industrien auch sein könnte?
Prof. Dr. Andreas Fath: Es ist ein richtiger Schritt, aber das Mikroplastik, das sogenannte primäre Mikroplastik, was in Peelings eingesetzt worden ist oder in Zahnpasten, das hat man mittlerweile rausgenommen – auch in anderen Produkten, auch die Männer mit Rasierschäumen oder Eyeliner. Also überall war Mikroplastik mittlerweile drin. Da finde ich auch schon gar nichts mehr in Supermärkten. Wir haben das früher im Praktikum eingesetzt für die Studierenden: Schaut mal, wie viel Mikroplastik drin ist. Im Moment findet man wenig von diesen Produkten, aber unter den Top Ten sind sie nicht die Kunststoffprodukte, die sind an Position 17. Das heißt, wir haben noch ganz viele andere. Ich würde viel eher an der Waschmaschine angreifen, die Mikrofasern, die wir in der Wäsche produzieren. Und wer mal wissen will, wie viel es ist, der guckt einfach mal in seinen Trockner und nimmt das Sieb raus. Das macht man sowieso ab und zu, man nimmt die Fasern in die Hand. Das sind pro Vlies 1,5 Gramm, die da freigesetzt werden. Und in der Waschmaschine habe ich dieses Sieb nicht hinten dran.
Martin Hoffmann: Jetzt würde ich mit dir gerne noch über dein Projekt sprechen. Du hast auch das Shirt davon an: "H2Org". H2ORG ist okay so, oder?
Prof. Dr. Andreas Fath: Ja, H2Org. H2O kennt man. Ich hoffe mal, dass die naturwissenschaftlichen Kenntnisse so weit ausweiten. Und es kommt eigentlich von meinem Mentor, dem Klaus Grohe. Das ist der Sohn des Firmengründers der Firma Hans Grohe. Und der hat mir mal gesagt: "Wasser ist die kostbarste Leihgabe der Natur". Und dieser Wahlspruch, der treibt mich eigentlich schon seit ich das Firma verlassen habe und seit ich auch da angefangen habe, treibt er mich an. Weil, wenn er...
Martin Hoffmann: Vor allem Leihgabe, ganz wichtig.
Prof. Dr. Andreas Fath: Leihgabe, genau. Was macht man mit einer Leihgabe? Die gibt man nicht zurück. Wenn ich mir von den Nachbarn Sektgläser für ne Party ausleihe, dann gebe ich die nicht ungespült zurück. Wenn ich mir Wasser nutze aus dem Fluss zum Kühlen, zum Reinigen, dann versucht man die, sollte man das Wasser der Natur zurückgeben, so wie man es entnommen hat. Vielleicht sogar in einigen Regionen besser. Und die Technologien dazu haben wir. Und daraus ist der Name eigentlich entstanden. Und das Org steht für Original, das Original wieder zurückgeben. Und das ist eigentlich der Leitgedanke. Mittlerweile hat sich der Name geändert, "H2Org: für eine plastikfreie Natur". Und Kunststoff, wie wir schon besprochen haben, hat was mit Wasser zu tun mittlerweile – leider. Und da kämpfen wir dafür. Also wir helfen Menschen, die was für die Natur machen wollen, die die Natur plastikfrei haben wollen und selber nicht in der Lage sind. Aber durch die Unterstützung von H2Org können sie was indirekt bewegen.
Martin Hoffmann: Das heißt mit Beiträgen, Vereinsbeiträgen und Spenden, da kann man euch auch unterstützen und kann euch da auch helfen.
Prof. Dr. Andreas Fath: Ja, auf jeden Fall.
Martin Hoffmann: Was wäre denn, wenn wir uns in zehn Jahren wieder hier an der Kinzig treffen und über Mikroplastik und über die Wasserqualität sprechen? Was glaubst du, wie optimistisch bist du, dass wir in zehn Jahren das Problem nicht nur regional, deutschlandweit, sondern global ein bisschen kleiner gemacht haben, als es jetzt gerade ist?
Prof. Dr. Andreas Fath: Ich bin optimistisch, dass es kleiner wird. Wir werden es nicht komplett, auch in meiner Generation wahrscheinlich, nicht komplett lösen. Die Kunststoffproduktion ist immer noch ansteigend weltweit. Und ich habe gerade vor kurzem, als ich in den USA war, eine wissenschaftliche Publikation gelesen: eine Kollegin hat Fische untersucht in dem Aquarium, wo ich auch gearbeitet habe. Da gibt es Konserven von Fischen noch aus dem Jahre 1899. Da braucht man nicht anfangen, im Magen-Darm-Trakt zu suchen, weil da gab es noch keine Massenproduktion der Kunststoffe. Erst ab 1950 hat die begonnen. Und wenn man sich die Fischmägen, die Konzentrationen des Mikroplastik in den Fischmägen anschaut, dann läuft die parallel der Produktionsmenge unseres Kunststoffes. Das heißt, man hat eigentlich noch gar nichts gemacht. Alles, was wir produzieren, landet früher oder später im gewissen Prozentsatz, der bleibt scheinbar gleich, in der Umwelt. Diesen Prozentsatz werden wir reduzieren und ich wäre schon froh, wenn wir uns hier wieder treffen, wenn wir keine einzige Zigarettenkippe mehr hier finden, weil das müssen wir auch noch ganz klar machen, dass ein Zigarettenfilter eben 40 Liter Wasser, Trinkwasser, zu 40 Liter nicht trinkbarem Wasser umwandelt. Wenn wir angreifen wollen, dann hauptsächlich in der Verpackung, weil dort ist der Kunststoff eben nicht langlebig eingesetzt, der kommt dann eher, landet dann in der Natur. Also wenn ich meine Hausinstallation anschaue, das Hohlrohr, in dem meine Kabel verlegt sind – unser Haus ist fast 60, 70 Jahre alt – der Kunststoff ist immer noch da drin, das ist eher ein guter Kunststoff. Während Trinkhalme aus Kunststoff, haben wir jetzt ja abgeschafft in der EU, da gibt es aber noch andere Produkte, die haben eben nur eine kurze Lebensdauer. Und da in dem Bereich, glaube ich, da tut sich schon was. Also das merke ich allein, wenn ich bei uns in der Hochschule in die Cafeteria laufe. Da gibt das nicht mehr diese Kunststoffumrührer, es gibt nicht mehr die Kaffeedöschen. In vielen Bereichen ist der Kunststoff schon verschwunden, der nur kurzzeitig eingesetzt wird. Und das macht mir doch Hoffnung.
Martin Hoffmann: Andreas, vielen, vielen Dank. Ich werde mein Waschmaschinensieb nachher direkt checken. Das mache ich direkt. Danke dir. Was nehme ich jetzt mit aus den beiden Gesprächen? Also Mikroplastik ist ein riesiges Problem und wir sollten besser jetzt handeln als morgen oder als übermorgen. Und wenn man über die gesundheitlichen Aspekte spricht oder die gesundheitlichen Risiken, naja, also diese Kunststoff- und Plastikpartikel, was die im eigenen Körper anrichten oder sogar im Gehirn anrichten können, ist alles noch nicht erforscht. Ich muss aber sagen, naja so richtig wohl ist mir nicht dabei, wenn ich daran denke, dass solche Partikel in meinem Körper zirkulieren. Und was mich positiv stimmt, ist, dass es wirklich viele Bildungsprojekte gibt und dass sich da hier so eine richtige Bewegung etablieren könnte. Also hier geht einiges voran. Wie geht's euch denn nach der Folge? Seid ihr eher optimistisch oder eher pessimistisch, dass wir das Mikroplastikproblem in den Griff bekommen? Schreibt's gerne mal in die Kommentare. Und wenn ihr Ideen und Tipps habt, wie man im Alltag Plastik vermeiden kann, gerne auch in den Kommentaren teilen. Mehr Hintergrundinfos zum Thema findet ihr wie immer in den Show Notes. Hier gibt's viele Links von Katrin Schuhen und Andreas Fath. Sehr spannend. Schaut da gerne mal rein. Und nochmal ganz kurz die Werbetrommel gerührt: das Unternehmen von Katrin Schuhen ist ja gemeinnützig. Heißt, alle Erkenntnisse werden der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Um ihre Forschung weiterhin zu finanzieren, sind sie auf Spenden angewiesen. Schaut also gerne mal auf die Homepage, haben wir natürlich alles verlinkt. Hier könnt ihr auch gerne unterstützen, wenn ihr möchtet. Und das Gleiche gilt natürlich auch für den Verein von Andreas Fath. Wenn ihr Fragen und Anregungen zum Podcast habt, gerne eine Nachricht an uns schicken. Am einfachsten geht das natürlich über Instagram @gesundnah. Sollte euch gefallen, was ihr gehört habt, gerne abonnieren und weitersagen. Ich würde mich freuen, wenn ihr auch das nächste Mal wieder dabei seid. Ich bin Martin Hoffmann. Wir hören uns.
Outro: GESUNDNAH – der Gesundheitspodcast der AOK Baden-Württemberg.
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