#31 Süßstoffe: Kalorienarm, aber auch gesund?
Shownotes
Sind Süßstoffe wirklich die gesündere Alternative zu Haushaltszucker – oder können sie sogar schaden? Und warum sind Light- und Zero-Produkte längst nicht das Nonplusultra? Moderator Martin Hoffmann geht diesen Fragen auf den Grund und spricht zunächst mit Prof. Dr. Barbara Lieder von der Universität Hohenheim. Die Ernährungswissenschaftlerin erklärt, warum wir Süßes mögen und was im Körper passiert, wenn wir regelmäßig zu Süßstoffen greifen. Anschließend kommt Ernährungstherapeut Sven Bach zu Wort. Er brachte als Jugendlicher 140 Kilogramm auf die Waage – und nahm mit Hilfe von Süßstoffen ab. Warum diese Methode aber nicht für jede Person geeignet ist, erzählt er in dieser Folge.
Weiterführende Informationen:
Prof. Dr. Barbara Lieder erklärt in diesem Artikel der AOK ausführlicher, warum wir Zucker mögen: https://www.aok.de/pp/bw/agendagesundheit-magazin/gesundheit-mit-geschmack/
Weitere Informationen zu Prof. Dr. Barbara Lieder und ihren Publikationen, findet ihr hier: https://hohcampus.verw.uni-hohenheim.de/qisserver/a/cs.psv.frontend/person/view/1632744
Ihr möchtet mehr über Sven Bach und seine Arbeit lesen? Dann schaut auf seiner Seite vorbei! https://www.sven-bach.de/
Dieser AOK-Artikel gibt euch eine gute Einführung in die Welt der verschiedenen Süßstoffe und Süßungsalternativen: https://www.aok.de/pk/magazin/ernaehrung/lebensmittel/zuckerersatz-die-beliebtesten-suessungsmittel-im-check/
Worauf ihr achten solltet wenn ihr zuckerfrei naschen wollt, lest ihr in diesem Artikel der AOK: https://www.aok.de/pk/magazin/ernaehrung/gesunde-ernaehrung/zuckerfreie-suessigkeiten-wie-gut-ist-suesses-ohne-zucker/
Was das Bundesinstitut für Risikobewertung zu Süßstoffen sagt, seht ihr hier: https://www.bfr.bund.de/cm/343/suessungsmittel-mehrheit-der-studien-bestaetigt-keine-gesundheitsbeeintraechtigung-allerdings-ist-die-studienlage-unzureichend.pdf
Wer besonders tief in die Materie eintauchen möchte, findet unter diesem Link ein Dokument aus dem Bundestag mit den Empfehlungen der WHO und vielen verschiedenen Studien: https://www.bundestag.de/resource/blob/942568/bf2d135ccd96d2d7390c43bdae277809/WD-9-006-23-pdf.pdf
Gemeinsam mit der University of Southern California (USC) erforschte die Universität Tübingen, wie sich Süßstoffe auf das Gehirn auswirken. Einen Auszug der Ergebnisse könnt ihr hier nachlesen: https://www.medizin.uni-tuebingen.de/de/das-klinikum/pressemeldungen/meldung/713
Wenn ihr mehr über euren Geschmack und euer individuelles Hungergefühl wissen wollt, schaut ihr am besten mal beim AOK-Kurs „Achtsam und genussvoll essen” vorbei. Dieser Kurs zeigt euch wie ihr durch Achtsamkeit zu einem positiven Ernährungsverhalten, mehr Zufriedenheit und Genuss findet. Den Kurs findet ihr unter diesem Link: https://www.aok.de/pk/gesundheitskurse/
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Transkript anzeigen
Intro: Unterwegs für die Gesundheit. GESUNDNAH – der Podcast der AOK Baden-Württemberg.
Martin Hoffmann: Süß essen und trinken und dabei so gut wie keine Kalorien zu sich nehmen. Das klingt ja erst mal nach einem wahrgewordenen Traum, vor allem für diejenigen, die abnehmen wollen oder mit Diabetes zu kämpfen haben. Das angebliche Zauberwort heißt Süßstoff, also eine kalorienarme oder kaloriefreie Alternative zu Zucker. Aber ist das wirklich so simpel? Also Zucker weg und durch Aspartam, Xylit und Co. ersetzen und schon purzeln die Pfunde, der Blutzuckerspiegel bleibt auf einem niedrigen Niveau und meinem Körper geht es rund um besser? Ich bin Martin Hoffmann und heute möchte ich mehr über Süßstoffe und deren Wirkung auf den Körper herausfinden. Denn ganz so einfach, wie ich das gerade beschrieben habe, ist das definitiv nicht. Bei meiner Recherche bin ich immer wieder auf gegensätzliche Aussagen gestoßen. Auf der einen Seite heißt es da, Süß-stoffe seien zu empfehlen, da sie so gut wie keine Kalorien haben und außerdem seien sie nicht schädlicher als Zucker. Auf der anderen Seite lese ich das genaue Gegenteil. Verschiedene Süßstoffe stehen im Verdacht Krebs zu erzeugen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat beispielsweise Aspartam als möglicherweise krebserregend für den Menschen eingestuft. Xylit soll anscheinend auch nicht bedenkenlos sein. Also ihr merkt, das sind alles sehr, sehr vage Aussagen. Grund genug, um hier mal Klartext zu reden. Für mich ist das jetzt wirklich eine schwierige Situation. Was stimmt denn jetzt eigentlich? Denn immerhin kann man ja die meisten Süßstoffe wirklich einfach so im Supermarkt kaufen. Aber wie viel ist jetzt davon gesund oder weniger ungesund? Was sollte ich konsumieren? Und von was sollte ich besser die Finger lassen? Um das zu besprechen, bin ich heute mit Sven Bach verabredet. Er arbeitet unter anderem als Ernährungstherapeut und stellvertretender Diät-Küchenleiter im städtischen Krankenhaus in Sindelfingen. Außerdem hat er eine Praxis in Stuttgart und in Horb am Neckar. In Horb werde ich ihn heute Mittag besuchen. Vorher geht es für mich aber noch an die Uni Hohenheim. Hier treffe ich Frau Professorin Barbara Lieder. Sie ist Ernährungswissenschaftlerin und leitet das Fachgebiet Human-Ernährung und Dietetik. Von ihr will ich wissen, wie sich Süßstoffe auf den Körper auswirken und ob sie eine gesündere Alternative zu Zucker sind oder ob es nur die sprichwörtliche Wahl zwischen Pest und Cholera ist. Ich bin jetzt in Hohenheim hier am Unicampus in der Fruwirthstraße und hier bin ich mit Barbara Lieder verabredet. Seit Herbst 2023 ist sie in Hohenheim Professorin und vorher war sie am Lehrstuhl in Wien und ich soll rein ins Verfügunggebäude und dann zum Labor kommen. Ich muss mal gucken, ob ich sie irgendwo hier schon sehe. Ah, da hinten ist sie. Hallo Frau Lieder, hallo.
Prof. Dr. Barbara Lieder: Hallo Herr Hoffmann, schön Sie zu sehen.
Martin Hoffmann: Frau Lieder, warum ist es eigentlich so, dass viele Menschen so diesen süßen Geschmack einfach so gerne mögen oder so verlockend finden? Woran liegt das?
Prof. Dr. Barbara Lieder: Eigentlich kann man da den Ursprung schon in der Evolutionsbiologie finden. Süßer Geschmack bedeutet dann, da ist eine gute Energiequelle. Und deshalb haben wir da von Geburt an auch eine Präferenz dafür. Also bereits Neugeborene, wenn man denen verschiedene Geschmacksrichtungen so präsentiert, dann kann man vom Gesichtsausdruck her schon ganz klar ablesen, ob die das gut finden oder nicht. Bei bitteren Sachen gibt es halt eben einen deutlichen ablehnenden Gesichtsaustruck, bis hin zu Schreien. Und bei dem süßen, da ist ein Lächeln im Gesicht quasi auch von schon den Kleinsten. Woran man eben erkennen kann, also das ist schon angeboren da. Und eben aus evolutionärer Sicht durchaus eine sinnvolle Geschichte unserer heutigen Zeit... ja, da brauchen wir nicht mehr so viel suchen nach unserer Nahrung und da ist es dann eher so, dass es dann schnell zu überessen führt.
Martin Hoffmann: Also wenn es angeboren ist, kann man das trotzdem irgendwie abtrainieren oder kann man sich das dann auch wieder antrainieren, oder wie läuft das?
Prof. Dr. Barbara Lieder: Ja, also der Geschmacksinn, der ist schon mit einer gewissen Wandelungsfähigkeit. Also man spricht von der Plastizität des Geschmackssinn. Das heißt also, der erneuert sich regelmäßig. Und je nachdem, wie die Lebensumstände sind, kann das schon auch dann ein bisschen unterschiedlich quasi nachwachsen, wenn man so möchte. Also wie viele Rezeptoren man hat und so weiter, das kann sich dann schon auch anpassen. Das heißt, also wir haben zwar diese angeborene Präferenz. Aber wir sind jetzt nicht darauf festgelegt, dass wir nur Süßes präferieren.
Martin Hoffmann: Wie unterscheidet sich dann, ich sag jetzt mal, Süßstoff von Zucker oder raffinierter Zucker und Fructose und Süßstoff, wie unterscheidet sich das in der Wahrnehmung auch?
Prof. Dr. Barbara Lieder: In der Wahrnehmung ist es so, dass wir ein gewisses Bild im Kopf haben, was wir mit Süße verbinden. Das ist bei uns in der Regel der Haushaltszucker, also Saccharose. Wir vergleichen im Prinzip alles immer dazu. Bei Süßstoffen sehen wir häufig den Effekt, dass das im zeitlichen Profil etwas anders verläuft. Bei Zucker, wenn wir das in den Mund nehmen, setzt die Süße ganz zügig ein. Und dann, wenn man es wieder ausspucken dauert das eine gewisse Zeit, bis wir diese Süße nicht mehr wahrnehmen. Das geht bei Zucker aber relativ schnell. Und bei Süßstoffen haben wir den Effekt, dass das so ein langes, so ein Nachklang hat. Man sagt im Englischen immer "lingering" dazu. Das heißt, das hat vielleicht schon der ein oder andere auch mal gemerkt, wenn man jetzt so ein Lightprodukt von Cola nimmt oder so was, das bleibt so relativ lange von der Süße so im Rachenbereich. Und das ist eben so ein Effekt den wir bei vielen Süßstoffen haben, dass es so einen langen Nachklang hat. Also das ist von der Wahrnehmung her unterschiedlich. Und das ist was, was wir insbesondere bei den klassischen Süßstoffen eben sehen, bei diesen High Intensity Sweeteners.
Martin Hoffmann: Jetzt haben Sie gerade die klassischen Süßstoffe angesprochen. Ich habe also, als ich recherchiert habe, es gibt ja so viele verschiedene Süßstoffe. Was sind denn so die die klassichen? Wie und wie unterscheiden diese?
Prof. Dr. Barbara Lieder: Prinzipiell die Oberkategorie wäre jetzt mal Süßungsmittel und die unterteilen sich noch mal in die Zuckeraustauschstoffe, das wären die Zuckeralkohole, so was wie Xylit oder Erythrit.
Martin Hoffmann: Das heißt, die kann ich als Äquivalent zu Zucker verwenden einfach so.
Prof. Dr. Barbara Lieder: Genau, also von der Menge her im Prinzip. Die sind von der Süßkraft her relativ ähnlich. Ist auch nicht eins zu eins, aber ähnlich. Das heißt also, wenn ich die jetzt zum Beispiel beim Backen oder sowas verwenden wollen würde, da habe ich auch ein gewisses Volumen. Bei den klassischen Süßstoffen, die sind von Süßkraft her wesentlich höher als Zucker. Das heißt, ich brauche nur wesentlich weniger, um die gleiche Süße dann zu erreichen.
Martin Hoffmann: Wie reagiert denn unser Körper, wenn er, ich sage mal, was Süßes bekommt, denkt, das wäre eigentlich Zucker, aber es ist halt kein Zucker, es ist ein Süßstoff irgendwie. Was passiert da bei uns im Körper?
Prof. Dr. Barbara Lieder: Ja, das ist von der Studienlage her sehr unterschiedlich. Also unsere eigenen Studien haben eigentlich gezeigt, dass allein diese Wahrnehmung von der Süße nicht ausreichend ist, um bestimmte Hormone, wie zum Beispiel Insulin, anzuregen. Aber wir haben auch keine Ausschüttung von Sättigungshormonen. Bei Zucker sieht man das. Wenn Zucker kommt, dann sieht man sehr schön eben, da wird dann Insulin ausgeschüttet verstärkt, um eben dann hinterher diese Glukose und den Zucker in die Zellen dann auch aufnehmen zu können. Das sehen wir bei Süßstoffen nicht. Da gibt es auch keine anderen Daten, die das gezeigt haben, dass alleine diese Wahrnehmung von der Süße das induzieren würde. Es gibt eine recht neue Studie, die allerdings gezeigt hat, dass bestimmte Hirnregionen stärker aktiviert werden. Insbesondere war das bei übergewichtigen Personen der Fall. Diese Hirn-Regionen sind für die Regulation von Hunger und Sättigung zuständig. Das ist sehr neu, diese Studie. Und in dieser Studie hat man das zwar gesehen mit diesen Hirnregionen, aber es war tatsächlich auch so, also die Hormonausschüttung hat man nicht nachweisen können. Allerdings haben die Probanden über ein stärkeres Hungergefühl berichtet, nachdem sie den Süßstoff Sucralose gekriegt haben, im Vergleich eben zu Wasser.
Martin Hoffmann: Das heißt jetzt aber, dass das eigentlich gar nicht so gut ist, oder?
Prof. Dr. Barbara Lieder: Hm, das ist jetzt schwierig zu sagen.
Martin Hoffmann: Also wenn man jetzt über Übergewichtige spricht, die sagen, okay, ich möchte mit dem Gewicht runter und wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann ist das Hungergefühl eigentlich danach verstärkt.
Prof. Dr. Barbara Lieder: Es ist immer die Frage, was man alternativ tun würde. Wenn man sagt, man würde stattdessen eine große Menge Zucker zu sich nehmen, dann nimmt man trotzdem diesen Energiegehalt von Zucker zu sich. Bei Süßstoff nimmt man diese Kalorien nicht zu sich. Deshalb ist das nicht so einfach zu sagen. Das war mal eine Studie, die es so gezeigt hat. Es gibt viele andere Studien, die das bisher nicht so gesehen haben. Deshalb muss man wahrscheinlich auch noch mal abwarten. Wie das tatsächlich sich dann ausgestaltet. Auf jeden Fall ist es spannend, dass es dazu eben jetzt mal diese Daten gibt. Und ich würde sagen, man muss mal schauen, wie das auf individueller Ebene dann bei einzelnen Personen eben sich ausgestaltet. Weil eine einzelne Studie jetzt eben zu einem Thema meistens ja noch nicht so aussagekräftig ist.
Martin Hoffmann: Und am Ende ist es dann wahrscheinlich so ein bunter Strauß an Studien. Und dann kann man da so eine Tendenz...
Prof. Dr. Barbara Lieder: Genau, es muss natürlich von anderen Gruppen auch noch mal bestätigt werden. Und was bei dem Thema für mich sehr wichtig ist: das wurde jetzt mit einem Stoff gezeigt, mit Sucralose. Aber wir haben eine größere Vielfalt in Süßstoffen, die häufig auch in Kombinationen verwendet werden. Das heißt, wir können jetzt nicht unbedingt von einem Stoff darauf schließen, dass das auf alle zutreffend ist. Weil es ist jetzt nicht gesagt, dass das tatsächlich was mit der Süße eben zu tun hat, sondern es kann eben auch einfach ein Effekt von dem Stoff per se sein.
Martin Hoffmann: Jetzt habe ich bei der Recherche auch wirklich von Süßstoffe sind eigentlich quasi das Schlimmste, was ich meinem Körper irgendwie antun konnte bis okay, naja, also ist auf jeden Fall besser als Zucker. Jetzt räumen Sie mal kurz vielleicht auf für uns, wie schlimm sind Süßstoffe oder sind sie vielleicht überhaupt nicht schlimm?
Prof. Dr. Barbara Lieder: Keine einfache Frage, tatsächlich, ja, weil die Studienlage ist eben sehr heterogen. Grundsätzlich ist es so, bei Zucker wissen wir, dass das eben schädlich ist, in größeren Mengen zu konsumieren.
Martin Hoffmann: Was heißt denn größere Mengen?
Prof. Dr. Barbara Lieder: Ja es gibt da klare Empfehlungen von der WHO und im Prinzip heißt es also nicht mehr als 10% des Tages-Energiebedarfs sollten über Zucker gedeckt werden, besser eigentlich 5%.
Martin Hoffmann: Das heißt so eine kleine Flasche Cola und dann ist man schon drüber eigentlich fast.
Prof. Dr. Barbara Lieder: Ja, genau. Da geht es eben um freie Zucker. Wir haben viele Lebensmittel, wo relativ viel Zucker zugesetzt wird, was man vielleicht auch nicht im ersten Moment erkennt. Klassische Beispiele sind Ketchup und so was. Die haben sehr viel Zucker drin. Das hat technologische Eigenschaften, die hilfreich sind. Bei dem wissen wir einfach das ist mit einem höheren Risiko für Diabetes verknüpft. Schlaganfall, Bluthochdruck, Krebserkrankungen, da gibt es wirklich relativ große Studien, die das sehr klar mittlerweile zeigen. Bei Zucker wissen wir das. Bei Süßstoffen ist die Lage eben deutlich weniger klar. Also es gibt ein paar Studien, die darauf hinweisen, dass einzelne Süßstoffe vielleicht eben sich auch mit unangenehmeren Nebenwirkungen zeigen. Aber man kann jetzt nicht eben bei Süßstoffen sagen, die sind genauso schlecht wie Zucker. Die haben nicht immer die gleichen Effekte. Also es sind eben chemisch gesehen dann unterschiedliche Stoffe und müssen deshalb auch einzeln betrachtet werden. Deshalb tue ich mich jetzt schwer zu sagen, Süßstoffe per se ja oder nein. Ich würde sagen, man muss das auf den einzelnen Stoff anschauen. Teilweise haben wir aber leider nicht von der Studienlage her die klaren Daten, um sich ganz konkret positiv oder negativ dazu zu äußern. Das muss man leider sagen.
Martin Hoffmann: Gibt es einen, wo Sie sagen, da wissen wir mehr darüber, den kann man guten Gewissens als Alternative für Zucker nutzen? Oder wirklich schwierig, die Aussage?
Prof. Dr. Barbara Lieder: Finde ich tatsächlich schwierig, weil Süßstoffe meistens in Kombinationen verwendet werden. Viele Daten, die wir haben, stammen aus epidemiologischen Studien, das heißt, wir haben so Kohortenstudien. Es wird quasi geschaut, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Konsum von Süßstoffen und dann bestimmten Erkrankungsbildern, zum Beispiel Diabetes, das wird auch geschaut Übergewicht, also Adipositas und das Problem bei diesen Studien ist eben, wir sehen da nur Zusammenhänge. Und bei diesen Studien sieht man, dass Personen, die vermehrt Süßstoffe konsumieren, dann zum Beispiel auch einen höheren BMI haben, tendenziell eher zu Übergewicht neigen und so weiter. Das spricht eigentlich eben jetzt nicht dafür, dass Süßstoffe verwendet werden sollten. Das Problem an der Sache sind im Prinzip zwei große Punkte. Das eine ist, es sind eben nur Zusammenhänge, die dort gesehen werden. Wir können nicht daraus schließen, dass Personen, die Süßstoffe konsumieren, dann dadurch zugenommen haben. Es kann ja auch genau der umgekehrte Fall eigentlich nämlich sein, dass Personen die eben übergewichtig sind vermehrt zu Süßstoffen greifen, um ihr Körpergewicht in den Griff zu bekommen. Und das andere, das zweite Problem, was wir dann eben bei den Süßstoffen noch haben, ist, dass es eben die Süßstoffe immer genannt werden in diesen Studien. Und das ist aber eben auch so, wenn ich jetzt eben mal auf die Straße gehe und frage Personen: "Verzehren Sie Süßstoffe?", kriege ich vielleicht noch eine Antwort. Dann kann noch jemand sagen, ja, ja, ich trinke öfters mal Cola light, ja. Aber wenn ich dann frage, ja und wie viel Sucralose, wie viel Aspartam, wieviel Zyklamat konsumieren Sie so?
Martin Hoffmann: Dann kommt bestimmt die eine oder andere Frage, was ist das überhaupt, was Sie da gerade sagen.
Prof. Dr. Barbara Lieder: Also das kann ja kein Mensch beantworten, das heißt also wir haben eben deshalb einfach immer Daten, wo Süßstoffe alle über einen Kamm geschoren werden und wie gesagt, also es sind strukturell sehr unterschiedliche Stoffe, die können ganz unterschiedliche Wirkungen dementsprechend auch haben. Dass sie jetzt so komplett gar nichts im Körper tun, wie man früher gedacht hat, das würde ich jetzt auch nicht sagen.
Martin Hoffmann: Jetzt habe ich zum Beispiel auch einen Bericht von der WHO gelesen. Da stand dann drin, dass manche Stoffe teilweise den Verdacht haben, dass sie krebserregend sein könnten. Ich glaube, vager kann man es gar nicht formulieren. Das Einzige, was bei mir hängen geblieben ist, irgendwie Achtung. Könnte schlimm sein. Man weiß es nicht, aber es könnte so sein. Was nehme ich aus so einem Bericht eigentlich mit für mich?
Prof. Dr. Barbara Lieder: Also, was man mitnehmen kann, ist tatsächlich, dass im Moment die Studienlage maximal vage ist. Das ist aber in allen Fällen einmal eine richtige Einschätzung, würde ich sagen. Das andere ist eben, aber auch, dass man das ein bisschen in Kontext setzen muss, ja. Also, Aspartam ist der Süßstoff, der diese Einstufung bekommen hat, dass er eben möglicherweise krebserregend ist. Man muss jetzt aber das in Kontext setzen. Also, bei rotem Fleisch, das ist schon eine Kategorie höher. Das ist nicht nur möglicherweise, sondern da ist es wahrscheinlich krebserregend. Und das andere ist eben, dass es ja immer eine Frage ist, wie viel verzehr ich davon. Also auch genauso bei rotem Fleisch. Also wenn jetzt jemand einmal ein Stück rotes Fleisch isst, wird er davon keinen Darmkrebs bekommen. Aber wenn ich das halt eben über einen sehr langen Lebenszeitraum in sehr hohen Mengen immer und immer wieder mache, ist einfach die Wahrscheinlichkeit dafür höher. Da spielen dann natürlich nur andere Umweltfaktoren eine Rolle. Genetische Prädispositionen und so weiter. Und genauso ist das aber eben dann auch bei Aspartam. Also es ist eine Frage, wie oft und wie viel verzehre ich das. Also von dieser Einstufung her, müsste man täglich mehr als 14 Dosen mit einem aspartamhaltigen Getränk trinken, um überhaupt auf eine relevante Menge zu kommen. Das ist die Lage, von der man im Moment ausgeht. Also Süßstoffe sind Zusatzstoffe, das heißt, sie haben eine gewisse Zulassung. Es gibt also Prüfungen bevor, die überhaupt zugelassen werden. Und in der EU sind diese Zulassungsverfahren auch recht streng. Also bis da tatsächlich mal was auf den Markt kommt, da vergeht schon relativ viel Zeit. Da sind andere Länder deutlich schneller dabei. Und da wird die Studienlage schon sehr genau geprüft und es müssen eben schon bestimmte Informationen vorliegen.
Martin Hoffmann: Das heißt, die Süßstoffe und die Süßungsmittel, die zugelassen sind, die man hier kaufen kann, die sind erstmal in den angegebenen Mengen unbedenklich.
Prof. Dr. Barbara Lieder: Davon geht man im Moment aus, ja, genau.
Martin Hoffmann: Wie machen Sie das eigentlich persönlich mit Süßstoffen? Nutzen Sie Süßstoffe?
Prof. Dr. Barbara Lieder: Prinzipiell bin ich eben vom Typus her, dass ich versuche, eben nicht zu hohe Süßkonzentrationen immer zu mir zu nehmen und mich dann nicht an immer höheren Süßgeschmack zu gewöhnen, aber ich habe keine Bedenken, eben auch mal ein Lightprodukt zu verwenden.
Martin Hoffmann: Ich muss das mal alles sacken lassen. Waren sehr, sehr viele Informationen, unglaublich spannend. Frau Lieder, vielen, vielen Dank. Superspannend.
Prof. Dr. Barbara Lieder: Gerne. Hat mich gefreut.
Martin Hoffmann: Süßstoffe sind jetzt nicht per se schlecht. Wichtig ist aber, dass man sich an die Mengenangaben hält, also an die maximale Verzehrempfehlung. Sonst drohen nämlich Nebenwirkungen wie z.B. Blähungen. Ob jetzt einige dieser Süßstoffe krebserregend sind, ja oder nein, das lässt sich schwierig sagen. Der aktuelle Forschungsstand sagt ein klares Jein. Ich weiß, das ist eine eher unbefriedigende Antwort, aber so ist halt der momentane Stand. Jetzt geht es für mich weiter nach Horb am Neckar. Hier treffe ich mich mit Sven Bach. Er ist Ernährungstherapeut und seit mehr als 20 Jahren staatlich geprüfter Diätassistent. Süßstoffe sind ein riesiges Thema für ihn und er hat auch eine ganz eigene Verbindung dazu. Mit 19 war er nämlich stark übergewichtig. 141 Kilo hat er maximal auf die Waage gebracht. Was das mit Süßstoffen zu tun hatte, das wird er mir berichten. Außerdem hat er über die Jahre mit zig Patientinnen und Patienten an dem Thema gearbeitet. Sven Bach und ich, wir treffen uns in der Koch Lounge am Garnisonsplatz 11. Und er meinte, ich kann ihn gar nicht übersehen. Er ist knapp zwei Meter groß und wartet am Eingang. Und ich schaue jetzt ganz kurz mal. Da ist er, glaube ich schon.
Sven Bach: Hey, servus, Martin.
Martin Hoffmann: Hallo Sven, hallo, hey. Servus.
Sven Bach: Ja, komm einfach mit.
Martin Hoffmann: Sven, sag mal, wie häufig begegnet dir das Thema künstliche Süßstoffe in dein beruflichen Alltag? Weil du machst ja wirklich sehr, sehr viel rund um das komplette Thema Ernährung.
Speaker 4: Na ja, eigentlich täglich, also sei es in der Einzelernährungstherapie oder natürlich bei den Seminaren oder bei Vorträgen. Es wird immer nach Süßstoff gefragt oder nach Zuckeraustauschstoffen, also Süßstoffe sind jeden Tag am Start bei mir.
Martin Hoffmann: Jetzt habe ich erfahren von der Frau Prof. Lieder, dass es so unglaublich viele verschiedene Süßstoffe gibt. Wie unterscheiden die sich oder wie kommen die Leute zu dir? Fragen die gezielt nach einem Süßstoff oder ist das dann, ich sage es mal so, ein großes Thema und es wird alles reingeworfen?
Speaker 4: Ja, sie unterscheiden eigentlich nicht. Also es geht einfach darum, das Getränk, das Softgetränk sollte dann null Kalorien haben und dann sind da halt Süßstoffe drin. Welcher Süßstoff jetzt das ist oder ob es Kombinationen aus Süßstoffen sind, das ist dem Patient, dem Klient oder auch dem Kunden völlig egal und da wird auch nicht unterschieden.
Martin Hoffmann: Wie ist es für deine Arbeit mit diesen unterschiedlichsten Stoffen, die auch alle wahrscheinlich unterschiedliche Auswirkungen auf den Körper haben, die unterschiedliche Süßungsgrade haben. Wie berätst du die Leute da?
Speaker 4: Naja, es ist so, dass ich im Endeffekt, in den 27 Jahren, wo ich jetzt in diesem Beruf bin, festgestellt habe, dass es mir in der Ernährungstherapie auf lange Sicht keinen Nutzen bringt. Wir sehen ja auch den Anstieg des Übergewichts die letzten Jahrzehnte massiv und wir haben immer mehr Lightprodukte und wir hatten mal eine Welle mit Low-Fat, Low-Carb und High-Protein jetzt gerade wieder. Und wir haben aber irgendwie keinen Nutzen, also auch bei den Süßstoffen. Ich sehe, die Leute werden einfach immer dicker und das zieht sich ja weltweit so voran. Und deswegen sehe ich da wirklich den Nutzen recht gering in der Ernährungstherapie. Ich habe jetzt eine Patientin, die mir jetzt gerade einfällt, die hat Arthrose, die hat auch dementsprechend Rheuma, Typ 2 Diabetes, starkes Übergewicht, Bluthochdruck, also so eine Kombination von verschiedenen genetisch dispositionierten, aber auch ernährungsabhängigen Erkrankungen. Und die trinkt am Tag oder trank, ich könnte sie überzeugen, dass sie ein bisschen weniger trinken soll, so circa zweieinhalb Liter Softgetränke und natürlich dann auch teilweise Säfte und so weiter. Also sie kam so auf zwei Liter. Und wenn man das natürlich hochrechnet, sind wir hier in einem Feld von ca. 150 bis 200 Gramm Zucker, Industriezucker pro Tag. Und was haben wir gemacht als Therapie? Ich habe ihr einen halben Liter Softgetränk und Saft natürlich gelassen und habe ihr dann einen Liter zum Entwöhnen Süßstoffgetränke erlaubt. Und das hat natürlich jetzt auch sehr gut funktioniert. Sie war Anfang Januar bei mir, sie war vor zwei Wochen, also jetzt Mitte Mai bei mir, also so vier, fünf Monate später, und sie hat jetzt schon 17 Kilo Gewicht reduziert. Also da würde ich sagen, da ist es natürlich ein Segen, sag ich jetzt mal, so ein Süßstoffgetränk zu haben.
Martin Hoffmann: Was ist denn okay, wie viel Zucker am Tag?
Sven Bach: Na ja, es gibt natürlich die verschiedenen Leitlinien, beziehungsweise es gibt die WHO, die DKO. Ich sag jetzt mal da wird gesprochen von so 30 bis 50 Gramm Zucker pro Tag. Da ist aber alles involviert. Der Zucker in den Softgetränken, der Zucker in Süßigkeiten. Der Zucker in einem Kuchen und so weiter.
Martin Hoffmann: Gibt es jetzt auch, du hast gerade ein Beispiel genannt, wo Süßstoffe eine gute Alternative zu Zucker sind. Gibt's auch irgendwas, wo man sagt, da sollte man schon beim Zucker bleiben? Wann ist Zucker besser als Süßungsmittel, Süßstoffe oder gibt es das gar nicht? Ist Zucker per se schlecht?
Speaker 4: Nein, also ich plädiere ja für den Mittagskuchen und den Mittagskakao, wenn wir einem Kind jeden Mittag ein frisch gebackenes Stück Kuchen, jetzt ein Käsekuchen, mit Quark, mit Zucker, mit Mehl, ja, fertig. Ganz einfach. Und da einen Zuckeranteil von circa 15 bis 20 Gramm pro Portion haben und das Kind auch einen Kakao dann bekommt mit 200 Milliliter Milch und da ein bisschen Kakaopulver mit drin wäre mit Zucker. Dann komme ich auf 25, 26, 27 Gramm Zucker. Ich konsumiere diese Süßigkeit so im Kreise der Familie mit der Mutter, mit dem Vater, mit den Geschwistern, mit Oma, Opa, so zu einem Nachmittagskaffee, beziehungsweise Kuchen dann. Und das ist einfach so ein schönes Sozialgefüge, wo man dann hat und dann wirkt dieser Kuchen oder diese Süßigkeit oder dieser Zucker natürlich ganz anders, als wenn ich dann in irgendeinen Discounter gehe und mir eine 5er-Reihe von irgendwelchen Schokoriegeln kauf, die nur 2,50 Euro kosten. Das muss man sich mal überlegen. Ein solcher Riegel hat 300 Kcal und ich bekomme 5 Stück davon. Also Preis-Leistungs- oder Preis-Kalorien-Verhältnis natürlich top.
Martin Hoffmann: Da kann eigentlich gar nichts Gutes drin sein, auch für den Preis.
Sven Bach: Nein. Und vor allen Dingen, ich bin ja immer überrascht. Ich zahle dann wahrscheinlich für ein Brokkoli oder für einen Blumenkohl oder für irgendwelches Gemüse mehr als für diese fünf Schokoriegel, wo jeder Schokoriegel circa 40 Gramm hat. Und da habe ich natürlich, wie du auch schon sagst, natürlich viel Mist drin. Palmenfett drin, wir haben Zusatzstoffe drin. Die sind natürlich für das Mikrobiom, also für die Darmflora natürlich auch sehr schlecht.
Martin Hoffmann: Jetzt sprichst du gerade die Darmflora an. Auf der einen Seite, was sind die Auswirkungen von Zucker auf Darmflora und auf der anderen Seite von Süßstoffen oder von Süßungsmitteln? Was macht das mit der Darmflora?
Speaker 4: Was Zucker angeht, wissen wir, dass hohe Mengen an schnell resorbierbarem Zucker, so nennen wir das, da gehört natürlich auch so Weißbrot, Weißmehl im Allgemeinen dazu und auch natürlich Zuckergetränke, Süßigkeiten und so weiter, dass es da einfach zu einer Dysbalance kommen kann, betone ich. Also es gibt natürlich Menschen, die können essen wie wahnsinnig, ja, und die haben gar nichts, aber das gelingt den meisten nicht. Viele bekommen, wenn die einfach zuckerreich essen, dann irgendwann mal eine sogenannte Dysbiose. Also das bedeutet, die ungünstigen Darmbakterien, die lieben den Zucker und wenn die ordentlich Zucker drin haben, dann populieren die. Und das macht natürlich ein Ungleichgewicht und dann haben wir entweder Durchfälle oder wir haben Blähungen oder auch manche bekommen Verstopfungen.
Martin Hoffmann: Was passiert jetzt, wenn ich den Zucker durch die Süßstoffe ersetzen würde. Was passiert dann?
Sven Bach: Naja, wir haben viele Daten oder es gibt Studien aus 2020, ich habe jetzt gerade so ein paar Studien im Kopf oder auch aktuelle Studien, 2025, also immer wieder, wo man natürlich schaut, wie wirken sich die Süßstoffe oder Zuckerersatzststoffe auf die Darmflora aus. Und man sieht eigentlich so grundsätzlich, wenn man so die harten Fakten eigentlich nimmt, dass die Ergebnisse, ja ... Nicht so eindeutig sind. Also es gibt dann immer, man sieht... Es macht jetzt nichts Massives, wenn man jetzt sagt, okay, ein Jahr Süßstoff und wir haben starke Entzündungen im Darm und das macht ein Riesenproblem und die Leute haben nur noch Bauchschmerzen und so weiter. Sowas sieht man so direkt nicht. Aber ich bin der Meinung, ich sehe das ja auch in der Ernährungstherapie bei meinen Patienten und an meiner eigenen Geschichte, dass ich mir mit diesen Süßstoffen wirklich so den Darm versaut habe. Ja, ein Stück weit. Und auch hier sehen wir, und es gibt auch Daten dazu, also wenn man so Studien sich dann mal anschaut, wo man wirklich sieht, dass es Einflüsse gibt, negative auf die Darmflora.
Martin Hoffmann: Ich höre jetzt raus, dass Süßstoffe auf jeden Fall nicht schlechter als Zucker sind.
Sven Bach: Genau, es ist halt schwer. Also wenn du die Daten halt nimmst, es gibt ja auch noch Hungersättigungsregelungen, wie wirkt es sich darauf aus. Dann vielleicht auch noch dementsprechend kann, das ist ja auch so klassisch, kann jetzt durch eine Süßstoffeinnahme oder durch Süßstoffverwendung, kann da Dickdarmkrebs entstehen oder Krebs im Allgemeinen entstehen. Das kann man so einfach nicht sagen. Natürlich kann man jetzt auch bei Zucker bei einem hohen Konsum dann wiederum sagen, wenn man ganz schlecht isst und hat hohe Mengen Zucker, die man regelmäßig dann konsumiert das durch den Einfluss des dauerhaften hohen Insulinspiegels und so weiter, dann auch wiederum verschiedene onkologische Erkrankungen entstehen könnten, also Krebserkrankungen, entstehen können. Deshalb, immer ganz wichtig, wir wissen das eine nicht 100 Prozent. Und ich sitze ja da immer so zwischen den Stühlen als Therapeut. Ich habe einmal die Wissenschaft, die sagt dies. Dann haben wir auch mit meinen Mitarbeiter:innen zusammen, das sind auch in der Regel die Hälfte Wissenschaftler:innen, die dann auch wieder sagen, naja, so und so, die und die Studie sagt jedes und dieses aus. Dann bin ich aber seit 27 Jahren in der Ernährungstherapie.
Martin Hoffmann: Hast du eigene Erfahrungen auch noch mal gesammelt?
Sven Bach: Ich hab eigene Erfahrung gemacht und gesagt, hey Leute, das eine wie das andere haut das einfach weg und checkt einfach mal, dass ihr einen vernünftigen Lifestyle braucht, dass Ihr euch vernünftig bewegen müsst, dass lauwarmes Wasser mit Apfelessig am Morgen nicht die Fettzellen zum Schmelzen bringt, sondern vielleicht 30 Minuten Sport am Morgen, vielleicht die richtige Möglichkeit wäre. Ja, und das sind alles so Themen, also dieser ganze Lifestyle und deswegen so diese Mitte. Wie gesagt, ich sitze zwischen den Stühlen und wie ich auch wiederum die Patientin aufgreifen möchte, die 17 Kilo abgenommen hat, ja, da hat es funktioniert. Wie ich mit den Süßstoffen, mit dem Einbau von einem Liter Süßstoff, wie lange wir das jetzt treiben und wie lange wir das machen, Fakt ist auf jeden Fall, hätte die weiter so viel Zucker getrunken, wäre das im Fiasco geendet. Hätte ich damals als 17-Jähriger nicht angefangen, Süßstoffgetränke zu konsumieren und bei mir waren es anderthalb, zwei Liter Tee gesüßt, mit was weiß ich, wie viel Süßtofftabletten drin, ja, dann würde es mich jetzt nicht mehr geben. Ich hatte einen erhöhten Langzeitzucker, ich hatte Gicht...mit 19 Jahren dann schon, also mit 17 habe ich angefangen, mit 18 mich damit zu beschäftigen, mit 19 dann wirklich dann auch abgenommen. Und ich hatte wie gesagt Langzeitzucker erhöht, Bluthochdruck, Gicht, hatte schon erhöhtes LDL-Cholesterin. Also eine leichte Schlafapnoe in so einem jungen Alter. Das ist alles weg, also ich habe gar nichts mehr. Das war dann mit 19, 20 mit der Gewichtsreduktion weg und ich bin jetzt 50 Jahre dieses Jahr geworden. Und es ist immer noch weg.
Martin Hoffmann: Wie sieht der Einfluss von Süßstoffen auf den Blutzuckerspiegel aus?
Sven Bach: Da gibt es verschiedene Untersuchungen und da muss man ganz klar sagen, ich habe jetzt so eine Meta-Analyse aus 2023 im Kopf. Und da sind 36 Studien zusammengefasst und da sieht man ganz klar, dass wir grundsätzlich keinen großen Einflüss auf den Blutzuckerspiegel haben. Also das sieht man. Und man sieht auch, dass kein Einfluss auf die ganzen relevanten Hormone, die dabei sind. Auf Insulin, zum Beispiel, den GLP-1-Transporter und so weiter, also auch auf die ganzen Hormonen zur Blutzuckerregulation, zur Hungersättigung, da haben wir keinen Einfluss. Das ist natürlich so jetzt die wissenschaftliche Studienlage, wenn man das so vergleicht und man muss aber trotzdem sagen, dass wir ja wissen, dass so ein indirekter Effekt da ist, wo die Mikrobiota verändert wird und das sich dann wiederum auch später auf den ganzen Glukosestoffwechsel, auf den Gesamtstoffwechsel natürlich negativ auswirken kann und wir sehen halt ja einfach schon in der Ernährungstherapie regelmäßig, dass dieser Nutzen wiederum auch gar nicht da ist. Also dass die Leute das konsumieren eventuell noch Nachteile dann haben, dass sie vielleicht sogar mehr essen, da gibt es auch Untersuchungen dazu. Das lässt sich halt so hart immer nie beweisen und auch nie zeigen, aber dass man also dementsprechend das Ghrelin dann steigt und so weiter. Also das wäre halt einfach, ja. Mehr essen wollen, Hunger und Hungereiz bekommen. Darmmikrobiota verändert sich dann dementsprechend. Und deswegen würde ich hier ganz klar sagen, auf die Dauer in meiner Therapie, die letzten 27 Jahre, wie ich ja schon sagte bei manchen... Individuell einsetzbar, da kann man das ausprobieren.
Martin Hoffmann: Wenn wir über natürliche Alternativen sprechen, ist Stevia dann eine natürliche alternative?
Sven Bach: Man müsste halt einfach so wieder Langzeitstudien einfach irgendwo haben, also da kann man sagen, was wir bisher haben, zeigt sich da vielleicht aber auch wieder einen negativen Einfluss auf die Mikrobiota, also auf die Darmflora. Hier wird jetzt nichts beschrieben, dass es irgendwie hungerreizend wäre zusätzlich noch und so weiter. Also, aber grundsätzlich Stevia könnte man jetzt die vielleicht beste Alternative nennen. Ja, aber auch Erythrit oder Xylit zum Beispiel, die kann man ja auch sehr gut dann zum Backen verwenden und so. Weiter und beim nächsten Mal. Ja, beim Xylit zum Beispiel, da muss man natürlich auch aufpassen, dass man die Menge nicht überschreitet, weil das natürlich dann auch abführend wirkt und so weiter. Und es gibt immer mal wieder Studien, die dann halt einfach durchblitzen bei Erythrit oder bei Xylit, die auch wiederum, ja, Negatives beschreiben, sag ich jetzt mal. Aber auch bei Stevia als bezüglich der Darmflora. Und deswegen, wir drehen uns mit diesem Thema Zuckeraustausch oder Süßungsmittel, künstliche Süßstoffe und so immer im Kreis. Es geht immer um einen normalen, vernünftigen Lifestyle, um eine vernünftige Lebensführung. Und doch auch irgendwie am Schluss kommt der stinknormale, so sage ich es auch immer in den Seminaren oder auch in der Beratung, der stinknormale Zucker, den wir von Kindesbeinen an sozusagen kennen, den es schon ewig gibt in einer richtigen Mengenrelation von, meinetwegen jetzt gerade diese, ja, ich würde da 25 bis 50 Gramm vielleicht noch mal so nennen, diesem Feld einfach. Und dann haben wir in der Regel gar kein Problem damit. Also ich glaube, man hat erkannt, Zucker ist in einer gewissen Menge sehr sehr schädlich und sorgt auch für Übergewicht und hat dann einfach versucht, wieder betriebswirtschaftlich da dagegen zu gehen irgendwann mal und hat ganz viele Austauschstoffe geschaffen, die in erster Linie natürlich schon mal was bringen oder individuell auch wirklich sinnvoll sein können für Diabetiker oder auch dann dementsprechend wirklich für Super-Übergewichtige. Da kann es eine Hilfe sein.
Martin Hoffmann: Was würdest du den Leuten raten, die vielleicht nicht dieses super Übergewicht haben, aber trotzdem sagen, ich möchte meinen Zuckerkonsum, ich möcht den reduzieren. Wie kann man das am besten machen mit natürlichen Alternativen, mit Süßstoffen, mit dem starken Willen. Wie kriegt man das hin?
Sven Bach: Ich mach mal zwei Beispiele. Ich hab einen Mann jetzt mit 55 Jahren, der ist 1,80 groß, wiegt 83 Kilo, macht so zweimal pro Woche nur Sport und braucht halt so am Tag, kommt vielleicht auf 60, 70 Gramm Zucker am Tag und hat ja kein starkes Übergewicht, macht wenig Sport. Ich würde ihn dann hier in dem Moment halt einfach motivieren, eine Einheit mehr Sport zu machen oder zwei, seinen Süßkonsum so zu lassen, wie er ist. Da würde ihn da eher motivieren und würde ihm dazu raten, optimal das Süße dann vor dem Sport zu essen, eine halbe, dreiviertel Stunde vorher. Weil dann nimmt das gleich der Muskel auf, im Endeffekt dann auch ohne groß Insulin zu brauchen. Und da habe ich sogar einen Vorteil, also da habe...
Martin Hoffmann: Positiven Effekt eigentlich, für das Training auch gleich.
Sven Bach: Der Zucker unterstützt dann gleich sofort die Muskulatur für ein gutes Training und dann im Endeffekt auch für eine gute Regeneration. Und wenn ich jetzt natürlich jemand Jüngeres hätte, zum Beispiel, da kommt es natürlich drauf an. Also wenn ich ein Kind oder Jugendliche in der Ernährungstherapie habe und man müsste da den Zucker, dann muss man natürlich dann schon auch arbeiten. Ja, wenn wir dann da 100 Gramm Zucker haben, was nicht selten ist, dann müssen wir halt gucken, dass wir es halbieren irgendwo, ja. Also, dass man da halt auch wirklich ran gehen an die Leute, motivierend dran sind. Natürlich auch die Bewegung muss hier auch da sein, beziehungsweise dann auch die Motivierenden, die Süßigkeiten etc. auch vor der Bewegung dann zu essen eine halbe, dreiviertel Stunde vorher, dass es einen dann so ein bisschen was bringt für den Muskel und dann vielleicht auch so mit einem Tag, wo man mal aussetzt und dann einen Tag, an dem man dann wieder ein bisschen was essen darf. Das ist sehr individuell.
Martin Hoffmann: Aber ich höre nochmal so raus: Na ja, Verbote bringen es wirklich nicht, sondern man muss eher gucken, wie man selbst damit klarkommt und wie man es selbst irgendwie reduzieren kann, dass man in diesem gute Level bleibt.
Sven Bach: Man muss in Stufen arbeiten, also ein Verbot, ein harter Verbot was Dogmatisches, das funktioniert definitiv nie. Das halten wir nie durch, aber wenn ich von diesen 100 Prozent dann mal am Anfang auf 50 auf jeden Fall oder 40 Prozent nur reduziere oder 50 Prozent reduziere, das schaffen sehr viele und wenn die dann den Erfolg sehen, den körperlichen Erfolg, Lob bekommen vom Umfeld, dann kann es auch sehr gut sein, dass sie dementsprechend dann runterfahren.
Martin Hoffmann: Mit deiner Vorgeschichte, wenn ich dich jetzt auf ein Getränk einlade. Würdest du, ich sag es mal, die normale Cola nehmen oder dann doch die Light oder das Zero-Produkt?
Sven Bach: Ich würde die Light-Cola nehmen, weil ich die normalen Zuckergetränke gar nicht mehr trinken kann. Ich habe die früher so viel getrunken und dann habe ich ja ganz viele Jahre Lighprodukte getrunken. Deswegen schmeckt die normale Cola für mich seltsam. Das ist spannend, oder?
Martin Hoffmann: Sehr spannend! Sven, vielen, vielen Dank. Sehr, sehr viel gelernt. Werd auf jeden Fall anders durch den Supermarkt gehen jetzt.
Sven Bach: Das freut mich. Ich danke dir.
Martin Hoffmann: Die Dosis macht das Gift. Und das gilt für Zucker, genauso wie für Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe. Außerdem ist es immer wichtig, sich die gesamte Ernährungsbilanz anzuschauen, wie Sven Bach gesagt hat. Und wenn wir über das Thema Abnehmen sprechen, dann sind Verbote eher problematisch, weil die lassen sich nur schwierig durchhalten. Und da macht es durchaus Sinn. Zuckerhaltige Lebensmittel durch welche mit Süßstoff zu ersetzen. Was denkt ihr denn über Süßstoffe? Schreibt's gerne mal in die Kommentare und tauscht euch aus. Außerdem kann ich euch wie immer einen Blick in die Shownotes empfehlen. Hier haben wir viele Informationen zu Sven Bach und Barbara Lieder zusammengefasst. Und wenn ihr Fragen und Anregungen habt, dann schreibt uns am besten eine Nachricht. Am schnellsten und einfachsten geht das über Instagram @gesundnah heißt hier das Profil. Und wenn ihr keine Folge mehr verpassen möchtet, dann abonniert am besten den Podcast. Und wenn ihr schon dabei seid, gerne auch eine Bewertung dalassen. Fünf Sternchen, das wäre eine feine Sache. Schön, dass ihr dabei wart. Bis zum nächsten Mal. Ich bin Martin Hoffmann. Wir hören uns.
Outro: GESUNDNAH – der Gesundheitspodcast der AOK Baden-Württemberg.
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