#25 Tinnitus: Leben mit dem Dauerton
Shownotes
Ein ständiges Pfeifen, Summen oder Rauschen im Ohr – Tinnitus kann das Leben sehr belasten. Doch es gibt Wege, damit umzugehen. In dieser Folge des GESUNDNAH-Podcasts spricht Moderator Martin Hoffmann mit Karl Rapp, der selbst seit 2019 an Tinnitus leidet, und Prof. Dr. med. Serena Preyer von den ViDia-Kliniken über mögliche Ursachen, Therapien und alltagstaugliche Bewältigungsstrategien.
Weitere Informationen:
Mehr Infos über Tinnitus findet ihr auf der Website der Deutschen Tinnitus LIGA: https://www.tinnitus-liga.de/
In diesem Artikel der AOK gibt es weitere nützliche Informationen zu diesem Thema: https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/organe/chronischer-tinnitus-ursachen-symptome-und-behandlung/
Ihr seid auf der Suche nach Tinnitus-Selbsthilfegruppen? Dann werdet ihr hier fündig: https://www.tinnitus-liga.de/selbsthilfegruppen/ http://www.timm-stuttgart.de/ https://tinnitus-shg-tuebingen.de/
Wer besonders tief in die Materie abtauchen möchte, findet hier den Link zur Leitlinie des chronischen Tinnitus der AWMF: https://register.awmf.org/assets/guidelines/017-064l_S3_Chronischer_Tinnitus_2021-09_1.pdf
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Transkript anzeigen
Intro: Unterwegs für die Gesundheit. GESUNDNAH - der Podcast der AOK Baden-Württemberg.
Martin Hoffmann: Auf einmal war da dieses Geräusch. Immer, permanent. Beim Aufwachen, beim Einkaufen, beim Autofahren, beim Arbeiten, beim Einschlafen. Einfach immer. Mir war sofort klar: Das ist Tinnitus. Das war vor sechs Jahren. Erzählt hat mir das Karl Rapp. Mit ihm bin ich später verabredet. Wie er mit dem Ton in seinem Kopf lebt und welche Therapien er schon alles ausprobiert hat, darüber wollen wir uns unterhalten. Ich bin Martin Hoffmann, und heute gehe ich der Frage nach, welche Therapieform es bei Tinnitus gibt und welche Folgen das Störgeräusch für die Psyche haben kann. Ich recherchiere jetzt seit ein paar Wochen zum Thema Tinnitus und ich versuche mir die ganze Zeit vorzustellen, wie es ist, rund um die Uhr diesen Störer im Ohr zu haben. Ihr kennt das vielleicht. Wenn man sich viel mit einem Thema beschäftigt, glaubt man manchmal, man spürt es selbst. Wenn ich jetzt zum Beispiel über Läuse spreche, dann haben bestimmt ein paar von euch auch dieses Jucken auf dem Kopf. Da gibt es hunderte Beispiele. Ihr wisst, was ich meine. Dementsprechend habe ich manchmal das Gefühl, auch einen Ton zu hören. Aber nach der Recherche ist mir klar, Tinnitus ist definitiv ein ganz anderes Level. ich in den Raum Sigmaringen zu Karl Rapp fahre, geht es für mich aber nach Karlsruhe. Hier treffe ich Professorin Serena Preyer. Sie ist Spezialistin für Hals Nasen Ohrenheilkunde und Klinikdirektorin an den ViDia-Kliniken. Ich will verstehen, wie Tinnitus entsteht und was man dagegen tun kann und ob es wirklich unmöglich ist, den Tinnitus wieder komplett loszuwerden. So, ich bin jetzt gerade in Karlsruhe in den ViDia-Kliniken angekommen und in den vier Standorten hier arbeiten rund 3000 Mitarbeitende, davon rund 400 Ärztinnen und Ärzte. Ich bin jetzt gerade hier am Standort in der Steinhäuser Straße. Professor Serena Preyer, mit der ich gleich verabredet bin, die ist Direktorin der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie und plastische Gesichtschirurgie. Und sie meinte, ich soll einfach zum HNO-Sekretariat kommen. Da laufen wir uns bestimmt über den Weg. So, ich bin jetzt im ersten Stock und hier müsste irgendwo Frau Preyer sein. Hallo, Frau Preyer. Hallo.
Prof. Dr. Serena Preyer: Hallo, Herr Hoffmann.
Martin Hoffmann: Frau Preyer, Was versteht man genau unter Tinnitus? Was ist Tinnitus?
Prof. Dr. Serena Preyer: Also bei Tinnitus, generell gesagt handelt es sich darum, dass jemand einen Ton oder ein Geräusch hört, den die Menschen, die um ihn herum sind, nicht wahrnehmen können. Und es kann entweder ein rein subjektives Ohrgeräusch sein oder es könnte auch mal ein objektiver Tinnitus sein. Ein objektiver Tinnitus könnte zum Beispiel klicken sein im Mittelohr oder Verspannung der Muskulatur. Und wenn man dann mit einem Ohrstethoskop in den Gehörgang geht, dann kann es auch der untersuchende Arzt zum Beispiel hören. Während bei dem subjektiven Tinnitus ist es nicht möglich für irgendjemanden das auch so zu hören wie der Betroffene.
Martin Hoffmann: Das heißt beim Subjektiven hört das wirklich nur die Person, die eben diesen Tinnitus hat. Und man kann dann theoretisch auch gar nicht nachweisen, dass man den hat, oder?
Prof. Dr. Serena Preyer: Genau. Also wir sind auf die Angaben des betroffenen Patienten angewiesen, dass er uns sagt, wie er den Tinnitus hört. Er beschreibt ihn uns, wir versuchen es zu simulieren bei einer Überprüfung. Und dann kann man relativ genau anhand der Hörprüfung dann wieder rückschließen, wie das klingt.
Martin Hoffmann: Jetzt bin ich bei der Recherche zu Tinnitus auch auf, ich sage es mal einen temporären Tinnitus gestoßen. Was ist das oder gibt es das überhaupt?
Prof. Dr. Serena Preyer: Tatsächlich haben viele Menschen das, dass sie plötzlich mal in irgendeiner Situation plötzlich ein Pfeifen im Ohr hören, dieses Pfeifen, geht dann kontinuierlich wieder zurück. Aber das hat keinen Krankheitswert, das darf man tatsächlich mal haben.
Martin Hoffmann: Welche Ursachen kann ein Tinnitus eigentlich haben?
Prof. Dr. Serena Preyer: Also das Innenohr hat keine Schmerzrezeptoren. Das heißt, das Innenohr kann jetzt, wenn es krank ist, nicht mit Schmerz reagieren. Und das Einzige, was das Ohr kann, ist eben hören. Und wenn jetzt das Ohr erkrankt ist, dann ist das sozusagen das Alarmsignal, das es aussendet und das ist ein Tinnitus oder ein Geräusch. Alle Erkrankungen, die das Innenohr betreffen, weniger das Mittelohr, Mittelohr manchmal auch, kann dann eben zu einem Ohrgeräusch führen. Also ein Hörsturz, Lärmtrauma, Knalltrauma, Verletzung des Ohres, eine Entzündung im Innenohr all das kann tatsächlich auch Tinnitus auslösen. Und es kann dann begleitet sein von einer Schwerhörigkeit. Aber es muss nicht obligat begleitet sein davon.
Martin Hoffmann: Wenn ich jetzt Probleme im Innenohr habe, dann zum Beispiel kommt es zu diesem Hörsturz und der Tinnitus ist dann die Folge davon.
Prof. Dr. Serena Preyer: Ja, sozusagen ein Begleitsymptom. Also so, wenn ich mein Knie verletze, dann habe ich ein geschwollenes Knie. Das tut weh, ja ist vielleicht auch rot. Das sind dann Begleitsymptome. Und die eigentliche Verletzung ist vielleicht ein Schaden am Meniskus. Und so muss man sich beim Innenohr auch vorstellen. Der eigentliche Schaden ist irgendeine Struktur im Innenohr. Das führt zu einer Hörminderung, aber dann als Begleitsymptom kommt es auch zu Tinnitus.
Martin Hoffmann: Wenn ich jetzt keine Schmerzrezeptoren im Innenohr habe, wie kann ich dann so was vorbeugen?
Prof. Dr. Serena Preyer: Also generell würde man immer empfehlen, dass man Situationen meidet, wo es zu gehörschädigendem Schall kommen kann. Also klassisch ist der Jäger, der auf seinem Hochstand schießen will. Der sollte natürlich Gehörschutz tragen. Die jungen Menschen, die in die Diskothek gehen, die sollten sich das überlegen oder vielleicht auch wirklich Gehörschutz in die Gehörgänge stecken, um sich vor dem gehörschädigenden Lärmpegel zu schützen.
Martin Hoffmann: Über welchen Lärmpegel sprechen wir denn da? Wie viel Dezibel sind es? Kann man das sagen, wie viel das ungefähr ist, ab wann es losgeht?
Prof. Dr. Serena Preyer: In der Industrie gelten ab 80 dba. Das ist ein bisschen anders gerechnet als jetzt an unserem Audiometer. Wenn man dem chronisch ausgesetzt ist ohne Gehörschutz, dann kommt es zu einer chronischen, sich entwickelnden Innenohrschwerhörigkeit und manchmal auch dann zu Tinnitus als Begleitsymptom.
Martin Hoffmann: Jetzt habe ich auch verschiedene, ich sage es mal Erfahrungsberichte gelesen. Da hieß es einmal Ist es so ein Rauschen, dann ist es so ein Piepton, dann ist es so ein Klicken, irgendwie so was. Das läuft alles unter Tinnitus, oder?
Prof. Dr. Serena Preyer: Also Tinnitus ist wie gesagt normalerweise erst mal ein Begleitsymptom. Und wenn Menschen zu mir in die Sprechstunde kommen und sagen, ich habe Tinnitus, dann meinen die aber in der Regel, sie haben ein Ohrgeräusch, das sich jetzt verselbstständigt hat. Das, obwohl es eigentlich ein Begleitsymptom vielleicht ursprünglich mal war, sich entwickelt hat zu dem vordergründigen und wichtigen Symptom, das jetzt den Menschen beeinträchtigt. Und oft sind bei diesen Menschen die Schwerhörigkeit gar nicht im Vordergrund, sondern eben dieses Ohrgeräusch, was sie jetzt stört, was an der Konzentration stört, das vielleicht beim Schlafen stört. Und dann wird Tinnitus an sich zu einem eigenen Krankheitsbild.
Martin Hoffmann: Welche psychischen Folgen können die Symptome für Betroffene haben?
Prof. Dr. Serena Preyer: Also wenn der Tinnitus akut ist, ist es oft so, dass die Menschen erst mal denken, also ich habe schon öfter von Patienten gehört, dass sie gedacht haben, die Heizung wär kaputt. Also so ungefähr muss sich das anhören. Und dann irgendwann verstehen sie natürlich schon, wenn andere das nicht hören können, dass es offensichtlich ihr eigenes Ohr ist, das den Ton produziert. Also da sind die meisten ja erst mal noch locker. Wenn die dann merken, das bleibt. Dann kann es eben sehr starke Ängste auslösen. Wir wissen heute, wenn solche Ängste entstehen, führt das letztlich dann zu einer Verstärkung des Tinnitus. Und da ist es dann wichtig, dass diese Menschen sich Hilfe suchen, eben zum Beispiel bei einem HNO-Arzt und dass man einfach mal drüber spricht, dass man analysiert, was ist eigentlich? Ist irgendwas Schlimmes zu finden, ein schlimmer Befund zu finden oder nicht? Und wenn man dann keinen findet, dann kann man zunächst mal den Betroffenen auch beruhigen. Also nichts Lebensbedrohliches. Und wenn man diese erste Angstphase überwunden hat als Patient, dann kann man in aller Regel auch ganz gut damit umgehen. Aber es gibt natürlich Tinnitus oder Geräusche, die sind so aufdringlich, dass mir dann eben auch Patienten schon erzählt haben, sie können eigentlich gar nicht mehr richtig arbeiten, weil sie in ihrer Konzentration gestört werden, sie bringen gar nichts mehr zustande. Oft haben sie nicht nur Tinnitus, sondern sind auch geräuschempfindlich. Das heißt, ich habe schon Eltern gehört, die gesagt haben, sie finden es unerträglich, wenn ihre Kinder fröhlich juchzen, weil das so unangenehm ist. Die ziehen sich dann zurück aus der Familiensituation. Möchten eigentlich am liebsten nur noch im stillen Kämmerchen sitzen und gar keine Kontakte mehr mit anderen Menschen haben, was natürlich wirklich schlimm ist. Daraus kann natürlich dann letztlich eine Depression resultieren. Und wenn dann Tinnitus so laut ist, dass man weder einschlafen kann, oder wenn man in der Nacht vom Tinnitus aufwacht und dann auch nicht wieder in den Schlaf findet, dann ist es so eine sich verstärkende Spirale. Die sind vielleicht schon depressiv, die haben schon Konzentrationsstörungen, jetzt können sie nachts auch nicht schlafen. Und der mangelnde Schlaf verstärkt natürlich all das auch noch mal wieder. Das heißt, am Ende sind sie dann wirklich nicht mehr lebensfähig, muss man sagen. Ja, dann muss man irgendwie mal irgendwie dazwischengehen zwischen diesen Teufelskreis und den Menschen helfen, dass sie da wieder rauskommen.
Martin Hoffmann: Wie kann man denn Tinnitus behandeln? Welche Methoden gibt es da?
Prof. Dr. Serena Preyer: Also gerade in der Anfangszeit ist es wichtig, dass man, ich sag meinen Patienten immer, sie sollen erst mal cool bleiben.
Martin Hoffmann: Was natürlich schwierig ist, weil diese ganzen Ängste und diese Spiralen, die Sie gerade beschrieben haben und dann cool bleiben, okay.
Prof. Dr. Serena Preyer: Also es ist extrem hilfreich und hilft beim cool bleiben, wenn man erst mal verstanden hat, dass es ja nix Schlimmes eigentlich ist. Und wenn dann klar ist, man muss jetzt nicht denken, man stirbt gleich oder es passiert irgendwas ganz Schlimmes, dann kann man sich ja auch ein bisschen entspannen und runterfahren. Dann ist wichtig, dass man guckt, dass man auch sich ein bisschen beobachtet. In welchen Situationen stört es mich jetzt sehr, in welche Situationen sind für mich angenehm und fahren das Geräusch runter? Das kriegen die Tinnitus Betroffenen eigentlich sehr schnell raus, was ihnen guttut und was nicht guttut. Da ist es dann sinnvoll, dass man natürlich diese wohltuenden Situationen aufsucht, aktiv. Medikamente helfen tatsächlich nicht. Also es gab jetzt eine neu rausgekommene Leitlinie, ich glaube, die ist jetzt zwei Jahre alt und da hat man auch noch mal die gesamte Literatur durchforstet. Und es gibt tatsächlich keine Medikamente, die man sinnvoll empfehlen kann. Wichtig ist sicher, dass Ohrgeräusche verstärkt werden von der Umgebung des Ohres. Das heißt, wenn Patienten dazu neigen, zum Beispiel in Stresssituationen sich zu verspannen, entweder zu knirschen oder auch Nackenmuskulatur Verspannungen zu haben, dann sollte man das angehen, weil bekannt ist, wenn man da wieder eine Entspannung herbeiführt, dass das auch die Lautstärke vom Tinnitus runter regulieren kann. Ich hatte zum Beispiel auch mal einen Patienten, der hatte zehn Jahre lang Tinnitus, irgendein lautes Pfeifen und dann war er bei einer Zahnbehandlung und dann war das Ohrgeräusch plötzlich weg. Der kam nun besorgt in meiner Sprechstunde, weil das Ohrgeräusch weg war. Der hatte sich da so dran gewöhnt und plötzlich war es nicht mehr da. Das hat ihn so irritiert, dass er gedacht hat, jetzt ist er tot. Also es kann tatsächlich zum Beispiel auch mit dem Kauapparat zusammenhängen mal und auch daran sollte man denken, dass man dann noch mal überprüft, den Biss überprüft, zum Zahnarzt geht oder vielleicht zum Kieferorthopäden und auch das noch mal kontrolliert. Der oberen Halswirbelsäule wird eine gewisse Einflussgröße zugeschrieben. Man weiß nicht ganz genau, wie das funktioniert. Bei Ratten gibt es tatsächlich Nervenfasern, die vom Halsmark hochziehen zum Hirnstamm, wo ja dann auch Regulationskreise zur Cochlea ziehen. Das weiß man aber nicht ganz genau, ist noch nicht wirklich geklärt. Aber es gibt viele Patienten, die erzählen, dass ihnen zum Beispiel nach einer Massage, dass es ihnen guttat oder umgekehrt, dass sie im Rahmen von einer Massage oder irgendwelchen Behandlungen an der Halswirbelsäule überhaupt erst Tinnitus bekommen haben. Also es geht in beiden Richtungen. Es muss irgendeine Verbindung geben.
Martin Hoffmann: Also ich höre es mal auch raus. Also Entspannung, wie Sie gesagt haben, ist auch ein großes Thema. Jetzt einfach was Verspannungen, Kiefer, Nacken Halswirbelsäule alles angeht, sollte man sich auf jeden Fall genauer mal anschauen, wenn man eben diese Tinnitus Geräusche irgendwie hört. Kann man Tinnitus vollständig behandeln?
Prof. Dr. Serena Preyer: Also am Anfang sind die Chancen sehr gut. Wenn Tinnitus neu auftritt, sind die Chancen zunächst mal sehr gut, dass das auch wieder weggeht. Wir hatten ja auch geredet über dieses kurzzeitige Ohrgeräusch. Je länger der Tinnitus dauert, desto unwahrscheinlicher wird es, dass er wieder von selber weggeht. Kann man eigentlich so als Faustregel sagen. Und wir wissen heute oder glauben heute, dass wenn jemand zum Beispiel ein Knalltrauma hatte, das ist zunächst einmal ja eigentlich ein Phänomen, wo das tatsächlich die Peripherie, also das Hörorgan selbst, das Ohr geschädigt wird. Da kann es dann zu einer Schwerhörigkeit kommen und Tinnitus und wir wissen aber, dieser Tinnitus wird dann immer mehr zentralisiert und ist letztlich dann abgebildet im Gehirn. Man hat früher tatsächlich bei so ganz dramatischen Fällen auch mal versucht, dann den Hörnerven zu durchtrennen. Auch bei Menschen sogar. Also irgendwelche ganz verzweifelten Patienten. Und macht es heute nicht mehr, weil wir gelernt haben, dass bei diesen Menschen dann die haben dann zwar den Hörnerven durchtrennt, aber die hatten dann trotzdem noch Tinnitus. Das ist natürlich total spannend, weil man damit gelernt hat, dass Tinnitus letztlich dann in den höheren Hörzentren tatsächlich generiert wird.
Martin Hoffmann: Wenn ich jetzt Tinnitus habe, gibt es irgendwelche Lebensgewohnheiten, gibt es Verhaltensweisen, die die Symptome noch mal mehr verschlimmern?
Prof. Dr. Serena Preyer: Also Schlafentzug ist schlecht, extrem stressige Tätigkeiten. Gibt ja so... Sagen wir mal der Manager Typ, der unter ständiger Anspannung ist, der glaubt, er muss 14 bis 16 bis 18 Stunden am Tag arbeiten. Das ist sicher nicht günstig.
Martin Hoffmann: Welche Tipps geben Sie denn Patienten und Patientinnen mit für den Alltag?
Prof. Dr. Serena Preyer: Also ein Trick ist tatsächlich, dass wenn externe Geräusche das Ohr beschäftigen, die Hörbahnen sich schwerer tun, diesen Tinnitus noch zu hören oder zu generieren, weil eben das Nervengewebe sich dann mit dem externen Schall beschäftigen muss und der Tinnitus dann ja übertönt wird, sozusagen. Aber tatsächlich, also elektrophysiologisch auch nicht mehr da ist. Und so kann man eigentlich empfehlen einfache Maßnahmen, dass man sich eine angenehme Geräuschkulisse schafft, eine Musik, die man angenehm findet. Im Sommer einfach das Fenster aufmachen, Straßenlärm rein lassen, Vögel zwitschern, Bäume rauschen. Was immer da gerade vom Fenster ist, all das beschäftigt die Hörbahnen. Ist jetzt eigentlich auch nichts Unnatürliches und ja eigentlich auch nichts Störendes und kann einem dann helfen, auch trotzdem zu entspannen, obwohl man diese Stille zunächst mal verloren hat.
Martin Hoffmann: Also Stille eher ausklammern, weil sonst der Tinnitus noch präsenter ist. Wie sieht es denn aus mit technischen Hilfsmitteln? Also zum Beispiel ganz klassisch Hörgeräte?
Prof. Dr. Serena Preyer: Wenn jetzt der Tinnitus vergesellschaftet ist mit einer Schwerhörigkeit, dann macht es absolut Sinn, Hörgeräte zu verordnen. Eben auch, um die externen äußeren Geräusche wieder besser an das Ohr und Gehirn heranzulassen. Wenn ich jetzt eine Schwierigkeit habe, ist ja meine Schwelle erhöht. Das heißt externe Geräusche kommen ja viel schlechter durch und können dann auch den Tinnitus schlechter übertönen. Von daher macht es Sinn, sich da mit Hörgeräten zu versorgen. Und es gibt auch sogenannte Tinnitusinstrumente, die man mit dem Hörgerät zusammen kaufen kann, sozusagen. Und dann kann eben über dieses Hörgerät auch noch was eingespielt werden in das Ohr wie ein Geräusch oder wie Musik oder irgendwas.
Martin Hoffmann: Also was ich in meinem Wohnzimmer dann machen würde, wenn ich jetzt nach Hause komme nach einem stressigen Tag.
Prof. Dr. Serena Preyer: Richtig. Und so nehme ich dann dieses Rauschen mit im Hörgerät und kann das abspielen und damit das Ohrgeräusch übertönen. Und das kann man dann so einstellen, dass das auch das Frequenzband abdeckt, an dem der Tinnitus ist.
Martin Hoffmann: Jetzt geht ja die medizinische Entwicklung, die medizinische Forschung, da tut sich ja einiges. Also wenn man sich jetzt mal die letzten Jahre anschaut, wo wir uns hin entwickelt haben, wo wir jetzt gerade schon stehen, unglaublich beeindruckend. Wie würden Sie denn sagen, lassen Sie uns einfach mal die nächsten 5 bis 10 Jahre einfach mal vorausschauen, wie optimistisch sind Sie denn, dass in zehn Jahren vielleicht Tinnitus kein Thema mehr für uns ist?
Prof. Dr. Serena Preyer: Bin ich jetzt nicht so optimistisch. Tut mir leid. Erst mal verstehen wir die Vorgänge, die in der zentralen Hörbahn passieren bei der Entstehung von Tinnitus. Wir verstehen jetzt schon ganz schön viel, aber wir verstehen vieles auch noch nicht. Und das menschliche Gehirn ist einfach wirklich komplex und von daher kann ich jetzt nicht erkennen, dass man da geschwind mit irgendwas Schlauem da so einfach eingreift und jetzt da einen Unterbrecher einbaut für den Tinnitus, halte ich für schwierig.
Martin Hoffmann: Ich wollte eher so ein bisschen optimistisch sein, dass wir vielleicht in ein paar Jahren da irgendwie besser rausgehen. Aber wer weiß, vielleicht tut sich ja doch noch was.
Prof. Dr. Serena Preyer: Also was man sagen muss ist, dass man letztlich eigentlich fast jedem Tinnitus-Patienten helfen kann. Wenn jemand wirklich verzweifelt ist, dann kann er in eine psychosomatische Klinik gehen, mal für drei oder vier Wochen und wird dann begleitet von Psychologen, von Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Musiktherapeuten. Und man kann tatsächlich lernen über Aufmerksamkeitsumlenkung, den Fokus des Gehirns wegzulenken von dem Tinnitus, sodass man wieder besser sich auch fokussieren kann auf die Dinge, die man eigentlich tun möchte im Leben. Und das ist möglich. Es ist kein einfacher Weg, aber mit der Hilfe von Fachpersonal schafft man das. Und gerade eben, wenn man wirklich schwer erkrankt ist an Tinnitus, findet man da Hilfe. Also man muss nicht verzweifeln.
Martin Hoffmann: Also hilft mir mein Optimismus doch noch zu behalten. Jeder kann irgendwie Hilfe finden. Aber wie Sie auch sagen, es bedeutet einiges an Engagement. Man muss da wirklich auch Arbeit reinstecken. Frau Professorin Preyer, vielen, vielen Dank. Sehr, sehr spannend. Danke Ihnen. Tinnitus Symptome lassen sich auf jeden Fall behandeln und es gibt auch sehr viele gut funktionierende technische Hilfsmittel. Dann gibt es aber auch besonders schwere Fälle und da ist eine Therapie in einer psychosomatischen Klinik auf jeden Fall denkbar. Damit ihr wisst, was Tinnitus Betroffene durchgängig hören, spielen wir euch jetzt hier mal einen kurzen Ton ein. Und wer den Podcast mit Kopfhörern hört, der sollte die Lautstärke definitiv anpassen, denn es kann jetzt ziemlich unangenehm werden. Ich mache mir gar nicht vorstellen, wie es ist, mit einem permanenten Ton im Ohr leben zu müssen. Ich glaube, das ist wirklich sehr, sehr heftig. Ich bin gespannt, welchen Weg Karl Rapp eingeschlagen hat. Er leidet ja seit 2019 an Tinnitus. Hallo Herr Rapp! Warten Sie, ich komme mal ganz kurz über die Straße rüber zu Ihnen.
Karl Rapp: Guten Morgen, Herr Hoffmann.
Martin Hoffmann: Guten Morgen. Hallo, schön, dass Sie Zeit haben.
Karl Rapp: Ja, die Zeit nehme ich mir.
Martin Hoffmann: Herr Rapp: was würden Sie denn sagen? Wie geht's Ihnen jetzt gerade mit dem Tinnitus?
Karl Rapp: Ich kann damit leben. Beziehungsweise ich habe mich damit abgefunden und habe Lösungen, das zu akzeptieren.
Martin Hoffmann: Also abgefunden damit und "Ich habe es akzeptiert": So richtig gut klingt es nicht, muss ich sagen.
Karl Rapp: Ja, ich bin immer noch am suchen, was kann man machen, dass es doch noch besser wird. Weil manchmal ist der Tinnitus halt doch wieder störend. Aber sonst im Allgemeinen finde ich mich zurecht, weil ich habe halt die Möglichkeit über das Hörgerät das zu überspielen.
Martin Hoffmann: Würden Sie mal beschreiben, wie das für Sie ist? Ist es, Ist es permanent da oder wie fühlt sich das an?
Karl Rapp: Momentan ist es wieder permanent. Seit einige Wochen schon wieder verstärkt und entweder ist es ein Rauschen oder ein Pfeifton. Und auf die Dauer ist es sehr unangenehm.
Martin Hoffmann: Seit wann haben Sie denn den Tinnitus?
Karl Rapp: Seit 2019.
Martin Hoffmann: Wie kam es dazu? Wissen Sie das?
Karl Rapp: Das kam durch einen Hörsturz. Da ist ein Hörsturz vorausgegangen. Und der Tinnitus ist dann geblieben und das hat man dann mit Cortison Tabletten behandelt. Hat aber damals zu keinem Erfolg geführt, sondern der Nachteil war, oder die Nebenwirkung, dass mein Diabetes, die Zuckerwerte in die Höhe schnellten.
Martin Hoffmann: Noch mal kurz über den über den Hörsturz zu sprechen. Wie ist das passiert?
Karl Rapp: Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Auf jeden Fall, das war ein Rausch, beziehungsweise hab ich fast nichts mehr gehört. Beziehungsweise das ist, klingt alles ganz hohl. Und dann war ich beim Arzt und der sagte Hörsturz.
Martin Hoffmann: Und wie kam es dann vom Hörsturz zu der Diagnose Tinnitus?
Karl Rapp: Der Tinnitus war eigentlich gleich die Begleiterscheinung, aber nur überwiegend auf dem rechten Ohr. Und das ist dann geblieben. Es hat sich dann etwas gebessert. Aber dann habe ich zwei Jahre später nochmal einen Hörsturz und wieder den Tinnitus, also wieder verstärkt. Der war noch stärker, nach zwei Jahren und das hat man wieder mit Cortison behandelt, hat aber zu keinem Erfolg geführt. Dann gibt es noch Methode mit Spritzen beim HNO und dann kriegt man eine Spritze ins Ohr das Trommelfell. Dann muss sich dort hinlegen, 20 Minuten und die Kosten muss man selber tragen, das wird nicht von der Krankenkasse übernommen. Aber war wieder ohne Erfolg.
Martin Hoffmann: Es hat nicht mal was gebracht.
Karl Rapp: Nein.
Martin Hoffmann: Hatten sie, als der Tinnitus zum ersten Mal dann aufgetreten ist, Sie sagen als Begleiterscheinung, hatten Sie da die Hoffnung, dass das wieder weggehen könnte?
Karl Rapp: Ich hatte die Hoffnung. Ich habe die Hoffnung auch noch nicht aufgegeben. Aber das gibt es nicht. der Tinnitus bleibt. Er wird zwar schwächer oder vielleicht mal fast weg, aber ganz weg wird er nie gehen.
Martin Hoffmann: Jetzt haben sie gesagt, sie haben gelernt, damit zu leben, damit irgendwie umzugehen. Wie beeinträchtigt denn der Tinnitus Ihre Lebensqualität?
Karl Rapp: Beeinträchtigen weniger, das ist halt störend, wenn Sie morgens aufwachen und das Ohr pfeift schon wieder, das ist schon störend. Aber sonst vom Alltag... Ich kann meine Tätigkeit nachgehen. Also von dem her ist es nicht beeinträchtigt. Aber wenn es jemand im Berufsleben ist, könnte ich mir vorstellen, dass er sehr beeinträchtigt wäre.
Martin Hoffmann: Aber ich meine, es ist ja nicht nur Berufsleben, also auch Privatleben. Ich kann mir vorstellen, in dem Alltag ganz normal, Sie lesen ein Buch, Sie sind spazieren, Sie gehen einkaufen, Sie gucken Fernsehen, Sie machen irgendwas und dann immer dieses Geräusch zu haben.
Karl Rapp: Das ist aber das Schöne bei den Hörgeräten. Da hat der Hörakkustiker ein Programm eingestellt, das ist dann so wie ein Glockenspiel, das kann ich einstellen und dann übertönt das den Tinnitus.
Martin Hoffmann: Das heißt, Sie haben dann dieses Glockenspiel so ein bisschen im Ohr?
Karl Rapp: Genau, und das lenkt dann wieder ab vom vom Tinnitus.
Martin Hoffmann: Gibt es denn irgendwelche Faktoren, wo Sie dann sagen können okay, dann verstärken sich die Symptome noch mal, also dann wird es zum Beispiel lauter oder wird es aggressiver oder so was?
Karl Rapp: Hmm könnte ich jetzt nicht sagen... Doch Schreckmomente, da kann es passieren, dass es mal lauter wird. Aber ansonsten? Außer Sie sind in einer lauten Umgebung. Also wenn mit der Bohrmaschine oder so Bohrhämmern oder so gearbeitet wird, das könnte dann schon sein, dass es dann lauter wird. Und darum soll ich auch, wenn ich was mit der Bohrmaschine oder so mache, immer einen Gehörschutz tragen und das mache ich auch.
Martin Hoffmann: Das heißt, es geht dann kurzzeitig nach oben und geht dann auch wieder runter?
Karl Rapp: Ja.
Martin Hoffmann: Jetzt haben Sie vorhin schon gesagt, was Sie schon ausprobiert haben, also Cortison, dann Spritzen durchs Trommelfell durch. Welche Therapien gibt es denn da irgendwie, die Sie auch für sich schon probiert haben? Sie sagen, Sie sind noch immer auf der Suche nach etwas, was irgendwie funktioniert.
Karl Rapp: Ja, da gibts Physiotherapie also so eine Art Massage, wo man den Halswirbel etwas entspannt, weil das kommt oft von der Verspannung der Nackenmuskulatur, da kann es auch herkommen, bzw. führt auch gern zum Tinnitus. Und diese Methode, die hilft zwar, die Physiotherapie, aber wird von den Ärzten sehr ungern verordnet.
Martin Hoffmann: Haben Sie da eine Idee, warum das so sein könnte, wenn es doch hilft?
Karl Rapp: Ich denke, es hängt mit dem Budget vom Arzt zusammen.
Martin Hoffmann: Also, Sie haben gesagt, Jetzt Cortison, dann Physiotherapie. Was ist sie noch über... Ich meine, jetzt seit 2019 ist das auch schon einige Jahre her. Her.
Karl Rapp: Also der HNO-Arzt hat auch schon durchblutungsfördernde Mittel verordnet, also sprich Tabletten. Aber kein Wert. Und dann gibt es homöopathische Mittel - habe ich auch schon ausprobiert, ist rausgeschmissenes Geld.
Martin Hoffmann: Okay. Also hat bei ihnen gar nicht funktioniert, so was?
Karl Rapp: Nein. Die einzige Möglichkeit, die ich jetzt noch habe, ist ein Chiropraktiker.
Martin Hoffmann: Was würde der machen?
Karl Rapp: Der röntgt den ganzen Körper, oder schaut, wie der ganze Körper ist, ob da irgendwo was verspannt ist oder in Knorpel draußen ist, oder... ich weiß nicht was er genau macht. Auf jeden Fall mache ich das jetzt noch. Das ist jetzt meine letzte Hoffnung. Aber das muss man auch selber bezahlen, zahlt die Krankenkasse nicht?
Martin Hoffmann: Okay. Ähm, das klingt schon so ein bisschen, als wenn Sie sich das auch mit abgefunden haben. Also sagen, es wird so sein und da wird es nicht besser werden. Vielleicht mal ein bisschen so was durch Chiropraktiker.
Karl Rapp: Man muss sich damit abfinden. Weil jeder... Der Arzt, Hausarzt, Facharzt, jeder sagt, man muss damit leben. Es gibt kein Medikament.
Martin Hoffmann: Wie frustrierend ist es denn sowas? Wenn man das jetzt so mitkriegt? Also es gibt ja... also Medizin entwickelt sich ja so rapide weiter und es gibt neue Medikamente hier und da wird entwickelt und da werden wieder Budgets reingesteckt. Wie geht's Ihnen damit?
Karl Rapp: Wenn man das das erste Mal hört, da gibt es nichts, da kann man nichts machen, das ist sehr frustrierend. Und dann informiert man sich halt über Internet oder Zeitschrift oder so überall, was könnte man noch machen? Ich habe auch gute Bekannte, die hat auch Tinnitus. Allerdings ist sie noch schlimmer dran als ich. Die kann oft nächtelang nicht schlafen.
Martin Hoffmann: Das heißt, schlimmer dran ist es dann ein...
Karl Rapp: ...stärker.
Martin Hoffmann: Stärker noch ein wenig...
Karl Rapp: Stärker, aber bei ihr war es dann mit Sicherheit noch durch Corona bedingt.
Martin Hoffmann: Also da kommen dann auch viele Sachen zusammen.
Karl Rapp: Und mit ihr tausche ich mich immer wieder aus. Und eigentlich kann ich sie aufmuntern, wenn sie mir ihr Leid klagt.
Martin Hoffmann: Wie wichtig ist es für Sie, dass Sie mit jemandem sprechen können, der oder die das Gleiche durchlebt wie Sie auch?
Karl Rapp: Das ist sehr wichtig, weil da kriegt man auch wieder Erfahrungen von von anderen, wie andere mit dem Elend umgehen.
Martin Hoffmann: Was haben Sie denn da für sich mal mitgenommen? Also welche, welche Strategien, um so die Symptome so ein bisschen vielleicht auch zu lindern? Was wird Ihnen da empfohlen? Oder was machen andere?
Karl Rapp: Musik hören könnte man zum Beispiel oder wie gesagt durch meine Hörgeräte durch das Glockenspiel. Ich habe auf meinem Smartphone habe ich auch noch ein für Programm und da kann ich verschiedene Töne ablaufen lassen. Vogelgezwitscher und so weiter und so fort.
Martin Hoffmann: Ist es dann mit den Hörgeräten gekoppelt oder wie muss ich mir das vorstellen?
Karl Rapp: Ja, das gekoppelt mit dem Hörgerät.
Martin Hoffmann: Und so Vogelgezwitscher und so was. Das heißt auch draußen in der Natur sein. Solche Geräusche, das empfinden Sie dann auch mehr als angenehm?
Karl Rapp: Ja, das ist dann wieder beruhigend und dann kann man das wieder vergessen, das Ohrgeräusch.
Martin Hoffmann: Aber Sie können es tatsächlich auch vergessen. Das heißt, es gibt Momente, wo Sie es komplett auch ausblenden können?
Karl Rapp: Ja.
Martin Hoffmann: Und wie lange hält es dann an? Also wie lange halten solche Momente an?
Karl Rapp: Oh, das ist unterschiedlich. Manchmal hält es Tage lang an und dann durch irgendein Ereignis, ich weiß aber nicht, warum, kann es sein, dass der Tinnitus oder das Ohrgeräusch wieder extrem laut wird.
Martin Hoffmann: Ich muss sagen, ich tue mir wirklich schwer, mir vorzustellen, wie das ist. Gerade wenn sie dann das mal geschafft haben, ein paar Tage, dass es nicht mehr so präsent ist und auf einmal ist es wieder da. Ich glaube, ich würde in so ein Loch irgendwie reinfallen. Wie gehen Sie damit um?
Karl Rapp: Im Moment ist es für mich auch wieder frustrierend. Aber ich weiß dann wieder, was ich machen kann, damit ich das überspielen kann.
Martin Hoffmann: In den letzten Jahren, was würden Sie sagen? Welche Auswirkungen hatte oder hat der Tinnitus auf Ihre Psyche? Was hat es mit Ihnen gemacht?
Karl Rapp: Es hat mich schon etwas verändert. Die Stimmung ist halt manchmal gedrückt durch den Tinnitus. Ist jetzt besser, aber am Anfang war es natürlich sehr, sehr schlimm.
Martin Hoffmann: Und auch jetzt, ich sage es mal, es ist wahrscheinlich auch schwierig mit Ihrer Frau, ich sage es mal Partnerschaft. Wenn jemand dann so was hat oder wenn Sie so was haben wie wie gehen Sie damit um?
Karl Rapp: Die können einem nicht helfen. Die können einen vielleicht beruhigen, aber direkt helfen können Sie nicht. Und was ich schon mal im Interview gesagt habe: da wird In überall geforscht wird Satellit ins Weltall geschickt, wird unter künstlicher Intelligenz geforscht. Aber Tinnitus bleibt nach wie vor ein großes Rätsel für mich oder für die Betroffenen. Oder für viele Betroffene. Weil man hört eigentlich nicht, dass da irgendwie was erforscht wird, wegen Tinnitus.
Martin Hoffmann: Wie optimistisch sind Sie denn, dass es da in den nächsten Jahren vielleicht doch noch was geben könnte, von dem Sie noch profitieren, wo Sie dann sagen okay, es wird signifikant besser werden. Und zwar nicht über, ich sag jetzt mal Hörgeräte, die eine Melodie einspielen, sondern dass es wirklich weg ist, dass sie komplett ohne Hilfsmittel oder ohne fremdgesteuerte Mittel sagen, okay, das Geräusch ist weg und ich habe wieder diese Ruhe.
Karl Rapp: Ich kann es nicht glauben, dass es da irgendwann mal eine Lösung gibt.
Martin Hoffmann: Jetzt ist es ja so, dass den Podcast auch viele hören, die jetzt ganz neu mit dem Thema gerade konfrontiert werden, die vielleicht auch jetzt gerade erst ihre Diagnose Tinnitus bekommen haben. Was würden Sie denn solchen Leuten raten, wie die jetzt weitermachen sollen?
Karl Rapp: Auf jeden Fall beim Arzt darauf drängen, dass sie Physiotherapie bekommen und alles andere mit Medikamenten können sie vergessen. Das sollen sie vergessen, weil das ist rausgeschmissenes Geld.
Martin Hoffmann: Ich meine, vielleicht gibt es welche, bei denen es vielleicht anschlägt, bei denen es irgendwie funktioniert. Bei Ihnen hat es jetzt nicht funktioniert.
Karl Rapp: Das ist vielleicht möglich, dass es bei anderen funktioniert.
Martin Hoffmann: Also ich wünsche Ihnen auf jeden Fall, dass das funktioniert mit dem Chiropraktiker, dass es da ein bisschen besser wird. Herr Rapp, vielen, vielen Dank für das Gespräch. Danke Ihnen.
Karl Rapp: Danke auch.
Martin Hoffmann: Aufklärung über Tinnitus ist wirklich essenziell. So lassen sich viele Ängste abbauen und Ängste verschlimmern nur noch mal die Tinnitus Symptome. Entspannung hilft sehr, so wie Serena Preyer gesagt hat. Positiv nehme ich mit, dass wirklich allen geholfen werden kann und sich so Symptome auch lindern lassen. Leider gibt es immer noch keine vollständige Heilung. Überrascht hat mich wie so oft, dass wir eigentlich noch sehr wenig über die richtigen Ursachen wissen. Welche Erfahrung habt ihr denn schon mit Tinnitus gemacht? Geht es euch da ähnlich wie Karl Rapp? Schreibt es gerne mal in die Kommentare. Mehr zu Serena Preyer und ViDia-Kliniken findet ihr in den Shownotes. Und hier gibt es auch noch mal viele Infos zu den angesprochenen Therapiemöglichkeiten und Hilfestellungen, zum Beispiel von der Deutschen Tinnitus-LIGA und der Patienten Leitlinie Tinnitus. Wenn ihr Themenvorschläge und Anregungen habt, immer gerne her damit. Am einfachsten geht das über unser Instagram Profil @gesundnah. Und natürlich freuen wir uns auch über eine fünf Sterne Bewertung - ihr wisst, wie das läuft. Wenn ihr keine Folge mehr verpassen wollt, dann am besten einfach den Podcast abonnieren. Bis zum nächsten Mal. Ich bin Martin Hoffmann. Wir hören uns.
Outro: GESUNDNAH - der Gesundheits-Podcast der AOK Baden-Württemberg.
Annette
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