#19 Aufrecht durchs Leben mit einem gesunden Rücken

Shownotes

Rückenschmerzen sind weit verbreitet. Manchmal dauern sie nur ein paar Tage, oft aber sind die Schmerzen chronisch. In dieser Folge spricht Moderator Martin Hoffmann mit Sportwissenschaftler Prof. Dr. Gerhard Müller darüber, wie Rückenschmerzen entstehen, welche Rolle die Psyche dabei spielen kann und wie das AOK-RückenKonzept funktioniert. Sporttherapeut David Buchmüller gibt Martin Einblicke in seine tägliche Arbeit im Rückenzentrum und verrät, wie man im Alltag seinen Rücken durch einfache Bewegungen stärken kann.

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Intro: Unterwegs für die Gesundheit. GESUNDNAH - der Podcast der AOK Baden-Württemberg.

Martin Hoffmann: Rückenschmerzen: wenn ich nur daran denke, kriege ich fast ein Schweißausbruch. Ich kenne das Gefühl nämlich nur zu gut. Ich hatte echt lange Schmerzen im Rücken, vor allem im unteren Bereich. Da hat sich die Muskulatur so richtig verkrampft und das hat dann in den ganzen Körper ausgestrahlt. Bei mir kam es wahrscheinlich vom vielen Sitzen und auch vom falschen Sitzen. Mit der Diagnose Rücken bin ich natürlich nicht alleine. Auch wenn's das kein bisschen besser macht. Geteiltes Leid usw. Nee, nee, das passt an der Stelle definitiv nicht. Denn fast 1/3 aller Menschen in Deutschland leiden an Rückenschmerzen, bei 15 % sind die Schmerzen chronisch. Ich bin Martin Hoffmann und wir kümmern uns heute schwerpunktmäßig um den Rücken. Wie können wir die Muskulatur stärken? Wie lassen sich Schmerzen verhindern? Und was kann ich tun, wenn ich Beschwerden habe? Und was mache ich, wenn die auch noch chronisch sind? Mein Rücken ist wieder ganz okay, würde ich mal sagen. Ab und an schießt es trotzdem noch mal so rein und ich weiß ganz ehrlich nicht warum. Deswegen treffe ich mich mit Professor Dr. Gerhard Müller. Er ist Sportwissenschaftler und forscht seit längerem zu Fragen der Effektivität und Effizienz von Präventionsmaßnahmen im Bereich der Rückengesundheit. Außerdem arbeitet er in den Geschäftsbereichen Vorsorge und Prävention und Medizin der AOK Baden-Württemberg an der Weiterentwicklung der Prävention. Er will mir erklären, welche Ursachen Rückenschmerzen haben können und welche Rolle die Psyche dabei spielt. Danach bin ich mit David Buchmüller verabredet. Er ist Sporttherapeut und arbeitet in einem Rückenzentrum. Mit dem will ich verschiedene Übungen besprechen, die sich gut in den Alltag integrieren lassen. Aber auch über Fehler, die häufig gemacht werden, gerade wenn die Leute allein trainieren. Denn dann wird es oft schlimmer mit den Schmerzen und das kenne ich leider auch nur zu gut. Ich bin gerade in Plankstadt angekommen, das ist südlich von Heidelberg. Ich bin jetzt hier in einem Wohngebiet und bin jetzt hier gleich mit Professor Dr. Müller verabredet. Mal gucken. Hier ist die Klingel. So. Herr Müller. Hallo.

Prof. Dr. Gerhard Müller: Hallo, Herr Hoffmann. Kommen Sie rein.

Martin Hoffmann: Herr Müller, was würden Sie sagen? Warum leiden so viele Menschen an Rückenschmerzen? Aus Ihrer Erfahrung, was sind da die Gründe dafür?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Das ist eine schwierige Frage. Wenn Sie überlegen, wenn Sie heute 1000 Menschen anrufen würden, dann haben 400 von denen Rückenschmerzen und 2/3 haben, irgendwann im Laufe eines Jahres Rückenschmerzen. Und bei der überwiegenden Anzahl der Rückenschmerzfälle wissen wir auch nicht genau, warum sie Rückenschmerzen haben. Das kann Stress bei der Arbeit sein, das kann eine ungünstige Arbeitshaltung am Arbeitsplatz sein, das kann und das ist der stärkste Prädiktor, wenn Sie vorher schon Rückenschmerzen gehabt haben, das wiederum Rückenschmerzen bekommen. Also bei diesen unspezifischen Rückenschmerzen wissen wir alle nicht so ganz genau, warum die Menschen jetzt Rückenschmerzen haben.

Martin Hoffmann: Gibt es so was, wo man sagen könnte, okay, das haben die vielleicht alle gemein. Also arbeiten da viele am Schreibtisch, bewegen die sich vielleicht alle weniger, als sie eigentlich sollten, oder?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Auch das ist wiederum verrückt. Wenn Sie sich anschauen, Sie sehen das über alle Schichten. Sie sehen das über alle Altersgruppen. Sehen Sie, dass wirklich ein sehr, sehr hoher Prozentsatz Rückenschmerzen hat. Was man sagen kann, ist diejenigen, die sich viel zu wenig bewegen, also unter einer Stunde pro Woche körperlich aktiv sind, also Spazierengehen oder im Sportstudio trainieren, die haben eine höhere Wahrscheinlichkeit Rückenschmerzen zu bekommen und die, die sich viel mehr als zweieinhalb Stunden pro Woche bewegen, körperlich aktiv sind, die haben auch eine höhere Wahrscheinlichkeit Rückenschmerzen zu bekommen. Das Entscheidende ist, wie man mit den Rückenschmerzen umgeht. Und wenn sie katastrophisieren, das heißt, dass sie sofort oder relativ schnell in Panik geraten, weil Sie diesen Rückenschmerz haben und sich schonen, dann kann so eine Abwärtsspirale, ein Teufelskreis beginnen. Schonen bedeutet Inaktivität bedeutet Muskelabbau, bedeutet, dass die Schmerzwahrnehmung noch stärker wird und sie letztendlich dadurch, dass Sie sich zurückziehen auch sich eine Depressivität ausbilden kann. Und dann sind sie im Teufelskreis drin. Das heißt also, wenn es gut läuft, geht man damit relativ entspannt um, sagt sich das haben eigentlich fast alle und es geht wieder weg. Wenn es schlecht läuft, es sehr lange anhält, dann müssen natürlich zum Arzt gehen und vor allem, wenn es chronisch wird, also länger als zwölf Wochen, dann müssen Sie schauen, woran es liegt. Liegt es am Arbeitsplatz, am Stress dort? Liegt's an der ungünstigen Haltung bei der Arbeit. Liegt's vielleicht am Übergewicht. Also es gibt sehr, sehr viele Gründe, warum man Rückenschmerzen haben kann. Und die genauen Ursachen sind zumindest beim unspezifischen Rückenschmerz völlig unklar.

Martin Hoffmann: Jetzt haben Sie gerade gesagt, so eine Stunde bis 2,5 Stunden, habe ich jetzt mal raus gehört, ist wahrscheinlich so das Optimale an Bewegung. Noch mal kurz: Über was für eine Art von Bewegung sprechen wir da? Also ist es wirklich Spazierengehen schon oder ist das wirklich Sport? Schweißtreibend, wo ich das Ich wirklich eineinhalb Stunden oder einer bis zu einer Art machen muss?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Und auch das ist relativ verrückt. Also normalerweise denkt man ja, wenn man neuromuskulär was tun will, dass man die Wirbelsäule stabilisierende Muskulatur aufbaut. Aber wir können heute gar nicht genau sagen, welche körperliche Aktivität am besten ist bei Rückenschmerzen. Deswegen muss man immer genau schauen, was Ihnen liegen würde, wo sie sagen das mache ich gerne. Und dann kann Spazierengehen nach der aktuellen Forschungslage genauso gut sein wie ein spezifisches Training zur Stärkung der Wirbelsäulen stabilisierenden Muskulatur. In unseren Studien hat sich gezeigt, dass es tatsächlich sinnvoll ist, die Wirbelsäule stabilisierende Muskulatur aufzubauen und zu stärken, das es sinnvoll ist. Aber der Forschungsstand ist so immer mit demjenigen, der Rückenschmerzen hat, sprechen, was ihm liegt, dass er in die Aktivität reinkommt.

Martin Hoffmann: Hat sie das vielleicht selbst auch überrascht? Also mich überrascht es total. Ich hätte gedacht, wir müssen für ein bisschen viel, viel mehr machen, weil also eine Stunde bis zweieinhalb pro Woche, das ist eigentlich nicht viel.

Prof. Dr. Gerhard Müller: Ja gut, also mit moderat, das bedeutet schon jetzt mit dem Hund Gassi gehen ist dann schon ein bisschen zu wenig. Das bedeutet schon moderate Aktivität, dass Sie ja sich noch unterhalten können bei der Aktivität. Es ist flottes Gehen, aber es ist tatsächlich so es kann eigentlich niemand wirklich Ihnen ganz genau sagen, mit welcher Intensität Sie welche Muskeln ansteuern sollen und und und. Ich selber glaube schon, dass es sinnvoll ist, um über die Wirbelsäulen stabilisierende Muskulatur zu gehen und es auch sinnvoll halte, dass der Widerstand oder die Belastung immer stärker wird. Weil Sie müssen sich das so vorstellen, wenn Sie eine Konditionierung haben zwischen Bewegung und Schmerz, wenn Sie immer, wenn Sie sich bewegen, Schmerzen empfinden, dann ist es letztlich so, dass Sie durch das Training ja immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass es da keine Verbindung zwischen diesen beiden Situationen gibt. Und dann ist es natürlich sinnvoll, dass Sie immer mehr die Erfahrung machen, dass Sie auch bei hohen Widerständen, bei hohen Belastungen keine Schmerzen haben. Dann kriegen sie diese ungünstige Interaktion, diese ungünstige Konditionierung kriegen sie nach und nach weg. Aber das ist dann gegeben, wenn jemand sozusagen schon Furcht vor Bewegung hat, weil er immer wieder Schmerzen empfindet.

Martin Hoffmann: Welche Rolle hat denn die Psyche bei Rückenschmerzen?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Das eine ist, wir wissen, dass Depressionen, dass psychische Belastung letztendlich die Wahrscheinlichkeit vom Rückenschmerz erhöhen und umgekehrt. Wenn Sie Rückenschmerzen haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie eine Depression bekommen, höher. Es geht in beide Richtungen. Und die Psyche ist insofern wichtig, wie es vorhin auch schon gesagt hat, wie sie mit dem Schmerz umgehen. Also wenn Sie einen Schmerz günstig verarbeiten, als etwas relativ Normales wahrnehmen, das ist ja eigentlich schon ein Signal des Körpers, dass man vorsichtig sein soll. Aber letztlich, beim Rückenschmerz darf man diese Signale nicht überbewerten. Man darf sie auch nicht wegdrücken. Das ist auch nicht richtig, aber ein relativ entspanntes Verhältnis dazu ist an der Stelle eigentlich am besten, weil in dem Augenblick, wo Sie sich dann anfangen zu schonen, dann kommen sie in diese Abwärtsspirale Muskelabbau, verstärkte Wahrnehmung von Schmerz. Und dann wird es immer schwieriger. Und dann haben Sie irgendwann auch tatsächlich funktionale Einbußen bei der Arbeit, im Beruf, in der Freizeit. Dann wird es problematisch, wenn Sie Schwierigkeiten haben, zur Arbeit zu gehen, sich nicht mehr raus getrauen, Sie auch nicht in der Lage sind, ihren normalen Alltag zu bewältigen, dann brauchen Sie auf alle Fälle Hilfe und dann brauchen Sie einen guten Arzt und Unterstützung.

Martin Hoffmann: Jetzt ist das Schmerzempfinden aber total unterschiedlich. Also ich finde vielleicht Sachen schmerzvoller als Sie und vielleicht irgendwelche anderen Personen. Wie kann man das den Leuten sagen? Also gibt es da irgendwie so ein Hilfsmittel, was man denen vielleicht mit an die Hand geben kann, dass man jetzt nicht wegen jedem ich sag jetzt mal kleineren Schmerz sofort zum Arzt rennt, sondern wie Sie gesagt haben. Also manche Sachen sind auch okay. Wie kann man das machen?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Das ist glaube ich wirklich schwierig, weil derjenige, der den Schmerz in dem Augenblick so empfindet, dem zu sagen, es ist eigentlich nicht so, aber vielleicht, wenn das mehrfach vorgekommen ist und immer wieder beim Arzt war und eigentlich feststellt nach drei, vier Tagen ist es wieder weg, dann sich einfach sozusagen das selber vielleicht mal aufzuschreiben: ich hatte Schmerzen, nach einer Woche war es wieder weg. Sich selber verdeutlichen, dass es eigentlich gar nicht so schlimm ist. Ich glaube, das wäre eine Möglichkeit, ein Feedback sich selber sozusagen zu spiegeln, dass die Probleme dann doch nicht so groß sind.

Martin Hoffmann: Was genau verursacht denn eigentlich den Schmerz? Also sind das jetzt Bänder? Sind es Muskeln? Sind es Faszien? Kann man das eigentlich so sagen, oder...?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Nein, Also das Verrückte ist ja, dass normalerweise man von Mikrotraumen ausgeht an Sehnenmuskulatur und -bändern und dass das Schmerzempfinden aber häufig deutlich länger anhält als dieses physiologische Geschehen des Mikrotraumes. Das Mikrotrauma ist schon längst abgeklungen und trotzdem wird wegen dieser Konditionierung der Schmerz noch empfunden und das ist schon eine ziemlich verrückte Angelegenheit. Es gibt physiologisch in dem Augenblick eigentlich vermutlich gar nichts mehr, was den Schmerz auslösen könnte, aber sie empfinden den Schmerz noch.

Martin Hoffmann: Wenn ich mich jetzt dafür entscheide, ich muss möchte mich mehr bewegen. Ich möchte aktiv irgendwie meine Rückenmuskulatur stärken. Ich möchte da was tun. Wo kriege ich denn da Hilfe? Wo kriegt denn da Anleitungen, wie ich das richtig mache?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Gut, da fragen Sie den richtigen, weil bei der AOK Baden-Württemberg beispielsweise, klar, gibt es das AOK-Rückenkonzept. Da wird im Prinzip die gesamte Wirbelsäule stabilisierende Muskulatur gedehnt, muskuläre Dysbalance werden abgebaut und die Wirbelsäule stabilisieren Muskulatur wird aufgebaut. Sie können aber auch wenn, wenn Sie einem guten Fitnesscenter sind, das sich wirklich gut auskennt, geht es letztendlich um die gleiche Fragestellung. Was wir wissen, ist, dass die Supervision, also dass Sie einen Trainer haben, der Sie begleitet, einer der entscheidenden Faktoren ist, dass die Schmerzen weniger werden, dass Sie Erfolg haben.

Martin Hoffmann: Das heißt Training zu Hause erst mal ohne Anleitung ist eher...

Prof. Dr. Gerhard Müller: Würde ich nicht empfehlen. Wir wissen, es gibt zwei Faktoren, wo wir relativ sicher wissen, dass es wirkt. Das eine ist das Dosis-Wirkungs-Prinzip. Also das, was ich vorhin gesagt hatte, hat bis zu zweieinhalb Stunden wirklich körperlich aktiv zu sein. Mehr bringt da auch mehr bis zu diesem Punkt. Und das andere ist, dass Sie einen versierten Trainer brauchen. Und das ist zum Beispiel auch hervorragend beim AOK-Rückenkonzept. Sie haben ein eins zu fünf Prinzip, das heißt, ein Trainer für fünf Menschen, die trainieren, und das werden Sie im normalen Fitnesscenter nicht haben. Da gibt es ganz, ganz wenige Einrichtungen, die das gewährleisten können. Aber das ist eben mit einer der Erfolgsfaktoren für einen Rückentraining, dass sie einen guten Trainer haben, der sich individuell um Sie kümmert.

Martin Hoffmann: Wie lange dauert das denn, bis ich da die ersten Erfolge sehe? Ich weiß, auch wieder schwierig zu sagen, aber Beispiel bei mir: Ich hatte sehr lange im unteren Rücken wirklich richtig, richtig Schmerzen. Habe dann auch gesagt okay, ich bin nicht in ein Rückenkonzept gegangen, sondern ich habe gesagt okay, Fitnessstudio, Trainer wird schon irgendwie funktionieren. Bei mir hat das sehr, sehr lange gedauert, bis sich da was getan hat. Was ist denn so eine normale Zeit, bis ich merke okay, na ja, entweder ich geh in die falsche Richtung oder ich gehe dann doch schon in die richtige Richtung?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Das Rückenkonzept geht ein halbes Jahr und die Schmerzen gehen in diesem Jahr ungefähr um 1/3 zurück, also 38 %. Und das hängt tatsächlich auch ein bisschen mit der Steigerung der der Leistungsfähigkeit der Wirbelsäulen stabilisierenden Muskulatur zusammen, auch mit Abnahme der Dysbalancen. Was wichtig ist, dass man nicht sofort, wenn man ein bisschen Schmerzen verspürt, sofort wieder aufhört. Das kann manchmal gut sein, dass man es eben noch mal zwei- oder dreimal probiert. Wichtig ist, dass man sich langsam rantastet, aber dass man irgendwann auch richtig trainiert, wenn man merkt, ich kann mich belasten, dass man auch wirklich Muskulatur aufbaut und entsprechende Belastungen generiert und wie lange das dauert, ist glaube ich super unterschiedlich. Also beim einen geht es schnell, beim anderen dauert es länger. Wir wissen, dass es nicht sehr schnell geht, deswegen haben wir es auf ein halbes Jahr angelegt.

Martin Hoffmann: Sie haben jetzt die Dysbalancen immer wieder angesprochen. Das ist so der der Kern wahrscheinlich, oder?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Eigentlich nicht, das ist ja das Verrückte. Nach dem aktuellen Forschungsstand können Sie nicht sagen, die muskulären Dysbalancen sind verantwortlich für den Rückenschmerz. Ansonsten könnten Sie ja auch sagen: eine zu schwache Muskulatur ist verantwortlich für den Rückenschmerz. Häufig ist die schwere Rückenmuskulatur die Folge des Rückenschmerzes, weil man sich ja schont. Diese Zusammenhänge, wir haben sie feststellen können, also bei uns in der Studie war es so. Aber das war jetzt eine Studie. Wenn Sie sich den gesamten Forschungsstand anschauen, dann gibt es Reviews, die einfach sagen, die Zusammenhänge zwischen Leistungssteigerung und Rückgang der Rückenschmerzen sehen wir keinen so engen Zusammenhang. Ja, es geht eher darum, dass die Menschen sich bewegen und was tun. Also das vielleicht auch als Botschaft. Wenn Sie jetzt nicht auf einmal einen halben Elefanten hochheben können nach dem Training, aber es geht Ihrem Rücken besser. Darum geht's...

Martin Hoffmann: Dann ist okay.

Prof. Dr. Gerhard Müller: Dann ist alles gut.

Martin Hoffmann: Wie sieht es denn aus mit Stretching und so was? Ich habe noch früher gelernt, ich habe früher mal Basketball gespielt und auch ein bisschen besser Basketball gespielt. Und bei uns war immer Stretching so... wir wollten es eigentlich nicht machen, aber wir mussten es einfach machen, weil es immer hieß: du musst dich warm machen und die Muskulatur muss wirklich gedehnt werden, damit alles gut ist und damit ihr vor allem gesund bleibt und damit ihr unverletzt bleibt. Ist es total überholt oder ist es immer noch ein wichtiger Part?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Also das eine ist... Ich glaube, wenn Sie sich mal die die Fußballer anschauen, wie die heute reinkommen, das Beweglichkeitstraining findet in der Bewegung selber statt. Und auch wenn Sie ein Krafttraining machen, wenn Sie überlegen, was Sie machen, Bankdrücken, Sie gehen ganz runter, dabei dehnen Sie ja schon Ihre Brustmuskulatur maximal oder wenn Sie eine laterale Flexion machen, also links und rechts runter gehen. Dabei trainieren Sie auch schon die Beweglichkeit. Es ist so, dass wir bei uns auch immer noch dehnen vor dem Training. Ich glaube ganz einfach, um anzukommen und sich sozusagen auf dem Training vorzubereiten und ein bisschen die Muskulatur vorher zu strecken, ist das mit Sicherheit immer noch gut. Aber diese Bedeutung, die es vielleicht mal hatte, die sieht heute ein bisschen anders aus. Nichtsdestotrotz muss man sich warm machen. Also niemand sollte sozusagen die höchsten Gewichte gleich zu Anfang bewegen, sondern die Muskulatur muss ja erst mal... die Kerntemperatur muss erst mal erhöht sein und der Widerstand der internen Muskulatur muss reduziert werden.

Martin Hoffmann: Jetzt haben Sie das Rückenkonzept der AOK haben schon angesprochen. Gibt es da besondere Übungen, die, ich sage es mal durchgehen, wenn ich da jetzt als Patient hinkommen, die jeder durchlaufen muss?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Also Sie haben im Prinzip die komplette Wirbelsäulen stabilisierende Muskulatur wird trainiert, Bauchmuskulatur, die Rückenstrecker werden trainiert, lateral Flexion, seitliche Bauchmuskeln werden trainiert, gerade Bauchmuskeln werden trainiert.

Martin Hoffmann: Also alles ringsum.

Prof. Dr. Gerhard Müller: Einmal ringsum wird alles trainiert und das ist. Das ist unter dem Ansatz natürlich sinnvoll. Und in unseren Studien war es tatsächlich so, dass wir auch im Vergleich zu anderen Sportarten oder zu anderen Trainingsformen, damit die besten Effekte hatten. Aber noch mal: Forschungsstand ist Bewegung, zunächst mal ist Bewegung wichtig.

Martin Hoffmann: Gibt es eine gewisse Personengruppe, für die dieses Rückenkonzept besonders geeignet ist? Oder ist es auch wieder so querbeet durch?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Nee, ich würde sagen, diejenigen mit Funktionsstörungen, also die, die wirklich schon unter chronischen Rückenschmerzen leiden, also bei denen der Rückenschmerz schon Einfluss hat auf den Alltag, aufs Berufsleben, auf die Freizeit, die profitieren am stärksten, also die mit geringen Rückenschmerzen, da denke ich, da würde auch ein anderes Training genauso wahrscheinlich Effekte zeigen. Und auch bei stärkeren Schmerzen wäre das vermutlich so, aber wir haben gesehen, wir haben richtig große Effekte bei denjenigen mit Funktionseinschränkungen im Alltag, Freizeit und Beruf.

Martin Hoffmann: Jetzt haben Sie es vorhin schon mal gesagt. Ich würde es ganz gerne nur noch mal so ganz klar sagen: Ab wann sollte man ein Arzt, eine Ärztin aufsuchen bei Rückenschmerzen?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Also in dem Augenblick, wo sie ihre Blase und ihren Darm nicht mehr vollständig kontrollieren sollen, das ist eine Red Flag, da müssen Sie zum Arzt. Wenn Sie Kribbeln in Armen und Beinen haben, wenn Sie da Gefühlsstörungen haben. Dann sollten Sie auf alle Fälle zum Arzt gehen. Wenn sich Ihre Rückenschmerzen verschlimmern, wenn Sie Fieber haben. Wenn es ein traumatisches Ereignis war. Das sind alles Fälle, wo man natürlich zum Arzt gehen sollte. Aber das heißt nicht, dass man sozusagen, wenn man mal Rückenschmerzen hat, ich denke mal, da hat ja jeder, glaube ich, auch eigene Erfahrungen nach und nach gesammelt. Und wenn man immer wieder die Erfahrung macht, nach drei, vier Tagen ist das wieder weg. Dann wird Ihnen da auch ein Arzt nicht weiterhelfen können. Also das ist dann einfach... es kommt und es geht und es ist gutartig in aller Regel. Aber bei all dem, was ich vorhin ansonsten aufgezählt habe, ist es wichtig, einen Arzt aufzusuchen.

Martin Hoffmann: Wie geht es denn Ihrem Rücken?

Prof. Dr. Gerhard Müller: Meinem Rücken? Da bin ich keine Baustelle. Da habe ich wirklich Glück.

Martin Hoffmann: Dann hoffe ich, dass es dabei bleibt. Und wenn nicht: Ich glaube, Sie haben genug Anlaufstellen und wissen genau, wie man dagegen vorgeht. Lieber Herr Müller, vielen, vielen Dank.

Prof. Dr. Gerhard Müller: Ich danke Ihnen.

Martin Hoffmann: Die Rolle der Psyche ist echt nicht zu unterschätzen. Wir kennen ja alle die Redewendung: "Wir haben alle unser Päckchen zu tragen" oder zwischendurch vielleicht auch mal was Positives: "Jemandem den Rücken stärken" und um das Rücken stärken geht es jetzt. Ich bin gerade in Pforzheim angekommen. David Buchmüller müsste auch schon im Rückenzentrum auf mich warten. Und als wir letzte Woche telefoniert haben, meinte er so was von ganzheitlicher Gesundheit. Schauen wir mal, was das mit meinem Rücken zu tun hat. Ich bin jetzt im Ärztezentrum in der Simmlerstraße, im ersten Obergeschoss. Und hier ist die AOK, hier ist das Gesundheitszentrum und das Rückenstudio. Und der David müsste schon auf mich warten. So. Hallo, David. Hey. Hallo.

David Buchmüller: Hi Martin, schön, dass ihr da seid.

Martin Hoffmann: Ja. Cool, dass ich hier sein darf und erst mal sehr schön. Hier ist, glaube ich direkt der Trainingsbereich, oder?

David Buchmüller: Genau, komm mal rein, das ist unser RückenKonzept. Hier geht schon die Post ab, hier trainieren unsere Leute dann tagtäglich, um was für ihre Gesundheit zu tun.

Martin Hoffmann: David, sag mal, welche Fragen stellst du deinen Patientinnen, deinen Patienten, die mit Rückenschmerzen zum Ersten Mal zu dir kommen? Was ist das Wichtigste, was du am Anfang wissen musst?

David Buchmüller: Das erste natürlich: wie fühlen sich die Schmerzen an? Also ist es eher ein ziehender Schmerz, ein stechender Schmerz? Zu welchen Momenten, Tageszeiten oder Gegebenheiten entstehen die Schmerzen oder kommen die Schmerzen? Werden sie bei Belastung, Bewegung schlimmer oder weniger? Und dann gehe ich so einen kleinen Fragenkatalog durch. Wie sieht es generell bei den gerade im Leben aus? Gibt es irgendwelche belastende Situation wie sieht's daheim aus? Familiär, geschäftlich, was arbeiten die? Was machen die sonst in ihrer Freizeit? Das ich so ein kleines Rundumbild einfach von den Personen habe.

Martin Hoffmann: Wie wird das angenommen? Also wird da erst mal gedacht na ja, eigentlich geht es den doch gar nichts an, was bei mir so zu Hause unterwegs... Oder haben die gleich die Verknüpfung, okay, das könnte auch was miteinander zu tun haben?

David Buchmüller: Nein, da ist die Verknüpfung überhaupt nicht da und da muss man auch sehr behutsam rangehen. Man merkt sofort dem Gegenüber natürlich an, wie offen ist er oder wie offen möchte er auch über die Krankheitsgeschichte sprechen oder generell über sich sprechen. Und da geht man dann natürlich peu a peu ran. Den interessiert jetzt erstmal, was ja leider immer der Fall ist, die kommen mit einem Problem und die denken, wir lösen das Problem. Aber ich muss ja erst mal so ein bisschen fragen, da kümmere ich mich zuerst um die Schmerzen, um das Wie sich das anfühlt, nehme ich natürlich deren Klagen an und über das Klagen dann, versuchen wir dann auch in andere Ebenen reinzukommen. Also meistens, wenn sie dann sagen, beim Arbeiten haben sie die Probleme, ah, was arbeiten Sie denn? Oder daheim nach dem Wochenende, ah, okay, haben Sie Familie oder Kinder oder so? Und dann kommt nach und nach, dann weiß ich auch, wie weit kann ich in die Schiene reingehen und wo muss ich so einen kleinen Cut machen? Das kommt dann ja auch über die Zeit, wenn eine Beziehung entsteht dann.

Martin Hoffmann: Wie oft sind Rückenschmerzen quasi die Ursache, so eine muskuläre Geschichte und wie oft ist die Psyche verantwortlich? Oder ist das immer so eine Mischung?

David Buchmüller: Ich würde es eine klare Mischung nennen, aber ich würde sagen, bei vielen rein orthopädisch gesehen fehlt einfach die regelmäßige Bewegung, die ausgiebige Bewegung. Aber die regelmäßige Belastung vor allem, das ist bei allen gang und gäbe. Ob es natürlich der ausschlaggebende Punkt alleine für den Schmerz ist, kann ich nicht geben. Aber es ist immer ein Fakt, wo ich sag das fehlt natürlich, weil wir haben relativ wenig, die körperlich viel arbeiten. Wir haben mehr so die Schreibtischtäter oder die, die eben zu Hause sind oder dann doch schon Rentner, die aus der körperlichen Arbeit draußen sind und aufgehört haben zu arbeiten. Aber die psychische Schiene kommt immer, immer mehr, wo man rausfindet, okay, derjenige hat auch schon viel gemacht, hat viel ausprobiert, hat vielleicht nicht funktioniert und da zählt die psychische Komponente sehr, sehr viel mit ein.

Martin Hoffmann: Wie sieht denn so eine Behandlung, ich sage es mal so typischerweise aus? Wir haben am Anfang erst mal so eine Diagnose, quasi, was tut wie, wo weh, dann kommt der Fragenkatalog und wann wird es dann... also wann geht es ran an die Geräte?

David Buchmüller: Eigentlich besteht unser ganzes Prozedere ja aus 24 Terminen. In den ersten drei Terminen, das sind die wichtigsten, wie beim ersten Termin, wie schon gesagt hab, kommt diese Anamnese, so ein kleiner Fragenkatalog und dann gehen wir direkt an die Geräte, um so ein bisschen herauszufinden, wie belastbar und wie beweglich ist denn die Wirbelsäule stand heute in dieser Situation? Und da läuft es dann auch ab, dass die Menschen in alle Bewegung, die die Wirbelsäule sich bewegen könnte oder können sollte, dass wir die bewegen und auch versuchen in dieser Position zu belasten, werden in eine fixe Position gebracht und die drücken dann gegen einen Widerstand isometrisch, den sie auch nicht bewegen können, um sozusagen den Körper herauszukitzeln, wie viel Kraft, wie viel Potenzial kann er in dieser Position aufbringen? Und dann haben wir nämlich durch diese fünf Geräte alle Bewegungen der Wirbelsäule durch und können dann sehen, wo liegt jetzt ungefähr die Problematik oder wo sind noch die Stellschrauben, wo wir dran drehen können? Und da muss man immer noch so ein bisschen unterscheiden: liegt es jetzt daran, dass derjenige auch keine Kraft in dieser Position hat? Also gibt es einen Referenzwert, wo man sehen kann ein Mann oder eine Frau in diesem Alter, Körpergröße und Gewicht sollten im gewissen Rahmen liegen und da muss man immer schauen, liegt das jetzt an der fehlenden Kraft oder liegt es einfach daran aufgrund, dass er Schmerzen der Position hat oder sogar auch das neurologisch irgendwie, dass einfach das Nervensystem da noch keine Verbindung zu der Struktur hat.

Martin Hoffmann: Wie sieht es denn aus? Ich habe vorher mit Professor Müller gesprochen, der meinte, dass das Schlimmste, was man eigentlich machen kann, es aufhören, sich zu bewegen, selbst wenn man Schmerzen hat. Wie ist da deine Erfahrung? Also wenn die Leute kommen mit Schmerzen. Also was haben die für Krankheitsgeschichten, die die mitbringen?

David Buchmüller: Krankheitsgeschichten unterschiedlicher Art. Also meistens der Klassiker, dass es vom Orthopäden gekommen ist mit Verschleiß, dass gesagt wird, da ist ein Verschleiß oder es sind altersbedingte Problematiken, Bandscheibenvorfälle, Arthrose oder dass schon die Bandscheibe an Struktur abgenommen hat und dadurch schon ein bissel vielleicht Verknöcherung stattgefunden haben. Gewisse Abbauprozesse, die mich eigentlich nur sekundär interessieren, weil sie nicht entscheidend sind für diese Schmerzprozedur, also dass der Schmerz dabei entsteht. Für mich ist dann viel entscheidender dieser Fragenkatalog davor und ich habe das dann das andere so ein bisschen im Hinterkopf. Und genau da muss man die Leute auch immer erst davon überzeugen, weil es immer noch in den Köpfen der Menschen ist: wenn ich Schmerzen habe, dann muss ich mich ja ausruhen oder muss ich mich ja schonen. Und dann, wenn der Schmerz vielleicht weggeht, dann sollte ich wieder anfangen. Und das ist das Tolle bei diesem Test, den wir immer machen. Ich sag schon immer provokant davor: Sie werden jetzt sehr, sehr viel Kraft aufbringen, viel mehr wahrscheinlich, wie Sie im Alltag selber sich zumuten. Und genau bei diesem Test, wenn ich immer sage: Und? Haben Sie währenddessen Schmerzen gehabt? Nein. Dann kommt immer dieser Aha-Effekt, wo ich sag ja, aber Sie haben jetzt gemerkt viel Belastung hat aber keine Schmerzen ausgelöst. Eher das Gegenteil, danach fühlen sie sich eher besser. Und da findet dann schon der erste Umkehrschluss statt, dass Sie wissen: Oh ja, jetzt stimmt, wenn ich mich bewege, wenn ich mich belaste, das tut mir eher besser. Das tut mir auch gut. Und grad auch für die, die eine psychische Komponente mitbringen. Wenn dann so ein bisschen Druck auch rausgenommen wird durch den Test, fühlen die sich viel freier.

Martin Hoffmann: Jetzt hast du gerade gesagt, also es gibt diese 24 Einheiten, 24 Termine. Die ersten drei sind relativ genau definiert jetzt gewesen von dir. Wie geht es danach weiter? Ist es dann ein, ich sage jetzt mal, so standardisiertes Konzept oder ist es individuell immer auf die Bedürfnisse angepasst?

David Buchmüller: Es ist im Groben standardisiert, aber in diesem Rahmen können wir uns noch völlig frei bewegen. Also es läuft eigentlich gleich ab, dass die, wenn sie zum Training kommen, machen die so Mobilisation und Dehnungsübungen, dass der Körper einfach so wieder lernt, sich in alle Richtungen bewegen zu können, in der er sich bewegen soll. Und dann gehen wir eben an die Geräte, wo wir dann aber nicht einfach nur sagen, macht ein gewisses Gewicht über eine gewisse Dauer, sondern wir erstellen für jeden dort am Gerät ein Bewegungsprofil, so eine Bewegungskurve, die dann eben auch anzeigt, individuell, wie groß soll die Bewegung am Gerät für die Person sein, dass eben keine Ausweichbewegung stattfindet, keine Fehlbelastung entsteht? Und wie schnell soll die Bewegung auch tatsächlich sein, dass das Training effektiv ist und das können wir individuell an jedem Gerät für jede Person selber definieren. Und danach kommt dann noch individuell Kräftigungsübungen mit dem eigenen Körpergewicht, die die Menschen dann auch machen sollen, dass der Körper wieder lernt, nicht nur geführt Kraft aufzubringen, sondern eben auch selber sich zu koordinieren und konditionieren.

Martin Hoffmann: Du hast jetzt vorher gesagt, na ja, also die Ursache von Rückenschmerzen ist immer so eine Mischung. Psyche auf der einen Seite, aber körperlich auf der anderen Seite. Wie gehst du dann weiter, wenn du merkst, also körperlich sollte es eigentlich keine Schmerzen geben, gerade bei dieser Person. Wenn du merkst, okay, das ist wirklich das meiste ist psychisch.

David Buchmüller: Da versucht man, wenn es die Person natürlich zulässt, geht nicht bei den meisten, dass man da doch eine Beziehung aufbaut. Und das ist das tolle daher, dass wir nur maximal acht Personen immer gleichzeitig in einer Stunde da haben, das heißt mit vielen ist man per Du, mit vielen geht man tiefer in die Beziehung rein. Da lernt man so ein bisschen. Wir haben zum Beispiel ein Beispiel: die kamen als Ehepaar gemeinsam, der Mann schon mit Demenz und körperlich schon sehr eingeschränkt. Der ist aber mitgekommen in der Hoffnung, weil er keine Physiotherapie bekommen hat, aufgrund fehlender Plätze, dass er bei uns was machen kann. Da kam er natürlich bei mir perfekt an, weil ich auch aus der Physiotherapie komme und habe da Gleichgesinnte. Dem Mann möchte ich helfen. Die Frau hatte auch Beschwerden, die war aber eigentlich körperlich fit. Aber dann hat man gemerkt, durch das, dass sie die Pflege des Mannes natürlich übernimmt, hat es sehr sehr viel psychisch bei ihr was ausgemacht und dadurch, dass man sie auch mal alleine hat trainieren lassen, ich mich dem Mann angenommen habe oder auch dann im Gespräch sind, ging es darum sie kann die Pflege nicht mehr alleine tragen. Man muss den Mann dann doch eher mal ins Altenheim bringe oder in die Pflege, dass man so nach und nach gemerkt hat, sie wurde immer freier, schmerzfreier, weil sie einfach gemerkt hat, es reden auch darüber. Und diese Ängste, die sie hatte und auch diese Beschwerden auch angenommen haben. Dann hat man natürlich gemerkt, es hat ihr sehr viel geholfen.

Martin Hoffmann: Das sind ja ganz oft Leute, die ich sage es mal, vielleicht auch noch nie in so einer Art Fitnessstudio oder irgendwie so was trainiert haben, die vielleicht zum ersten Mal wirklich Übungen auch für den Rücken machen. Gibt es da solche allgemeinen Fehler? Also wo du sagst, okay, das ist ein ganz klassischer Fehler, der hier gerade passiert, dass die Übungen komplett falsch ausgeführt wird oder dass nicht die richtige Muskulatur angesteuert wird. Was gibt es denn da?

David Buchmüller: Da sage ich zu den meisten: Es gibt eigentlich keine falsche Bewegung. Die falschen Bewegungen, die Ausführung an sich, wenn sie grob passt, dann ist das alles in Ordnung, aber in klassischen Fehlern liegt's meistens eher daran... also ich sage es mal als Beispiel im Alltag, da gibt es jetzt auch keine falsche Bewegung oder falsche Art und Weise, wie ich gewisse Dinge anpacken muss. Wenn ich jetzt die Kiste von irgendwo hochheben muss, kann ich nicht ein Setting machen und gucken, dass alles passt, sondern es muss einfach passieren, sondern es ist einfach dieser Unterschied: Wie belastbar sind eben die Strukturen in dieser Position, und wie hoch ist die Belastung.

Martin Hoffmann: Also ist das Gewicht dann zu hoch in den Fällen, dass es dann so zu einem Impact kommt.

David Buchmüller: Genau richtig. Das Gewicht kann ich in einem gewissen Rahmen händeln, bis zu einer gewissen Position. Aber dann kann es sein, dass ich in Strukturen reinkomme oder Strukturanteilen, die diese Belastung eben nicht gerecht werden können. Und da ist das tolle, wo wir eben ansetzen können, so nach und nach durch diese Bewegungskurve zu sagen, ich sehe dass in diesem Bereich die Struktur einfach gar nicht belastbar genug dafür ist. Und da muss ich gucken, dass ich die Belastbarkeit wieder herstelle, anstelle, dass ich die Belastung runder fahre.

Martin Hoffmann: Gibt es denn Übungen, die sich gut in den Alltag integrieren lassen und die auch solche Alltagsübungen gut simulieren? Also Kiste von oben nach unten oder von unten nach oben. Oder ich steh mal schräg, weil die auch gemeint hast: na ja, das Setting kann man ja nicht immer anpassen.

David Buchmüller: Also generell sollte man versuchen, den Alltag so viel wie möglich mit Bewegung zu füllen. Und da gibt es auch eine ganz tolle Studie, wo ich immer gerne zitiere, die wurde auch mal in Amerika durchgeführt. Die sogenannte Zimmermädchen-Studie, ich weiß nicht, ob du davon schonmal was gehört hast. Die Zimmermädchen-Studie war, einfach nur um zu zeigen, wie schwer auch der Faktor innerer Einstellung zu dem Thema passt. Denn die eine Gruppe von Zimmermädchen, den hat man gesagt: Ja, also das, was ihr tagtäglich eigentlich macht im Housekeeping und so, ist ja eigentlich wie ein Workout wie ein Fitnesstraining. Und die andere Gruppe, der hat man das nicht gesagt. Und nach zwölf Wochen kam dann das Ergebnis, das der Gruppe, die man das gesagt hat, obwohl die in ihrem Leben nichts anderes verändert haben, nur die Tatsache, dass die plötzlich besseren Blutwerte hatten, die wurden stärker, die wurden vom Fitnessstandard mehr, wo ich einfach sag, das haben wir auch hier viele... ich habe auch einen Patienten oder einen Kunden hier, der sagt: Ja, ich finde es so schwer, tagtäglich mehr Bewegung in den Alltag reinzubringen. Ich weiß nicht, ich arbeite in der Wäscherei. Dann sage ich: hervorragend! Wie läuft dein Arbeitsalltag ab? Ich muss da schwere Wäschekörbe tragen. Ich muss die Wäsche von oben nach unten... sage ich: ja hervorragend. Das sind genau die Bewegungsabläufe, die wir eigentlich brauchen. Und da einfach so ein bisschen spielen mit der Intensität. Ich sage auch immer, ich kann diese Klassiker statt Fahrstuhl die Treppe nehmen, aber ich kann die Treppe langsam hochgehen. Ich kann die Treppe aber auch mal hochrennen. Ich kann die Treppe auch mal mit drei, vier Stufen nehmen oder mit zwei Stufen, einfach versuchen. Da wo gerade Belastung vielleicht mich erfährt. Oder körperlich, oder in der Gartenarbeit, versuchen relativ oft die Position zu ändern, die Intensität zu ändern, mal schwer zu heben, dafür weniger zu laufen, mal leicht zu heben, dafür mehr laufen, einfach probieren, da reinzukriegen und dann, was wir automatisch machen, unser auf unseren Körper hören. Jeder kennt es, wenn er Gartenarbeit oder viel in der vorgebeugten Haltung gemacht hat. Was passiert automatisch? Beim hochging gehen wir deutlich mehr in die Überstreckung rein, weil unser Körper signalisiert: tut uns vielleicht gut. Und da wären die simpelsten Übungen, die wir machen kann die bewegen der Wirbelsäule, also viel in die über Streckung reingehen, in die Vorwärtsbewegung, doch in die Rotation auch mal reingehen, versuchen, viel auch aus der Rotation rauszuholen und auch in der Seitwärtsneigung.

Martin Hoffmann: Und sich selbst auch sagen, dass es auch gerade so eine Art Workout, Sport, die man da macht, dann ist das noch mal anders konnotiert, für einen selbst auch.

David Buchmüller: Genau, richtig. Also sage ich immer provokant, auch wenn in Gruppen viele Hausfrauen sind, sagen: ja, Waschküche ist im Keller, muss den Wäschekorb hochtragen. Hervorragend, perfekt. Ihr habt eine zusätzliche Belastung. Dann versucht, den nicht nur auf der Hüfte zu tragen. Dann auch mal frei vom Körper, macht den halt dafür weniger voll. Aber es ist ja trotzdem eine Art der Belastung. Der Körper weiß ja nicht trainiere ich jetzt mit Hanteln, trainiere ich an der Maschine oder trage ich es ein Wäschekorb hoch? Der merkt nur, wie viel Belastung löst dieser Gegenstand jetzt in meinem Körper aus? Und das reicht schon.

Martin Hoffmann: Ein total schöner Ansatz. Eigentlich hat man sich das Workout eigentlich schon gespart, weil man es ja den ganzen Tag vorstellen kann.

David Buchmüller: Genau.

Martin Hoffmann: Wie sieht es denn aus? Also ich habe zum Beispiel eine Faszienrolle zu Hause und ich habe immer gemerkt, mir tut es irgendwie ganz gut, wenn ich da so ein bisschen drauf rum rolle. Wahrscheinlich mache ich das gar nicht so wirklich richtig, aber gibt es irgendwie so ein Hilfsmittel, wo du sagst: Hey, das ist wirklich... das macht total Sinn, so was zu Hause zu haben?

David Buchmüller: Es macht alles Sinn. Also gewisse Sachen wie Faszienrollen würde ich immer machen, weil es gibt ja auch viele, die ein akuten extremen Schmerz haben. Machen, um einfach mal ein bisschen Ruhe reinzukommen. Oder noch einfacher, wenn ich keinen Faszienball will, nehme ich einen Tennisball, geht auch natürlich. Die, die keine Faszienrolle haben frage ich immer: habt ihr ein Nudelholz? Würde auch gehen, natürlich, um das gezielt zu machen. Ja, es gibt so klassische Tools, die immer helfen, die tatsächlich auch wissenschaftlich belegt sind, wie so ein Rotlicht, weil diese Rotlichtwellen tatsächlich ins Gewebe mit reingehen, können Entzündungen runterfahren und können auch dann ein bisschen die Selbstheilungskräfte aktivieren.

Martin Hoffmann: Also auch so ein bisschen so eine Wärmelampe?

David Buchmüller: Quasi genau richtig. Also wirklich, diese Infrarotlichte, die helfen tatsächlich, wo ich auch erst mal gedacht hab, hilft da jetzt nicht nur die Wärme? Aber bringt tatsächlich was. Und ansonsten alles, was eben guttut. Wenn jemand mit einer Heizdecke den Schmerz lindert, wunderbar. Kühlpads, die natürlich auch helfen, oder eine Creme. Alles immer, man muss wissen, was soll es helfen? Das kühlende hilft das einfach die Entzündung ein bisschen weniger wird, die Wärme, dass eine Entspannung auch im Nervensystem stattfindet.

Martin Hoffmann: Ich muss ja sagen ich bin so Typ Wärmflasche und diese Pferdesalbe heißt die glaube ich. Also die zwar sehr, sehr beißend in der Nase, aber ich habe immer das Gefühl, dass es mir dann besser geht.

David Buchmüller: Richtig. Und deswegen findet auch immer das Ganze im Kopf statt. Wenn ich so alles, was uns guttut, gewisse Sachen auch, die meisten werden keine Rückenbeschwerden haben, wenn sie irgendwo am Strand liege und im Urlaub sind. Da ist ne Entspannung da. Also wenn ich mich irgendwo wohlfühle und wenn es mir auch guttut, dann machen. Aber immer wissen, was hilft es oder als welches Hilfsmittel ist es gedacht? Du siehst ziemlich fit aus. Hast du Rückenschmerzen? Ist es ein Thema bei dir auch mal gewesen oder ist das ein aktuelles Thema?

David Buchmüller: Gott sei Dank nein, ich hatte tatsächlich noch nie Rückenschmerzen. Wäre aber auch keine Angst von mir, weil ich ja Gott sei Dank weiß, was wäre jetzt zu tun? Was kann ich dagegen tun? Ab und zu hat es vielleicht auch mal in gewissen Bereichen gezwickt, weil einfach vielleicht eine Überlastung da war von der Bewegung. Aber an sich versuche ich eben immer als gutes Beispiel voranzugehen, da auch schon meinen Eltern oder Schwiegereltern dann immer so, die mir mit Wehwehchen klagen, sagen: Komm du in mein Alter, dann bekommst du es auch. Und da habe ich so ein Ansporn an mich: nee, ich bekomm das nicht.

Martin Hoffmann: Das ist sehr gut und ich muss gerade daran denken, wenn ich das nächste Mal Hausarbeit mache, wenn ich nächstes Mal irgendwas ausräume, irgendwas hochhebe, Müll rausbringen oder so was, ist das mein Tagesworkout gewesen.

David Buchmüller: Richtig, genau.

Martin Hoffmann: Und dann ist das, glaube ich, schon eine ganz gute Sache. David. Vielen, vielen Dank dir. Habe viel gelernt.

David Buchmüller: Ja, super. Vielen Dank.

Martin Hoffmann: Also Bewegung ist so ziemlich das Wichtigste, auch wenn ihr bereits Rückenschmerzen habt. Und da ist wichtig, dass wenn ihr die Übung macht, dass er die unter Aufsicht macht, sonst kann es einfach noch schlimmer werden. Ich habe für mich gemerkt, dass ich wirklich mehr für meinen Rücken machen sollte, damit ich einfach langfristig schmerzfrei bin. Und der Blick auf die ganzheitliche Gesundheit, das ergibt schon wirklich viel Sinn. Sagt mal, wie geht's eigentlich eurem Rücken? Habt ihr auch das Gefühl, dass ihr euch mehr um ihn kümmern müsstet? Schreibt uns gern mal in die Kommentare auf unserem Instagram-Kanal @gesundnah. Und wenn ihr sowieso schon da seid, lasst auch gerne Fragen, Anregungen und Themenvorschläge da. Mehr Informationen über das Thema Rückengesundheit und meine heutigen Gesprächspartner findet ihr den Shownotes. Bewertungen Kommentare sind natürlich auch eine feine Sache, ihr kennt das. Also gerne fleißig fünf Sterne verteilen. Wir freuen uns, wenn ihr das nächste Mal wieder dabei seid. Ich bin Martin Hoffmann. Wir hören uns.

Outro: GESUNDNAH - der Gesundheits-Podcast der AOK Baden-Württemberg.

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