#14 High on Protein: Wie viel Eiweiß braucht der Körper?
Shownotes
Der Proteinhype ist ungebrochen, aber ist er gerechtfertigt? Moderator Martin Hoffmann geht mit seinen Gästen den Fragen nach, wie viel Eiweiß sinnvoll ist und welche gesundheitlichen Folgen eine Protein-Überdosis haben kann.
Weitere Informationen zur empfohlenen Eiweißmenge findest du bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V.: https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/protein/
Wie sich die Proteinzufuhr auf den Körper auswirkt, erfährst du hier: https://www.dge.de/wissenschaft/dge-leitlinien/leitlinie-protein/#c5846
Sind Proteinriegel sinnvoll? Die Antwort findest du im Gesundheitsmagazin der AOK: https://www.aok.de/pk/magazin/ernaehrung/lebensmittel/proteinriegel-so-gesund-sind-diesportriegel-wirklich/
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Transkript anzeigen
Intro: Unterwegs für die Gesundheit. GESUNDNAH der Podcast der AOK Baden-Württemberg.
Martin Hoffmann: Wenn du ohne Jojo-Effekt abnehmen möchtest, kommst du an einer proteinhaltigen Ernährung nicht vorbei. Diese Aussage ist mir bei meiner Recherche ziemlich häufig begegnet. Oft ist die Rede von der sogenannten Eiweiß-Diät. Wenig Kohlenhydrate, sehr viele Proteine. Aber funktioniert das wirklich? Also gibt es wissenschaftlich belastbare Zahlen, die das unterstützen? Und wenn ja, wie viel Protein am Tag ist eigentlich gesund? Und ist zu viel Protein nicht auch schädlich für den Körper? Ich wiege knapp 90 Kilogramm. 1,5 bis 2 Gramm Proteine pro Kilogramm Körpergewicht und Tag soll angeblich ideal sein. Das ist die Menge, die mir bei Instagram fast täglich in meinem Feed angezeigt wird und zwar von Fitness Influencern und selbsternannten Ernährungsberatern. In meinem Fall wären das also circa 150 Gramm Eiweiß täglich. Ich muss sagen, das ist echt viel. Und wirklich gesund klingt das für mich jetzt auch nicht. Ich bin Martin Hoffmann und ich gehe heute der Frage nach, wie gesund eigentlich eine Ernährung ist, die hauptsächlich auf Eiweiß basiert. Um Antworten zu finden, treffe ich Anil Esen. Er hat sich mehrere Wochen sehr proteinreich ernährt. Dabei hat er ausschließlich tierische Produkte gegessen. High Protein ist gerade ziemlich angesagt. Anil hat aber auch die Schattenseiten davon erlebt. Was da genau passiert ist, erzählt er mir später, wenn ich ihn treffe. Vorher bin ich mit Professor Dr. Peter Grimm verabredet. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Baden-Württemberg lehrt er als Diplom Ernährungswissenschaftler an der Universität in Hohenheim. Außerdem gibt er unter anderem auch Fortbildungen für Ärztinnen und Ärzte. Mit ihm will ich die ganzen Informationen ordnen, die ich während meiner Recherche gesammelt habe. Sind Proteine jetzt der Heilige Gral der Ernährung oder einfach total überbewertet? Ich bin jetzt hier in Esslingen vor der Medizinisch Technischen Akademie. Und hier bin ich jetzt gleich im ersten Stock mit Professor Dr. Grimm verabredet. Treppe hoch. Erster Stock und dann gleich links, hat man mir gesagt. Jetzt treffe ich gleich Professor Dr. Grimm. Hallo, Herr Professor Grimm. Hallo.
Prof. Dr. Peter Grimm: Guten Tag, Herr Hoffmann. Schön, dass es geklappt hat.
Martin Hoffmann: Professor Grimm. Vielen, vielen Dank, dass Sie Zeit haben für ein Gespräch. Anfang des Jahres hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung eine neue Ernährungsempfehlung herausgegeben. Wie unterscheidet sich diese neue Empfehlung zu der alten?
Prof. Dr. Peter Grimm: Die neue Empfehlung der DGE hat in den letzten Monaten für sehr, sehr viel Wirbel gesorgt. Sie unterscheidet sich im Wesentlichen dadurch, dass die Ernährung noch mehr pflanzenbetonter werden soll, dass tierische Produkte noch mehr zurückgefahren werden sollen. Also mal ein paar Beispiele: Bisher war die Empfehlung, drei Portionen Milch und Milchprodukte pro Tag, das ist jetzt auf zwei zurückgegangen. Bisher war bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche. Das ist jetzt auf 300 Gramm. Jetzt darf man nur noch ein Ei essen. Das hat für den größten Wirbel gesorgt. Weil natürlich die Empfehlung noch kurz vor Ostern herauskam und sich dann jeder gefragt hat: Darf ich jetzt noch meine Ostereier essen?
Martin Hoffmann: Also man sollte nur ein Ei essen.
Prof. Dr. Peter Grimm: Man sollte maximal ein Ei pro Woche, wobei da die versteckten Eier gar nicht dazugehören. Also es handelt sich wirklich um das Ei und ich glaube, die meisten Menschen essen de facto gar nicht wesentlich mehr als ein Ei pro Woche, wenn man es mal ermittelt.
Martin Hoffmann: Wofür braucht denn der Mensch eigentlich Eiweiß und wie viel Protein ist jetzt normal?
Prof. Dr. Peter Grimm: Wir brauchen Protein, weil alles, was uns so aufbaut und reguliert, besteht aus Proteinen. Da gibt es Proteine, die Bau-Proteine, Muskulatur. Aber es gibt auch Proteine, die funktionell sind. Also alle Antikörper zum Beispiel des Immunsystems sind Proteine usw. Und deswegen unterliegt in unserem Körper auch alles einem ständigen Auf- und Abbau. Und einfach gesagt, immer wenn viel gearbeitet wird, geht auch viel verloren. Das bedeutet auch wenn wir kein Eiweiß mehr essen würden, würden wir trotzdem jeden Tag Eiweiß abbauen und über den Urin die Reste davon ausscheiden. Das heißt, wir verlieren jeden Tag Eiweiß und dieses Eiweiß muss auch wieder ersetzt werden. Und das sind so ganz grob 20 bis 30 Gramm pro Tag, die jeder automatisch verliert. Und die Empfehlung, also der Referenzwert für die Zufuhr, liegt bei 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht über 65, dann bei einem Gramm pro Kilo Körpergewicht. Wenn wir das jetzt mal auf so Standardmenschen hochrechnet, dann kommen wir auf ungefähr 60, 70 Gramm pro Tag.
Martin Hoffmann: Wie sieht es denn aus, wenn ich jetzt viel körperlich arbeite oder auch gezielt Sport mache, um Muskulatur aufzubauen? Also Kraftsport, Bodybuilding... In so eine Richtung mal gedacht. Gibt es da auch eine Empfehlung?
Prof. Dr. Peter Grimm: Dann da gibt es Studien, die zeigen das dann ein Mehr an Protein für die sportliche Leistung etwas bringt. Da liegen wir dann so in etwa bei 1,5 Gramm. Also auch die, sagen wir mal die Wissenschaftler unter den Sportlern, die sagen über 1,5 Gramm bringt gar nichts mehr, bei niemandem. Und wenn wir hier aber von Sport sprechen, dann reden wir wirklich von Sport. Wenn Sie also ein Profi-Kraftsportler nehmen, der acht Stunden am Tag trainiert, dann hat er einen höheren Proteinumsatz, schon allein deswegen, weil er viel mehr Muskulatur hat. Und da können wir dann wirklich von Bereichen bis 1,5 Gramm sprechen. Darüber werden Aminosäuren, also Proteine, eben auch zu Energie metabolisiert. Und damit bringt es eigentlich gar nichts mehr.
Martin Hoffmann: Jetzt haben wir gerade über Kraftsport gesprochen. Wie sieht es aus bei Ausdauersport? Macht es da auch Sinn, bis 1,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht hochzugehen oder nicht?
Prof. Dr. Peter Grimm: Auch bei Ausdauersportarten ist es durchaus sinnvoll, höher zu gehen. Aber wie gesagt, wir reden jetzt hier wirklich schon von Profisport. Also wenn jemand eine halbe Stunde pro Tag Sport treibt oder auch nur eine Stunde dreimal pro Woche, da ist überhaupt kein Mehrbedarf ersichtlich, sondern wir reden wirklich von Menschen, die, sagen wir mal, mindestens jeden Tag ein, zwei Stunden Sport treiben oder mehr. Also wir kommen da schon in den Profi- oder Semiprofi-Bereich rein.
Martin Hoffmann: Wenn wir das jetzt nicht machen. Also wenn wir jetzt nicht mehr Proteine zu uns nehmen, können wir dann trotzdem Muskulatur aufbauen? Oder ist das quasi der Werkstoff, den die Muskeln brauchen, um auch zu wachsen.
Prof. Dr. Peter Grimm: Wenn der eigentliche Bedarf gedeckt ist, das heißt die 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht, dann könnten wir auch Muskulatur aufbauen. Aber es hat sich in Studien eben gezeigt, dass es besser geht, wenn bei solchen Extremsportarten die Proteinzufuhr höher liegt.
Martin Hoffmann: Jetzt habe ich in der Recherche ganz viel gelesen über neue Formen der Ernährung, neue Diäten, die gerade kursieren, haben Sie wahrscheinlich auch viel Eiweiß-Diät und so wa - Sie nicken gerade - also haben Sie auch schon auf jeden Fall gelesen. Was ist denn von so was zu halten?
Prof. Dr. Peter Grimm: Also ich muss mal dazusagen: Das ist nicht neu. Ich habe vor 35 bis 40 Jahren studiert und auch damals gab es das schon. In der Ernährung verläuft vieles in Wellen. Es kommt immer wieder und solche Leute wie Atkins, die vor allem Fett und Protein gegessen haben. Das gab es schon lange. Damit kann man abnehmen, das ist keine Frage. Das wusste man schon vor langer, langer Zeit. Das hat mehrere Mechanismen, die alle irgendwo etwas mit Insulin zu tun haben. Und es ist eben so, wenn keine Kohlenhydrate gegessen werden, dann muss der Körper sich die Glukose, also den Traubenzucker, im Blut, selber herstellen, die sogenannte Gluconeogenese. Und die benötigt Aminosäuren, also die Proteinbestandteile und gleichzeitig Fettsäuren. Das heißt, es kommt dann automatisch zu einem Fettabbau, was sich dann eben extrem auch in einer Ketose äußert. Das ist das, wenn sie wirklich Kohlenhydrate nahe null machen.
Martin Hoffmann: Das ist dann diese ketogene Ernährungsweise. Genau. Können Sie da noch mal kurz den Unterschied klar machen? Ketogene Ernährungsweise oder die Keto-Diät, wie es ganz oft zu lesen ist und die Eiweiß-Diät. Was ist da der Unterschied genau?
Prof. Dr. Peter Grimm: Also, bei einer Eiweiß-Diät haben Sie noch ein gewisses Mindestlevel an Kohlenhydrate, so dass Sie nicht in die Ketose hineinkommen. Das heißt, es wird zwar Fett abgebaut, aber nicht so extrem, dass jetzt dadurch Ketonkörper entstehen würden, Wenn Sie diese Diät extrem betreiben, das heißt die Kohlenhydrate ganz reduzieren und praktisch nur noch Eiweiß haben, vielleicht auch etwas Fett dabei, dann kommt es zu so einem starken Fettabbau, dass dabei Ketonkörper entstehen und das führt zur Ketose.
Martin Hoffmann: Wie nehmen wir denn am besten Proteine zu uns?
Prof. Dr. Peter Grimm: Wir können Proteine auf verschiedene Arten zu uns nehmen. Natürlich sind tierische Lebensmittel sehr, sehr proteinreich. Also wenn wir da an Fleisch denken, das so im Schnitt 25 % Protein enthält. Das sind natürlich gute Proteinquellen und es sind auch qualitativ hochwertigere Quellen.
Martin Hoffmann: Qualitativ hochwertig bedeutet, dass der Körper das dann besser verarbeiten kann oder besser aufnehmen kann?
Prof. Dr. Peter Grimm: Dass er es besser in körpereigenes Eiweiß umsetzen kann. Es ist so, alles, was wir an Eiweiß essen, wird in unserem Magen-Darm-Trakt erst mal in Aminosäuren zerlegt. Das heißt, wir haben dann Aminosäuregemische und daraus baut sich der Körper sein eigenes Eiweiß wieder auf. Wenn wir jetzt also Kanibalen wären, dann würden wir hervorragendes Eiweiß essen, weil wir genau die Mischung essen würden, die wir brauchen. Jetzt sind wir, Gott sei Dank, keine Kannibalen und alles andere, was wir an Protein essen, entspricht eben nicht ganz der Zusammensetzung, wie wir es brauchen. Und deswegen müssen wir de facto mehr Protein essen, als wir in Wirklichkeit brauchen. Ich habe eingangs erwähnt, wir scheiden so ungefähr 20 bis 30 Gramm Protein pro Tag aus. Wenn wir das Super-Protein hätten, dann würde es reichen, 30 Gramm Protein pro Tag zu essen, das ersetzen, was wir ausscheiden. Aber dadurch, dass wir nur schlechtere Proteine essen, müssen wir davon einfach mehr essen. Und da gibt es die Variante Entweder wir essen Proteine, die ganz nah an uns dran sind und ein Tier ist nun mal näher an uns dran als irgendeine Pflanze. Oder aber wir mischen Pflanzen. Es ist so, dass in allen Proteinen gibt es immer eine sogenannte limitierende Aminosäure, also eine Aminosäure, die ganz wenig drin ist. Aber in anderen pflanzlichen Proteinen ist die wiederum mehr drin. Das heißt, wenn wir da geeignete Mischungen machen, dann kommen wir auf ganz gute Proteinqualitäten und müssen nicht unbedingt tierische Proteine essen.
Martin Hoffmann: Was ist denn von so was, wie ich sage jetzt mal diesem Proteinpulver, diese Protein-Shakes – wird ja auch immer viel davon geredet, gerade wenn es jetzt um Diäten geht, heißt es: „Na ja, also morgens starte den Tag erst mal mit einem Protein Shake, dann hast du schon mal deine 30, 40 Gramm von deinem Tagesbedarf schon mal gegessen oder in dem Fall getrunken.” – Was ist von so was zu halten?
Prof. Dr. Peter Grimm: Wenn man mal die Studienlage anschaut, kann man feststellen, dass sehr viele diese Studien wirklich mit Molkenprotein gemacht wurden – Whey-Protein. Und das ist auch das, was so im Kraftsport im Moment am verbreitetsten ist und was häufig auch in diesen Shakes mit drin ist. Wie gesagt, es liegt daran, dass die meisten Studien damit gemacht wurden. Es hat auch einen theoretischen Hintergrund, weil ein Molkenprotein Lysin relativ viel drin ist. Das ist eine Aminosäure, die in pflanzlichen Proteinen häufig wenig vorkommt. Außer in Hülsenfrüchten, da kommt sie genug vor. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: „Wozu brauche ich den Protein-Shake?” Also ich esse mein Protein lieber in Form eines Lebensmittels. Protein-Shakes haben in der Regel auch alle relativ viel Zucker. Und weil Protein an sich in der Regel schlecht schmeckt und sie haben in der Regel auch Geschmacksstoffe, Farbstoffe mit drin, um dem Ganzen so ein schönes Aussehen zu geben.
Martin Hoffmann: In welchen Lebensmitteln ist denn besonders viel Eiweiß drin?
Prof. Dr. Peter Grimm: Also ich habe extra mal zwei Pläne rausgelassen, um einfach mal zu zeigen, es geht auf beide Arten. Und ich habe mal einen Plan für eine Mischkost rausgelassen, wo also Obst und Milch und Müsli zum Frühstück gegessen wird und als Zwischenmahlzeiten Joghurt und nachmittags ein Schnitzel und abends dann wird noch ein belegtes Brot mit Schinken und Käse gegessen und dann ist man bei einem ungefähr 2000 Kilo Kalorien. Das ist so ein Schnitt ist nur bei 105 Gramm Protein pro Tag, das heißt mit einer Mischkost – und ich glaube, das ist jetzt nix Abartiges: 50 Gramm Käse, 50 Gramm Schinken, Schnitzel am Mittag – sind wir schon weit darüber. Also die Person, die ich da eingegeben habe, die hat den Bedarf von 60 Gramm und liegt jetzt schon bei 105 Gramm, ohne sich groß anzustrengen.
Martin Hoffmann: Das heißt, eigentlich muss man sich da gar nicht so einen großen Kopf drum machen und jetzt besonders eiweißhaltige Lebensmittel kaufen oder essen.
Prof. Dr. Peter Grimm: Wenn man Mischköstler ist, muss man das auf gar keinen Fall. Also solange sie Milchprodukte essen, auch mal einen Käse und Fleisch ab und zu oder Fisch ab und zu, muss man sich darüber keine Gedanken machen. Nein. Anders sieht es aus, wenn man sich rein pflanzlich ernähren möchte. Und da ist natürlich das Extrem eine vegane Ernährung und das erlebe ich schon häufiger auch in meinem näheren Umfeld, dass dann ganz plötzlich auf vegane Ernährung umgestellt wird. Und dann werden halt sehr viele Getreidebratlinge und solche Dinge gegessen, um ein Ersatz zu haben für Lebensmittel, die man so kennt. Und das geht nicht auf die Dauer. Da fehlt es dann an Protein. Da muss man sich schon Gedanken machen, da darfs dann halt nicht der Getreidebratling sein, sondern da muss dann ab und zu auch Soja rein und es müssen Hülsenfrüchte rein.
Martin Hoffmann: Also ich esse sehr gerne Quark, aber mir ist aufgefallen seit kurzem steht da drauf: 60 Gramm pro Becher Proteine sind da mit drin. Jetzt gibt es ja noch ganz viele andere Produkte. Ich sage jetzt mal Proteinriegel, auf diversen Getränken steht es mittlerweile drauf. Es gibt Kekse sogar. Es gibt jetzt auch auf Käse steht drauf: „Hier ist Protein drin", was ja eigentlich klar ist, dass da Protein drin ist. Aber es steht jetzt noch mal explizit oben drauf. Wie gesund sind solche Produkte? Sie haben ja schon gesagt, na ja, mit den, mit den Shakes, viel Zucker drin, viel andere Stoffe noch so ein bisschen, wenn wir mal solche Riegel anschauen, Getränke anschauen, Käse, wo das dann irgendwie draufsteht, sind die gesünder, ungesünder oder wie kann man das definieren?
Prof. Dr. Peter Grimm: Ich habe extra mal so ein Produkt mitgebracht. Das entspricht genau dem, was Sie mir so gesagt haben.
Martin Hoffmann: Genau, Sie haben jetzt grade ein Quarkbecher. „Stay Strong" steht drauf und ich sehe 42 Gramm Proteine im Becher drin.
Prof. Dr. Peter Grimm: Sehen Sie, und das ist ein reiner Fake. Das ist wirklich Fake. Was kann, man kann es nicht anders sagen, weil wenn man auf die Nährwerttabelle schaut, dann sieht man, dass der Quark 8,5 Gramm pro 100 Gramm hat. Das ist sogar vom Proteingehalt ein sehr schlechter Quark, weil die normalen Quarks haben 10 bis 12 Gramm. Genauso steht hier drauf „proteinreich, fettarm". Das können Sie mit jedem Magerquark auch haben. Also Sie zahlen für so ein Produkt natürlich sehr viel mehr Geld, aber es ist de facto schlechter als der normale Magerquark. Selbst wenn wir diesen Hype, um den Skyr zum Beispiel anschauen, der ja auch sehr gehypt wird mit hohem Proteingehalt, dann hat in der Regel so ein Skyr elf Gramm pro 100 Gramm und der normale Quark hat 11 bis 12. Also es wird hier sehr viel Werbung betrieben mit Selbstverständlichkeiten und früher war es halt einfach so, man hat auf die Nährwerttabelle geschaut und gesehen, wie viel Protein drin ist und jetzt wird der Gesamtgehalt auf den Becher geschrieben. Und es gibt dann immer große Zahlen, machen auch viele Getränkehersteller, diese Milchmischgetränke usw., dann kommen große Zahlen heraus für etwas absolut Selbstverständliches.
Martin Hoffmann: Das heißt, wenn man einfach auf die Nährwerttabelle guckt, ein bisschen rechnet, an der Stelle kann man auch gut Geld sparen und die gleichen Nährwerte bekommen eigentlich.
Prof. Dr. Peter Grimm: Und oftmals bessere Produkte, weil sie da wirklich nur das Produkt haben. Also wenn ich Quark kaufe, dann möchte ich Quark kaufen und wenn ich eine Milch kaufe, eine Milch und ich möchte da nicht irgendwelche Zusatzstoffe mit drin haben, gefärbt, Farbstoffe oder sonstige Dinge und ja, Sie haben es schon gesagt, schauen Sie auf die Zutatenliste.
Martin Hoffmann: Kann ich zu viel Protein essen?
Prof. Dr. Peter Grimm: Protein Überdosierungen, da wird seit langem drüber gestritten. Die Studienlage ist nicht gut. Also man kann sagen, bei hoher, sehr hoher Proteinaufnahme ist einigermaßen gesichert, dass das Risiko für Typ zwei Diabetes etwas höher ist. Sehr viel diskutiert wird über die Niere. Sie werden ja einen ehemaligen Schüler von mir interviewen. Das war ein Fall, den ich aber auch nur einmal im Leben gesehen habe, der es wirklich sehr übertrieben hat. Und solche Extremfälle findet man ganz, ganz selten. Interessanter ist vielleicht auch: Was passiert mit der Niere, wenn man es sehr, sehr lange treibt, mit sehr hohen Proteindosen und dazu gibt es einfach keine richtigen Langzeitstudien. Also ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, was passiert, wenn so ein Bodybuilder oder überhaupt jemand mit diesem Proteinhype über viele, viele Jahre 2,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht aufnimmt. Ob dann nach 20, 30 Jahren seine Nieren geschädigt sind, das kann ich Ihnen nicht sagen.
Martin Hoffmann: Ist wahrscheinlich auch schwierig zu sagen, weil meistens, ich sage es mal in den meisten Fällen, ist ja nicht nur eine hohe Proteinzufuhr in dem Bereich oder beim Bodybuilding mit dabei, sondern oftmals auch Kreatin, andere Stoffe, die dann auch noch genommen werden. Das heißt, wahrscheinlich ist es schwierig, isoliert dann zu sagen: Na ja, das war jetzt das Protein, was jetzt zu Nierenversagen, zum Beispiel, geführt hat.
Prof. Dr. Peter Grimm: Darf ich ganz kurz einhaken? Es kommt noch etwas anderes dazu, was man immer ganz gern vergisst. Wenn man solche hohen Proteinmengen zu sich nimmt, dann muss man etwas anderes weglassen. Also, Sie können sich nicht normal ernähren, wie bisher auch und dann jede Menge Protein obendrauf geben. Das würde dazu führen, dass sie ganz schnell extrem zunehmen würden. Das heißt, Sie müssen etwas anderes weglassen und die meisten lassen dann Kohlenhydrate weg. Damit fehlen Ihnen auch Ballaststoffe. Es fehlen ihnen die Vitamine, Mineralstoffe, die sich im Getreide befinden. Sie haben völlig recht. Können wir wirklich unterscheiden? Nach so langer Zeit? Ist es der Mangel an irgendetwas anderem gewesen? Oder unerwünschte Begleitstoffe? Oder wirklich das Protein?
Martin Hoffmann: Man kann jetzt aber noch mal festhalten: Die Empfehlung ist bei 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Daran sollte man sich orientieren. Damit ist man auch wirklich gut versorgt an der Stelle. Wenn man in den Leistungssportbereich reingeht, dann kann es auch etwas höher sein bei 1,5 Gramm. Wenn man jetzt mal ein zwei Tage komplett über die Stränge schlägt, sehr proteinreich isst, dann ist das gar nicht schlimm. Wenn es mal ein paar Tage, wenn ich mal über diese Grenzwerte rüberkommen.
Prof. Dr. Peter Grimm: Macht definitiv nichts. Nein.
Martin Hoffmann: Professor. Grimm, vielen, vielen Dank. Sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet. Ich glaube, ich habe jetzt deutlich besser verstanden, wie Proteine auch funktionieren und was das mit dem Körper macht. Danke Ihnen.
Prof. Dr. Peter Grimm: Bitte schön.
Martin Hoffmann: Schon überraschend, dass es zu den Folgen proteinhaltiger Ernährung und deren Auswirkungen auf die Nieren so gut wie keine Langzeitstudien gibt. Wie so oft macht anscheinend die Dosis das Gift. Und das bringt mich jetzt direkt zu Anil Esen. Er hat seine Ernährung über mehrere Wochen auf eine eiweißreiche und kohlenhydratarme Keto-Diät umgestellt. Ziemlich radikal sogar. Mit einem unschönen Ergebnis. So, ich bin jetzt hier in Stuttgart Freiberg und wir haben uns bei Anil zu Hause verabredet. Er müsste schon zu Hause sein. Ich klopfe mal ganz kurz. So! Hallo Anil.
Anil Esen: Hallo! Hereinspaziert.
Martin Hoffmann: Schön, dass wir da sein können. Danke dir. Sag mal, wie geht es dir heute?
Anil Esen: Mir geht es ganz gut. Danke schön.
Martin Hoffmann: Nach deiner Niereninsuffizienz. Wenn du jetzt diesen Zeitraum von „es ist passiert“ bis jetzt betrachtest: Wie lange hat es gedauert, bis es dir wieder so gut geht, wie heute?
Anil Esen: Es ging, also, ehrlich gesagt vielleicht ein Monat oder zwei, nachdem ich aus dem Krankenhaus raus war. Also, es ist jetzt nicht so, dass ich da bettlägerig war oder so was. Das war halt Notaufnahme. Sechs, sieben Stunden, so wie man das kennt. Bin da raus und das war's schon. Ich habe mich im Großen und Ganzen danach schon relativ wohl wieder gefühlt, weil ich habe, als ich rausgekommen bin, mehr oder weniger diese diese Diät schon unterbrochen oder oder abgebrochen, indem ich Kohlenhydrate schon zu mir genommen habe auf dem Weg wieder nach Hause, auf die Empfehlung meines Mentors, meines damaligen Mentors. Ich bin relativ schnell wieder in so einen normalen Zustand gekommen. Es waren vielleicht zwei, drei Tage danach noch, wo ich vermehrt noch mal pinkeln musste, auf gut Deutsch oder öfter in kürzeren Intervallen, als es normalerweise der Fall wäre. Aber zwei, drei Tage war schon wieder Normalität drin.
Martin Hoffmann: Warum hast du denn deine Ernährung auf Keto umgestellt und wie sah die Ernährung genau aus? Also was hast du gegessen?
Anil Esen: Unterbewusst hat sich das irgendwie so eingeschlichen. Man kennt das ja Instagram, TikTok oder Facebook, für die ganz alten Hasen. Und irgendwann habe ich mir da mal einen Podcast oder eher gesagt war das ein Reel, wo die einfach einen Podcast aufgenommen haben und da hat einer über diese Karnivor-Diät geredet, diese Fleischfresser-Diät. Da ist man halt hellhörig geworden, hat man sich mal ein bisschen informiert: Wieso nehmen die Leute ab? Warum machen die das? Da wurde dann auch gesagt ja, der eine oder andere hat sogar Krankheiten damit heilen können und weiß ich nicht, ob das jetzt stimmt, lasse ich mal jetzt einfach so stehen.
Martin Hoffmann: Jetzt hast du es gerade Fleischfresser-Diät genannt, also Ernährung. Was genau hast du gegessen? Wie sah deine Ernährung konkret aus?
Anil Esen: Das war konkret so, dass man einfach auf Kohlenhydrate verzichtet hat. Also es gab keine Nudeln mehr, kein Brot mehr, keine zuckerhaltigen Getränke, keine Soßen, also Sahnesoßen oder so etwas. Also das höchste der Gefühle war mal so eine Tomatensoße oder so was. Also da muss man auch schauen, dass da kein Zucker mit beigesetzt ist oder so was. Ansonsten hat man da halt nur tierische Produkte gegessen. Man hat sich dann überwiegend davon ernährt. Also morgens dann fünf Eier und dann gab es hier so Rinderwürstchen. Die habe ich mir dann beim Türken gekauft. Die gab es dann in so einer Dose, das waren 330 Gramm.
Martin Hoffmann: Aber es ist schon ein sehr herzhaftes Frühstück.
Anil Esen: Ja natürlich, weil du musst ja überlegen, du verzichtest ja quasi auf diese „Filler“, wie Brot. Ich sag dir ganz ehrlich, wenn ich, wenn ich jetzt frühstücke, reicht mir ein Brötchen in zwei Hälften und dann tust du da weiß ich nicht, jeweils ein Ei drauf oder ein Spiegelei und dann gibt es noch ein bisschen Würstchen dazu oder sonst irgendwas und dann langt es. Aber irgendwie kriegt man auch das Gefühl, sobald man kein Brot essen darf, müsste man irgendwie mehr essen, um satt zu werden. So hat sich das dann auch eingeschlichen. Dann kam das dann auch 3 bis 5 Eier morgens mit mit relativ viel Fleisch dazu, relativ viel Butter dazu, weil es ja hieß, sobald der Körper dann auf Ketose umgestellt hat, entnimmt der Körper die Energie nur aus diesen tierischen Fetten und lebt dann davon, weil das sind ja irgendwie kurzfristige Energielieferanten. Mittags habe ich gar nicht mehr gegessen. Irgendwann kam dann so nach der zweiten Woche, dass auch dieses Hungergefühl dann auch weg war. Ich habe dann irgendwie relativ spät is ich glaub 18 Uhr oder so was war die letzte Mahlzeit zwischen 18 und 19:00, aber da habe ich auch richtig reingehauen. Also da gab es mindestens 350 bis 400 Gramm Rib-Eye-Steak. Das ging wirklich fünf Wochen am Stück so. Ja, das war es dann also. Steak, dann noch mal ein Ei draufgehauen. Relativ viel Butter und Gemüse habe ich wirklich sehr, sehr, sehr wenig gegessen. Also man sagte, man soll es gar nicht essen. Aber im späteren Verlauf habe ich dann einfach gemerkt, dass so ein bisschen zu eintönig geworden, wenn man das dann schon so zwei, drei Wochen macht. Und dann gab es da wirklich nur das, was in meine Hand passte. So hieß es dann also das so quasi die Faustregel nur das, was in deine Hand passt, kannst du dann halt als Gemüse mit dazu essen. Es gab dann halt nicht viel dazu: eine Tomate, eine Gurke oder weiß ich nicht was.
Martin Hoffmann: Passt ganz schön in die Faustregel, weil es ja wirklich so eine Faust ist.
Anil Esen: Genau. Genau so. Genau.
Martin Hoffmann: Aber jetzt sag mal kurz, Keto, ich habe immer gedacht, Keto heißt, es ist eine sehr, sehr fette Ernährung, also dass du sehr viel tierische Fette zu dir nimmst. Jetzt Rib-Eye-Steak und viele Eier, das ist ja dann auch im Proteingehalt extrem hoch.
Anil Esen: Na klar, das kommt ja mit dazu. Ich glaube, die Leute, die sich für die Keto entscheiden, die wissen einfach zwangsläufig, dass mit tierischen Produkten auch ein relativ hoher Proteinbedarf oder Proteinhaushalt einfach abgedeckt wird. Das war ja auch irgendwo das Ziel der ganzen Sache quasi gleichzeitig abzunehmen, also an Fett zu verlieren und durch den hohen Proteinhaushalt Muskulatur, nicht unbedingt aufzubauen, sondern zu erhalten/aufbauen, wenn es überhaupt geht. Das war eigentlich das Ziel hinter der ganzen Sache. Man hat sich auch so viele Sachen angehört und irgendwann war mein Instagram-Algorithmus so voreingestellt, dass mir nichts anderes blieb, außer mir Reels anzuschauen von Erfolgsgeschichten von Leuten, die Keto erfolgreich ein bis zwei Jahre oder teilweise sogar noch länger durchgezogen haben.
Martin Hoffmann: Wie lange hast du es denn durchgezogen?
Anil Esen: Ich muss hinzufügen ich habe zwei Versuche gehabt insgesamt. Der erste war sechs Wochen und quasi Mitte der sechsten Woche kam ich ins Krankenhaus.
Martin Hoffmann: Warum hast du gesagt: „Hey, ich muss jetzt ins Krankenhaus gehen.“?
Anil Esen: Es war an irgendeinem Freitag. Das war – am Montag hätten wir Prüfung gehabt und ich hab dann noch relativ spät war ich dann noch am Pauken und dann kam es, dass ich relativ oft aufs Klo gehen musste, also Wasserlassen musste. Das war der erste Moment. Das war schon ungewöhnlich, weil ich weiß, ich habe zuvor nicht viel getrunken, deswegen war das schon ungewöhnlich. Aber ich hab mir halt nicht weiter Gedanken gemacht. Ja, nach 20 Minuten nochmal halt. Aber in der gleichen Menge. Also wirklich volle Blase, wieder aufs Klo, wieder eine Minute, anderthalb oder so was. Echt davor gestanden und gewartet und gewartet, bis es aufhört.
Martin Hoffmann: Hast du zwischendrin getrunken dann, oder...?
Anil Esen: Nein, ich hab zwischendurch, glaube ich, nicht getrunken gehabt, nicht, dass ich mich erinnere. Und dann wieder 20 Minuten, 25 Minuten später wieder. Aber wirklich volle Blase, das war dann nicht mehr normal. Also nach dem dritten Mal habe ich gesagt: „Okay, irgendwas stimmt hier nicht.“ Und dann kam es noch ein viertes Mal vor und dann hab ich mir gesagt: „Okay, wenn es noch ein fünftes Mal passiert, dann rufe ich meinen Mentor, den Herrn Passhof.“ Menschlich waren wir relativ gut miteinander und ich dachte mir, wenn mir da jetzt jemand helfen kann auf die Schnelle, dann er. Zumal ich auch nur seine Telefonnummer hatte. Von allen Dozenten, die wir dann dort in der Akademie hatten, hab ich seine seine Telefonnummer gehabt und hab dann da angerufen, mitten in der Nacht. Den armen Mann hab ich geweckt und hab gesagt: „Ja, hier, hey Prof., ich war jetzt schon fünfmal pinkeln, jeweils mindestens einen halben Liter oder so was. Und er wusste halt, was ich gemacht habe zu dem Zeitpunkt, also mit der Keto-Diät. Der hat das ja irgendwie beobachtet. Ich hab ja jeden Tag oder quasi alle zwei Tage Unterricht bei ihm gehabt und da hat er gesehen, ich habe ja meine Butterbrotdose ausgepackt und da war halt kein Brot drin.
Martin Hoffmann: Sondern ein Steak.
Anil Esen: Ja, Steak nun auch wieder nicht, aber da waren, da weiß ich nicht, zwei hartgekochte oder drei hartgekochte Eier mit Salami, Truthahn oder Rindersalami oder sonst irgendetwas. Und zufälligerweise, seine Frau ist, wenn ich mich nicht ganz täusche, auch Ernährungsberaterin. So, und ich hab, man muss sich vorstellen, ich hab den Mann mitten in der Nacht angerufen. Also die liegen beide im Bett und ich bin am Telefon und sag dann: „Hey, was soll ich machen?“ Und seine Frau hat schon gleich während des Telefonats nebenan hat es schon mitbekommen und hat da schon vor Ort gesagt, dass das wahrscheinlich eine Niereninsuffizienz ist. So, und bis zu dem Zeitpunkt haben wir gar keine Ahnung gehabt, was das überhaupt sein könnte. Und er hat gesagt: „Junge, ganz ehrlich, ab ins Krankenhaus mit dir. Also warte nicht zu Hause, bis es vorbei ist oder so was. Das kann echt in die Hose gehen.“ Ich bin ja dann ins Krankenhaus, Notaufnahme, angemeldet. „Ja, was ist Ihr Problem?“ Sag ich: „Ich muss relativ oft pinkeln.“ Und das ist halt in deren Augen dann nicht unbedingt ein Problem. Oder kein Notfall. Sagen wir mal so. Und irgendwann kam ich dann dran und da haben die Bluttest gemacht, Urintest gemachten und herausgefunden, ja zu viel Ketonkörper im Urin und Eiweiß haben die auch noch drinne gefunden. Irgendwann wurde dann von der klaren Farbe, also man muss sich ja vorstellen, wenn man dann irgendwie 15 mal auf dem Klo war oder so etwas, ja dann kommt es ja relativ klar raus, also farblos. Und irgendwann war dann der Zeitpunkt erreicht, dass das Ganze dann nicht mehr klar war oder farblos war, sondern irgendwann milchig wurde. Und ich musste genau zu dem Zeitpunkt, wo ich dann dran genommen wurde, ging das genau da los mit diesem milchig werdenden des Urins und die Notärztin, die das dann dort aufgenommen hat, kam dann, hat gesagt ja, das ist los, hier Ketonkörper und Eiweiß im Urin und was auch immer. Und dann gab es da Überweisung zum Facharzt und es war keine akute Gefahr da. Also so, dass man jetzt sagen muss: Okay, du musst jetzt in die Intensivstation und beobachtet werden oder so etwas, aber ich hab halt, ich weiß nicht, wieso das so war, irgendwann noch Schmerzen im Bauch bekommen. Also ich glaube durch das enorme Wasserlassen, durch dieses wieder auffüllen, wieder auf Spannung und wieder das Entlasten oder das Entspannen der Blase kam, dass das mal irgendwann Bauchschmerzen bekommen hat. Nichts, wo man sagen muss, das ist unerträglich oder so was war halt einfach unangenehm.
Martin Hoffmann: Was hätte dann passieren können? Also haben die gesagt was passieren hätte können, wenn du weitergemacht hättest mit dieser Ernährung und nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus gegangen wärst?
Anil Esen: Ja, angenommen jetzt, ich wäre zu Hause geblieben und hätte das jetzt mehr oder weniger versucht zu Hause auszukurieren, wäre es früher oder später dann soweit gekommen, dass man dann an einem Nierenversagen hätte draufgehen können. Auf gut Deutsch. Also unterschätzen sollte man das nicht. Also wenn man da in die in die ganze Sache reingeht, dann sollte man sich auf jeden Fall informieren. Ich habe es ja auch ein zweites Mal probiert danach.
Martin Hoffmann: Das heißt, du hast danach erst mal wieder... Wie lange hat es gedauert, bis du dann den zweiten Versuch gestartet hast?
Anil Esen: Vielleicht zwei Monate danach oder so.
Martin Hoffmann: Aber warum hast du das gemacht? Also wenn – ich sage jetzt mal der Erste ist ja nicht wirklich gut ausgegangen. Also der Erste ist es im Krankenhaus geendet.
Anil Esen: Ja, ja.
Martin Hoffmann: Der Zweite: Warum machst du den Zweiten?
Anil Esen: Also im Abgang war es nicht gut. Ich sag mal so, ganz ehrlich, ich bin die ersten Wochen oder bis zu dem Zeitpunkt, wo das mit dem relativ viel Pinkeln dann losging, bin ich relativ gut mit der Ernährung gefahren. Also ich habe keinen Hunger gehabt und man hat irgendwie das Gefühl gehabt, als könnte man klarer denken oder so was.
Martin Hoffmann: Was hast du beim zweiten Versuch anders gemacht als beim ersten?
Anil Esen: Beim zweiten Versuch habe ich viel weniger Fleisch gegessen. Ich hab ab der vierten Woche beim ersten Versuch oder ab der dritten Woche, hab ich irgendwas zwischen 500 und 750 Gramm Fleisch zu mir genommen.
Martin Hoffmann: Pro Tag.
Anil Esen: Pro Tag. So, und das ist klar für jemanden... Also ich war ja im Studium, also ich hab relativ wenig Zeit zum Sport machen gehabt. Es ist einfach Quatsch, wenn du keinen Sport machst, also wirklich anstrengenden, intensiven Kraftsport machst –
Martin Hoffmann: Also wir reden wirklich über Kraftsport. Wir reden nicht über ein bisschen Laufband, sondern wir reden richtig über Kraftsport.
Anil Esen: Nein, nein. Auf gar keinen Fall. Richtigen Kraftsport, also die Muskelfasern müssen reißen, damit diese Proteine einfach wieder Platz finden, also ihren Platz finden oder eine Verwendung finden. Ansonsten fließen sie einfach durch und verkleben dann irgendwann die Nieren. Beim zweiten Mal habe ich dann wirklich sehr, sehr viel weniger Fleisch gegessen. Dafür habe ich auch die Zeit gehabt, dann auch wirklich zu trainieren. Also mit vier Wochen insgesamt gemacht. Ich habe deutlich weniger abgenommen als wie beim ersten Versuch in den ersten vier Wochen. Ich bin einfach vorsichtiger an die Sache herangegangen und hab jetzt nicht sehr viel abgenommen in dieser Zeit, aber das war für mich trotzdem eine coole Erfahrung, einfach zu sehen: Wenn man es richtig macht, funktioniert es.
Martin Hoffmann: Wie sieht jetzt eine Ernährung gerade aus? Bist du wieder so ein bisschen ausgewogener unterwegs oder geht es schon wieder in diese Richtung?
Anil Esen: Nein, tatsächlich. Seit der Keto-Diät, bin ich sehr vorsichtig mit Kohlenhydraten. Also ich es schon Kohlenhydrate. Klar. Morgens vielleicht mal so ein Brötchen oder so was und man schaut einfach, dass man die Hauptmahlzeit relativ kohlenhydratarm isst. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich da strikt bin. Und dann sage: „Nein, auf gar keinen Fall und heute keine Nudeln, heute kein Brot oder so.“ Wenn ich Lust habe, gönne ich mir schon, aber man so ein Bewusstsein dafür entwickelt irgendwann durch die Phase. Jetzt den ersten Durchlauf und den zweiten Durchlauf, hat man das irgendwie so manifestiert. Oder man hat sich dran gewöhnt, einfach zu gucken, wie viel Kohlenhydrate isst du usw. Und das einfach auf so einem gesunden Gleichgewicht zu halten. Ich esse immer noch Fleisch, aber nicht mehr in so riesigen Mengen.
Martin Hoffmann: Wie stehst du zu dem Thema Proteine jetzt nach der Ernährungsreise, die du gemacht hast?
Anil Esen: Also ich sag dir ganz ehrlich, jemand der nicht professionell in der Bodybuilding Szene unterwegs ist, das sollte nicht sein primäres Ziel am Tag sein, seinen Proteinbedarf zu zählen oder oder versuchen zu denken. Also mit einer normalen ausgewogenen Ernährung, hast du das alle Male drin. Die Leute, die sich dann auch zwei Shakes, Eiweißshakes noch mit auf die Arbeit nehmen.
Martin Hoffmann: Das heißt, so was hast du gar nicht gemacht? Also die ganzen –
Anil Esen: Eiweißshakes habe ich gar nicht nötig gehabt. Ich habe wahnsinnige Mengen an Protein, einfach nur durch das Fleisch und die Eier, die ich da an dem Tag – oder Milch an sich – meinen Eiweißbedarf extrem gedeckt. Also mehr als es überhaupt gesund wäre. Hat man ja dann im späteren Verlauf, dann in der sechsten Woche des ersten Durchlaufs, hat man das ja dann gesehen, was das dann für Folgen haben kann, wenn man das Ganze nicht mit Sport kombiniert.
Martin Hoffmann: Hättest du jetzt, wenn wir über die deine zukünftige Ernährung sprechen, wärst du bereit für den dritten Versuch? Oder sagst du: „Na ja, nee. Jetzt lass ich das mal anders laufen, aber ich hab meine Ernährung grundsätzlich eher so Richtung Fleisch umgestellt.“?
Anil Esen: Also ich bin grundsätzlich nicht gegen die Keto-Diät, wenn man das mal so in Phasen macht oder so in Schüben macht, dass man sagt, 4 bis 8 Wochen, möchte ich mich jetzt ketogen ernähren. Es gibt noch ungesündere Arten und Weisen, Gewicht zu verlieren, als nur Fleisch zu essen. Aber grundsätzlich ist es nicht so, dass ich jetzt der absolute Keto-Gegner bin. Ja, der erste Durchlauf ist ein bisschen in die Hose gegangen, einfach durch die Tatsache, dass ich während des Studiums angefangen habe, viel zu große Mengen Fleisch zu essen und viel zu wenig Sport zu machen. Also ich habe vielleicht einmal die Woche bin ich ins Krafttraining gegangen und das vielleicht am Wochenende. Und am nächsten Tag habe ich so einen Muskelkater gehabt, dass ich gar kein Bock mehr hatte, danach wieder noch mal oder zwei Tage danach noch mal zu gehen. Und ich habe auch nicht die Zeit gehabt während des Studiums. Mein Appell an die Leute, die das wirklich machen wollen, ist: Informiert euch wirklich im Vorfeld. Wieso mache ich das? Was bewirkt das in meinem Körper? Und wie lange will ich das machen? Also einfach planen und nicht blind in die Sache reingehen, weil ich habe einfach gedacht: Ich steige jetzt einfach ein und solange ich jeden Tag Fleisch esse und keine Kohlenhydrate zu mir nehme, nehme ich ab. So, so hat das angefangen. Lief relativ lange gut und am Ende hat man dann die Rechnung dafür bezahlt.
Martin Hoffmann: Anil, vielen, vielen Dank! Unglaublich spannend und bleib gesund.
Anil Esen: Danke ebenso.
Martin Hoffmann: 0,8 Gramm Proteine pro Kilogramm Körpergewicht. Das ist optimal, so wie Professor Grim- gesagt hat. Außerdem ist eine ausgewogene Ernährung auch ziemlich wichtig und die aktuelle Empfehlung geht dahin, dass eben diese Ernährung eher pflanzenbasiert sein sollte. Dann muss ich sagen, die Ernährung, die Anil gemacht hat, über einmal sechs Wochen und dann noch mal über vier Wochen, die war schon ziemlich extrem und zum Glück ist die am Ende auch gut ausgegangen. Hätte auch anders ausgehen können. Mit einer Niereninsuffizienz ist definitiv nicht zu spaßen. Wenn ihr gerne mehr Informationen über das Thema Proteine haben möchte, dann schaut doch mal in unsere Shownotes rein. Hier haben wir wieder verschiedene Links und Infos zusammengetragen zu dem Thema. Lohnt sich auf jeden Fall sich da mal durchzuklicken. Genauso wie unser Instagram-Kanal @gesundnah. Lohnt sich auch da mal reinzuschauen. Hier könnt ihr gerne Fragen, Anregungen und Themenvorschläge an uns schicken. Und natürlich freuen wir uns auch über Bewertungen und Kommentare von eurer Seite. Bis zum nächsten Mal. Ich bin Martin Hoffmann. Wir hören uns.
Outro: GESUNDNAH – Der Gesundheits-Podcast der AOK Baden-Württemberg.
Sandria
‧Irmi Maus
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