#12 Machen uns Haustiere gesünder?

Shownotes

Mensch-Tier-Beziehungen sind wenig erforscht. Gemeinsam mit seinen Gästen geht Moderator Martin Hoffmann deswegen der Frage nach, ob Hund, Katze & Co. die Gesundheit beeinflussen können.

Mehr über die tiergestützte Arbeit auf dem Bauernhof von Andrea Göhring in Rulfingen erfährst du hier: www.bauernhoftiere-bewegen-menschen.de

Dr. Rainer Wohlfarth ist Gründer eines Instituts für tiergestützte Therapie in Sasbachwalden. Mehr dazu unter: https://animotion-institut.de/

Abonniert GESUNDNAH, um keine Folge zu verpassen. Für noch mehr Wissen und Tipps rund um Gesundheitsthemen folgt uns auch bei Instagram oder Facebook.

Transkript anzeigen

Intro: Unterwegs für die Gesundheit. GESUNDNAH – der Podcast der AOK Baden-Württemberg.

Martin Hoffmann: Menschen mit Haustieren haben ein besseres Immunsystem und ein geringeres Risiko für Übergewicht oder Bluthochdruck. Außerdem soll die emotional empfundene Nähe zu den Tieren Einsamkeit und depressive Symptome lindern. Tiere scheinen also wirklich eine enorme Wirkung bei ihren Besitzern und Besitzerinnen auszulösen. Zu diesem Ergebnis kommen viele aktuelle Studien. Allerdings sollte man sich diese Studien ganz genau anschauen. Denn man kann sich natürlich fragen: Sind Hundebesitzer wirklich fitter, weil sie mit dem Tier mehrmals am Tag Gassi gehen? Oder liegt es vielleicht vielmehr daran, dass sich gemütlichere Menschen erst gar kein Tier, das viel Auslauf braucht, zulegen? Und vielleicht neigen Katzenhalter nur deshalb weniger zu Bluthochdruck, weil sie ganz gut verdienen und eher im eigenen Haus wohnen, also einfach weniger finanzielle Sorgen haben. Es gibt nämlich beträchtliche soziale und demografische Unterschiede zwischen Tierlosen auf der einen Seite und Hunde- oder Katzenbesitzern auf der anderen. Da habe ich spannende Zahlen in der Studie "Wer lebt mit Mietze & Co" gelesen? Es gibt auch Fachleute, die von einem Haustier-Effekt-Paradoxon sprechen. Es heißt, die Halter würden nur glauben wollen, dass Hund und Katze ihnen guttun. In Wirklichkeit ginge es ihnen mit dem Tier jedoch viel schlechter. Das ganze Thema ist echt um einiges komplexer, als ich am Anfang meiner Recherche gedacht habe. Ich bin Martin Hoffmann und heute gehe ich für euch der Frage nach, ob uns Haustiere tatsächlich glücklicher und gesünder machen. Gleich bin ich mit Dr. Rainer Wohlfarth verabredet. Er ist psychologischer Psychotherapeut mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie, Hypnotherapie und Neuropsychologie. Mit ihm will ich klären, was mit unserem Körper, mit unserem Gehirn passiert, wenn wir mit einem Haustier zusammenleben. Danach geht es für mich auf den Bauernhof von Andrea Göhring nach Rulfingen. Sie ist hier Trainerin und Fachkraft für tiergestützte Therapie. Seit fast 15 Jahren begleitet sie Menschen mit Förderbedarf. Herr Dr. Wohlfarth, hallo.

Dr. Rainer Wohlfarth: Hallo. Schön, dass Sie da sind.

Martin Hoffmann: Ja, Schön, dass es klappt, dass Sie sich Zeit nehmen, dass wir sprechen können. Bin sehr gespannt. Herr Dr. Wohlfarth, wo hat die Forschung zum positiven Einfluss von Tieren, im besonderen Fall auch von Haustieren auf den Menschen eigentlich ihren Ursprung?

Dr. Rainer Wohlfarth: Den Ursprung hatte sie in einer Studie. Und zwar hat man untersucht, jetzt ganz unabhängig von Tieren, was Faktoren sind, die dazu führen, dass man einen Herzinfarkt bekommt. Das war so in den 1960ern, 1965er Jahren. Aber es kam dabei nichts raus, man hat nichts Richtiges gefunden. Es war allerdings die Frage "Haben Sie ein Haustier?" drin. Die ist aber in der ersten Runde gar nicht ausgewertet worden, weil keiner dachte, dass das irgendwie vernünftig ist. Und eine Mitarbeiterin, Rebecca Johnson, hat hartnäckig darauf bestanden, dass das ausgewertet wird. Und siehe da: Aha, das war die einzige Frage, die wirklich einen signifikanten Einfluss hatte, dass nämlich Menschen, die ein Haustier hatten, weniger Herzinfarkte hatten. Und das war das erste Mal, dass so statistisch mit über 1000 Probanden, festgestellt worden ist, dass Tieren Einfluss auf uns haben, auf Menschen haben, auf ihre Besitzer und Besitzerin haben. Und das hat die Wissenschaft extrem beeinflusst. Und plötzlich waren Zahlen da und da haben sich dann, nicht viele, aber einige drauf gestürzt und wollten wissen, welchen Einfluss haben Tiere auf unser psychisches und auch körperliches Wohlbefinden?

Martin Hoffmann: Welchen Einfluss haben die denn wirklich konkret? Also was kam daraus?

Dr. Rainer Wohlfarth: Also das die Tierbesitzer ungefähr 2,5-Fache weniger an einen Herzinfarkt hatten als die nicht Tierbesitzer. Und danach ist es dann halt richtig losgegangen. Dann hat man sich gefragt, ja welchen sozialen, emotionalen Einfluss gibt es? Und vor allem hat man dann festgestellt, dass die natürlich unserer Psyche, ich sage mal, in der Regel guttun.

Martin Hoffmann: Jetzt habe ich mir in der Recherche einige Studien angeschaut. Also es gibt eine sehr große Bandbreite von den Ergebnissen. Warum ist da diese Bandbreite so groß?

Dr. Rainer Wohlfarth: Weil die ihr Haustier so toll finden. Und dann denken die Mensch, jetzt mache ich gerade ein Masterabschluss oder Ich bin an der Uni, jetzt will ich doch auch mal gucken. Lässt sich das wissenschaftlich irgendwie belegen? Also ich würde sagen, 70, 80 % der Studien sind wirklich Masterabschlüsse und ein Teil sind dann natürlich Promotionen. Und der andere große Faktor ist, dass viele Studien von der Futtermittelindustrie gesponsert sind. Das muss man auch ganz ehrlich sein. Das ist so ähnlich wie bei der Medikamentenstudien, die auch von Pharmafirmen gesponsert sind und da natürlich einfach diese große Bandbreite reinkommt. Es gibt eigentlich noch keine so richtige Forschungstradition, dass man wirklich an einem Thema längere Zeit dran bleibt. Also eigentlich war Rebecca Johnson in Amerika fast eine der einzigen, die über viele, viele Jahre darüber geforscht hat.

Martin Hoffmann: Entwickelt sich da gerade irgendwas? Weil ich meine, dass das ist ja schon ein extrem spannendes Forschungsfeld und die Wichtigkeit von Haustieren nimmt ja auch noch mal zu. Jedenfalls gefühlt würde ich das jetzt von meiner Perspektive aus sagen. Sie atmen gerade tief durch (lacht). Ist es so? Oder ist es nur so ein Gefühl? (lacht)

Dr. Rainer Wohlfarth: Ich würde sagen: Jein. Also in Amerika hat die nationale Gesundheitsbehörde einen großen Beitrag zur Verfügung gestellt. Da wird relativ viel geforscht, nicht immer in eine Richtung, die ich jetzt persönlich für sinnvoll finden würde. Wenn man jetzt die Perspektive auf Deutschland hat, muss man sagen, in Deutschland gibt es keine einzige Professur, die sich wirklich im Kern damit beschäftigt. Es gibt Professuren, die sich so mit Tierethik beschäftigen, aber mit Mensch-Tier-Beziehung und gesundheitlichen Auswirkungen gibt es keine. Also es heißt, in Deutschland gibt es eigentlich gar keine Forschungstradition, auch wenn das ganz wichtig wäre. Aber da gibt es gar nichts. Also insofern ist es so ein bisschen... Muss auch vielleicht sagen, es ist natürlich auch so ein bisschen ein medialer Hype, also insofern ist es vielleicht auch eine gewisse Überschätzung des Ganzen, weil es natürlich was Tolles ist und wir das auch als toll erleben.

Martin Hoffmann: Jetzt habe ich in der Vorbereitung von dem Haustier-Effekt-Paradoxon gelesen. Was ist das genau?

Dr. Rainer Wohlfarth: Haustier-Paradoxon meint, dass wir ja üblicherweise davon ausgehen, dass Tiere uns guttun und Haustier-Paradoxon meint, dass es einige Studien gibt, die zeigen, dass Menschen, denen es schlechter geht, also eher psychische Probleme haben Haustiere haben. Zum Beispiel ist es so, dass man weiß, dass Menschen, die nicht gerne aus dem Haus gehen, dann keinen Hund zu sich nehmen, sondern eher eine Katze, weil die nicht unbedingt raus muss und dadurch verstärkt sich natürlich dieser Nicht-Raus-Geh-Effekt. Man weiß auch, dass Katzenbesitzer, und ich möchte denen jetzt nicht zu nahetreten, aber in der Regel im Schnitt nicht so sozial sind wie Hundebesitzer und Hundebesitzerinnen. Und wenn jetzt natürlich jemand vereinsamt ist, und eine Katze zu sich nimmt, dann kann es natürlich, auch wenn die Katze vielleicht dem oder derjenigen guttut, trotzdem einen negativen Effekt haben, weil der oder diejenige sich dann möglicherweise komplett zurückzieht. Da wäre es vielleicht besser er hätte einen Hund, würde rausgehen, würde Kontakte kriegen, würde andere Hundebesitzerinnen treffen. Also insofern: Tiere tun uns nicht immer nur gut. Auch wenn ein Tier stirbt zum Beispiel, tut uns das nicht gut. Also wir trauern, das weiß man, wir trauern um ein Tier fast mehr als um einen Angehörigen.

Martin Hoffmann: Ich fand das auch mal sehr spannend: Wir können zum Beispiel mehrere Hunde in unserem Leben haben, aber meistens hat der Hund immer nur ein Frauchen oder ein Herrchen. Spricht dann natürlich auch noch mal mehr für Familienmitglied und dann wird natürlich auch getrauert. Was würden Sie denn sagen: Was bewirkt denn der Umgang mit Tieren und da wieder auch speziell mit Haustieren im Menschen? Also was passiert in unserem Körper, wenn wir mit einem Tier zusammenleben?

Dr. Rainer Wohlfarth: Ja, das muss man glaube ich tierspezifisch sehen. Also bei Pferd und Katze wissen wir relativ wenig, weil wir insgesamt relativ wenig über die neurobiologischen, neurochemischen Veränderungen, die da sind wissen. Beim Hund ist es ein bisschen anders, da gibt es Studien und da zeigt sich zum Beispiel, dass wenn wir unseren Hund lange anschauen - er hat ja auch den treuen Hundeblick, der angezüchtet ist - wir haben hier oben spezielle Muskeln, und wenn er uns lange anguckt, dann wird bei uns extrem viel Oxytocin, was ja so als Kuschelhormon, Beziehungshormon genannt wird, ausgeschüttet. Und interessanterweise auch beim Hund. Man sagt, dass es so ein Oxytocin-Regelkreis gibt. Uns geht es dann gut. Es ist ja so ein Anti-Stress-Hormon. Und dann geht es auch dem Hund gut. Da gibt es schon auch ganz deutliche neurobiologische Effekte. Wir wissen zum Beispiel auch, wenn wir mit einem Hund kuscheln, wenn man den streichelt, dass dann der Blutdruck runtergeht, Herzschlag sich vermindert und in der Regel auch so unsere Stimmung besser wird.

Martin Hoffmann: Also das ist jetzt aber nicht unbedingt nur spezifisch auf Hunde, aber bei Hunden hat man es halt einfach. Über Studien kann man es belegen. Also theoretisch hat es einen ähnlichen Effekt, wenn wir eine Katze streicheln, aber das wissen wir nicht genau?

Dr. Rainer Wohlfarth: Vermutlich, genau. Also bei den Katzen wissen wir eher was von diesen Schnurrgeräusche. Da gab es, glaube ich mal eine Untersuchung. Insgesamt wissen wir natürlich, dass Körperkontakt, das wissen wir auch bei Menschen, dass das zu Oxytocin-Ausschüttung führt, aber wie gesagt untersucht, weil es einfach zu wenig Studien gibt, ist es nur bei Hunden.

Martin Hoffmann: Sie haben es gerade schon über den Hormonhaushalt gesprochen. Welchen positiven Einfluss haben denn beispielsweise, wenn man es bei Hunden besser erforscht hat, Hunde wirklich auf den menschlichen Hormonhaushalt?

Dr. Rainer Wohlfarth: Die Oxytocin-Ausschüttung, ja das ist ja so ein übergeordnetes Hormon, was extremen Einfluss auch auf unser Stress-Entspannungssystem hat, unseren Vagusnerv, also unseren Ruhenerv, aber auch unseren Sympathikus, unseren Stressnerv, aber auch unsere soziale Kontakte beeinflusst. Das weiß man extrem. Man weiß auch, das ist eine neuere Studie, dass das Serotonin, das ist ja auch so ein positives Hormon, das uns eher optimistisch macht, beeinflusst. Aber das sind die einzigen Studien, die ich jetzt persönlich kenne. Da gibt es noch nicht so viel, weil auch mit dem Oxytocin, das muss man aus dem Blut nehmen und das ist ja wieder dann schwierig, wenn man das dann so im Allgemeinen untersuchen möchte.

Martin Hoffmann: Bei welchen psychischen Erkrankungen hat sich denn der Umgang mit Haustieren, ich sage es mal, besonders erfolgreich bewährt? Oder kann man das so gar nicht sagen?

Dr. Rainer Wohlfarth: Das kann man so gar nicht sagen. Wir sagen immer, es gibt so allgemeine Gründe, wieso wir Haustiere haben, zum Beispiel Biophilie. Das heißt, wir haben eine uralte Affinität zu Natur, sind also gerne draußen im Wald. Wir gehen gerne wandern und da gehören die Tiere natürlich auch dazu. Also letztlich ist ja der Mensch auch ein Tier, das ist zum Beispiel eine Sache. Wir nehmen zu Tieren Bindungen auf wie zu Menschen, das ist ein anderer Grund, wieso wir Haustiere haben. Fürsorge ist zum Beispiel ein ganz wichtiger Grund, wieso wir Haustiere haben. Und dann geht es runter zu diesen spezifischen Erkrankungen. Das kann man gar nicht sagen, sondern wenn man jetzt eher in diesen - jetzt kommen wir so ein bisschen rüber in diesen Bereich tiergestützte Therapie - da ist es eher so, dass wir von Wirkmechanismen sprechen, also Tiere haben bestimmte Wirkmechanismen, zum Beispiel motivierend und da sind wir wieder bei der Depression. Bei der Depression habe ich das Problem, dass depressive Menschen manchmal nicht zu motivieren sind. Bin ich aber in unserer Klinik zum Beispiel sage "Oh, wir gehen zu den Eseln oder wir gehen mit dem Hund raus", dann stehen alle parat und gehen mit mir raus. Und ich habe diesen Effekt, den ich gerne hätte, nämlich die bewegen sich und Bewegung ist wieder gut für Depression. Also das sind eher übergeordnete Mechanismen, zum Beispiel Angst- und Stressminderung. Wenn ich meinen Hund mit in meiner Praxis mit dabeihabe und der liegt neben mir und die Patienten können ihn streicheln, haben wir wie gesagt Oxytocin-Ausschüttung, dann sind die natürlich auch bereit, mir mehr Sachen zu erzählen und es geht ihnen wohler oder sie können sich ein bisschen ablenken. Also da muss man ein bisschen differenzieren. Da sagen wir, es gibt bestimmte Wirkmechanismen, die wir bei bestimmten Erkrankungen gut einsetzen können. Aber man kann nicht sagen, das wirkt jetzt besonders gut bei Autismus oder bei ADHS, also bei Aufmerksamkeitsdefiziterkrankungen oder bei Depression oder so, sondern jeder muss gucken, was möchte ich in der Situation sozusagen für eine Wirkung bei der Erkrankung haben.

Martin Hoffmann: Und wie Sie sagen, das mit Bewegung. Also natürlich gibt auch ein Tier, vor allem jetzt ein Hund, auch Struktur für den Tag.

Dr. Rainer Wohlfarth: Absolut, natürlich, ganz klar. Also ich habe jetzt gerade auch eine Patientin, die sich zum Beispiel sehr sozial zurückgezogen hat und die sagt "Also wenn mein Hund nicht mehr da wäre, dann wäre ich vielleicht auch nicht mehr auf dieser Welt". Da ist ja auch die Fürsorge fürs Tier auch ganz wichtig.

Martin Hoffmann: Jetzt haben Sie gerade Ihre Praxis angesprochen. Was hat Sie denn dazu bewogen, Ani.Motion zu gründen?

Dr. Rainer Wohlfarth: Muss ich ganz ehrlich sein, das war eigentlich, man würde sagen Bierttisch-, aber es war eigentlich eine Kaffeetisch-Idee und es war die Idee von Bekannten und uns. Was können wir denn Sinnvolles mit unseren Tieren tun? Und dann haben wir gesagt: „Na ja, es wäre so tiergestützte Therapie“. Davon haben wir mal gehört, aber noch gar nicht so richtig gewusst, was das ist. Haben uns dann informiert und dann kam uns die Idee „Ja, das könnte man ja, weil wir aus dem Fachbereich kommen, machen“. Wir holen noch ein paar Fachleute dazu, die Dinge abdecken, die wir nicht können. Und dann haben wir angefangen, uns auszubilden. Und dann ist es passiert, dass wir von wildfremden Menschen angerufen worden sind. Wir würden dort eine Ausbildung machen, sie würden auch gerne mitmachen. Und so hat sich das eigentlich über Ausbildung entwickelt. Und diese praktische Tätigkeit, muss man ganz ehrlich sagen, ist erst danach gekommen, als wir gesehen haben, da ist ein Riesenbedarf. Ja, und dann haben wir auch angefangen, dass wir unsere Tiere mitarbeiten lassen und haben dann ganz langsam Erfahrungen gesammelt. Und jetzt haben wir vier Esel und einen Hund und arbeiten sowohl ambulant als auch eben für Kliniken oder Praxen, die uns dann Patienten zuweisen.

Martin Hoffmann: Was würden Sie sagen: Machen uns jetzt am Ende Haustiere glücklicher und gesünder?

Dr. Rainer Wohlfarth: Wollen Sie jetzt die Antwort vom Wissenschaftler oder wollen Sie eine von mir als Hundebesitzer? (lacht)

Martin Hoffmann: Erst hätte ich gern die Antwort vom Wissenschaftler.

Dr. Rainer Wohlfarth: Ich würde sagen so zu 70:30 sagen die Studienergebnisse: Ja. Wissenschaftler sind ja immer etwas kritisch. Als Hundebesitzer sagen wir: "Was ist das für eine komische Frage? Natürlich ohne Zweifel!"

Martin Hoffmann: Herr Dr. Wohlfarth, vielen, vielen Dank. Ich muss sagen ich habe wieder sehr viel dazugelernt. Gerade was wirklich im Gehirn passiert, was mit dem Hormonhaushalt passiert. Herr Dr. Wohlfarth, vielen Dank.

Dr. Rainer Wohlfarth: Vielen Dank.

Martin Hoffmann: Nachdem ich gerade mit Dr. Rainer Wohlfarth vor allem über die psychologische Wirkung von Haustieren auf unser Wohlbefinden gesprochen habe, interessiert mich jetzt natürlich auch die therapeutische Perspektive. Und dazu bin ich nach Rulfingen gekommen. Das liegt im Landkreis Sigmaringen, und hier betreibt Andrea Göhring zusammen mit ihrem Mann einen Biobauernhof. Neben ihrem Beruf als Agrartechnikerin hat sie sich auf die tiergestützte Arbeit mit Bauernhoftieren spezialisiert. Und dabei arbeitet sie mit Menschen mit unterschiedlichen Förderbedarf zusammen, bildet aber auch andere Menschen aus verschiedenen Berufsfeldern aus. Auf dem Hof gibt es Kühe, Esel, Ziegen, Schafe, Schweine habe ich schon gesehen und ein paar Hühner auch noch. Und ich muss sagen, es ist wirklich total schön hier. Und so richtig idyllisch gelegen - genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Also jetzt bin ich direkt mit Andrea verabredet. Das sehe ich schon stehen. Hallo, Andrea. Hallo.

Andrea Göhring: Hallo, grüß dich. Schön, dass du mich auf dem Hof besuchst.

Martin Hoffmann: Es ist total schön hier. Ich bin jetzt echt gespannt. Und wir gehen gleich zu den Tieren, hast du gemeint.

Andrea Göhring: Ja, genau. Es geht gleich los. Rein ins Vergnügen zu den Tieren. Hallo Siglinde, guten Morgen. Darf ich dich mal hochnehmen?

Martin Hoffmann: Das ist die Siglinde?

Andrea Göhring: Das ist die Sieglinde hier, genau. Die Sieglinde ist ganz wunderbar. Die liebt es, auf dem Schoss zu sitzen und gestreichelt zu werden. Genau.

Martin Hoffmann: Was für ein Huhn ist die Sieglinde?

Andrea Göhring: Das ist ein schwedisches Blumenhuhn. Aber die Rasse finde ich jetzt gar nicht so wichtig, sondern einfach, dass es alle lieben, so zahm ist und so gern am Menschen Interesse hat und Kontakt aufnimmt. Das ist das Schöne. Also Hühner liebe ich wirklich in der tiergestützten Arbeit, weil die Hühner so ein toller Spiegel sind. Das heißt, wenn ich jetzt hier mit den Kindern reingehe, die einfach schnell unterwegs sind, bissel hibbelig, grenzüberschreitend, dann sind die Hühner einfach weg. Also sie merken sofort unsere Stimmung und reagieren. Sie spiegeln unser Verhalten. Das heißt, wenn ich jetzt ganz langsam bin und achtsam und ruhig bin, dann kommen die auch her und wollen den Kontakt, wollen auch hochgenommen werden.

Martin Hoffmann: Und die Intervention sieht dann so aus, dass ich jetzt zum Beispiel das Huhn dann anfassen kann, streicheln kann.

Andrea Göhring: Genauso, wie du es jetzt machst. Ja, aber natürlich sind wir nicht beim ersten Termin sofort im Gehege und streicheln Hühner, sondern wir machen vorher meistens erst mal ganz viel für die Hühner, zum Beispiel quetschen Haferflocken oder füllen Futterbälle, machen ganz viel für das Tier und lernen so das Tier erstmal aus der Entfernung kennen und dann gehen wir rein.

Martin Hoffmann: Ich muss schon sagen, als ich hier reingefahren bin, ein wunderschöner Hof.

Andrea Göhring: Ja, das finde ich auch, das ist so unser Schatzkammer-Bauernhof.

Martin Hoffmann: Sag mal, was hat dich denn dazu bewogen, die Weiterbildung zur Fachkraft für tiergestützte Therapie zu machen?

Andrea Göhring: Also ich biete seit 2004 ja das Lernen, das klassische Lernen auf dem Bauernhof an und habe dann immer die Erfahrung gemacht, egal wie toll die Projekte waren, Kartoffelernte oder Apfelernte, der Besuch bei den Tieren war immer das Höchste. Ich habe dann einfach gemerkt, dass laute Kinder plötzlich leise und achtsam werden und ruhige, zurückhaltende Kinder einfach sich intrinsisch motivieren lassen, ihr Bestes geben und maximal motiviert sind. Das war so der Auslöser, dass ich gedacht habe: „Okay, dieses klassische Lernen auf dem Bauernhof, das möchte ich gerne ausbauen und da tiefer mit den Tieren einsteigen“.

Martin Hoffmann: Hast du da so eine ganz bestimmte Situation, wo du gemerkt hast, okay, da ist die Interaktion zwischen Kind und Tier und das hat einen besonderen Effekt.

Andrea Göhring: Also es war so, dass die Lehrerinnen, die ja die Schüler begleitet haben, dann immer gesagt haben "Ach, auf dieses Kind muss man besonders aufpassen. Das ist in der Schule impulsiv und laut oder grenzüberschreitend oder hält sich nicht an Regeln." Und wenn man dann gemerkt hat, dass es dann aber ganz anders war bei den Tieren, dass diese Kinder einfach lieb und achtsam und behutsam waren, das waren so Momente, wo ich gemerkt habe, von Tieren muss eine spezielle Wirkung ausgehen. Und da wollte ich mich dann einfach weiterbilden, dass ich noch gezielter die Tiere in das Setting einbauen kann.

Martin Hoffmann: Wie beeinflusst dein persönliches Leben auch der Umgang und das Leben mit den Tieren?

Andrea Göhring: Also für mich ist es jeden Tag eine Bereicherung, natürlich mit Arbeit verbunden. Man muss sich um die Tiere kümmern, die Tiere versorgen. Aber auch ich freue mich jeden Tag an den Tieren.

Martin Hoffmann: Jetzt müssen wir noch mal über tiergestützte Intervention sprechen. Was ist das genau?

Andrea Göhring: Also tiergestützte Intervention ist der Überbegriff über alle tiergestützte Arbeit und meint einfach, dass Tiere, die vorbereitet sind auf dieses Setting, achtsam und artgerecht, aber zielgerichtet in einen therapeutischen oder pädagogischen Kontext eingebunden waren und da unterstützen und begleiten. Das heißt, die Besuche werden dann beobachtet und dann auch dokumentiert und evaluiert. Und wenn man es richtig machen will, gehen die natürlich auch über einen längeren Zeitraum. Es sind keine einmaligen Besuche.

Martin Hoffmann: Wo kommt das denn her? Also wie lange gibt es das schon und wo kommt es her?

Andrea Göhring: Also den genauen Zeitpunkt kann ich natürlich nicht benennen, weil die tiergestützte Arbeit aus der Praxis entstanden ist. Das heißt, ich glaube, da gab es schon ganz lang Menschen, die Tiere eingesetzt haben oder zumindest gemerkt haben, dass von den Tieren eine positive Wirkung ausgeht. Aber es wurde halt nicht dokumentiert. Also schon zum Beispiel im zwölften Jahrhundert hat die heilige Hildegard von Bingen gesagt "Gib einen Menschen, einen Hund und seine Seele wird gesund." Aber es wurde halt nicht aufgeschrieben. Deshalb kann man den genauen Zeitpunkt, wann die tiergestützte Arbeit begonnen hat, gar nicht genau definieren. Aber es gab so einen Schlüsselmoment, und zwar 1960 in etwa, da hat ein Kinderpsychotherapeut, der Boris Levinson, da ist ein Kind in die Praxis gekommen mit seinen Eltern. Und das Kind hat nicht gesprochen, und Levinson hat zufällig seinen Hund Jingle dabeigehabt, und das Kind hat nicht mit Levinson gesprochen, aber mit diesem Hund agiert und mit diesem Hund gesprochen. Und als dann zum Schluss nach der Stunde gefragt wurde, ob das Kind wiederkommt, hat er dann gesagt: „Also ich komm wieder, wenn dieser Hund dabei ist und ob denn immer der Hund dabei sein dürfe“. Und ab da sagt man zumindest, dass die tiergestützte Therapie begonnen hat, zumindest auch wissenschaftlich untersucht wurde und aufgeschrieben wurde. Der Levinson, der Boris Levinson, hat dann aber auch bei Berufskollegen nachgefragt, ob die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Also das ist noch eine ganz, ganz junge Geschichte, die die tiergestützte Therapie hat.

Martin Hoffmann: Jetzt ist mir gerade so eingefallen: Diese Delphintherapie. Ist das auch so was in der Art oder sind wir da ganz woanders?

Andrea Göhring: Also da distanziere ich mich absolut. Ich habe ja auch ein Institut und bilde Menschen aus und wir sind der Überzeugung, dass man das nur mit Tieren macht, die wirklich gut ausgebildet sind und vorbereitet sind und auch domestiziert sind. Das heißt, die eine Geschichte haben mit der Menschheit und ein Delfin hat keine Geschichte. Also das ist ein nicht domestiziertes Tier und das setzen wir so nicht ein. Also bei mir geht es da speziell um den Einsatz von Bauernhoftieren.

Martin Hoffmann: Das heißt auch dieses artgerecht ist da natürlich auch noch mal eine wichtige Sache.

Andrea Göhring: Das ist für mich das absolute Muss, sozusagen. Ein Tier, das nicht artgerecht gehalten wird oder instrumentalisiert wird, kann nicht artspezifisch fördern. Also das kann sich gar nicht entfalten und sozusagen diese unterstützende Wirkung haben.

Martin Hoffmann: Jetzt sagst du gerade fördern, artgerecht fördern. Wie läuft denn so eine Intervention genau ab?

Andrea Göhring: Also ich bin ja selber vom Grundberuf Agrartechnikerin, also Bäuerin sozusagen. Das heißt, bei mir kommen Behinderteneinrichtungen mit ihren Pädagogen und Therapeuten vorbei und es fängt mit viel Vorarbeit an. Das heißt, ich treffe mich mit diesen Begleitpersonen, mit Therapeuten oder Pädagogen und wir definieren nach dem Krankheitsbild dieser Kinder ein Förderziel und das möchte man erreichen. Und ich überleg mir als Bäuerin, weil ich das Wissen über diese Tierhaltung, wie die Tiere artgerecht gehalten werden habe, wo die Grenzen sind, was man machen könnte mit Tieren. Dann überlegen wir uns das Förderziel, definieren es, überlegen, was man machen könnte, und dann kommen die Einrichtungen. Und nach jedem Termin wird sozusagen noch mal überlegt, was war richtig, wo könnte man was ändern? Wir dokumentieren das und zum Schluss wird es dann auch evaluiert. Hat wirklich dieses Tier sozusagen bewirkt, dass eine Förderung davon ausgegangen ist?

Martin Hoffmann: Das heißt, es wird auch geschaut, welches Tier passt da, also welche Eigenschaften zum Beispiel hat eine Kuh, welche ein Esel?

Andrea Göhring: Ganz genau, das ist das Wissen was ich hab durch 15 Jahre Erfahrung. Da gibt es auch kein Pauschal- und Patentrezept, sondern man tastet sich so ran. Aber meistens gibt es schon so eine Grundtendenz und ich sage, heute gehen wir zu den Kühen und dann schauen wir einfach, ob das dann auch passt. Jedes Tier hat artspezifische Eigenschaften.

Martin Hoffmann: Ich bin ganz großer Kuhliebhaber, muss ich sagen. Ich finde, Kühe total toll und ich finde auch so eine Kuh zu streicheln, also macht auf jeden Fall was. Jedenfalls mit mir persönlich. Jetzt haben aber Kühe und andere Tiere natürlich auch, aber bei Kühen fällt es mir persönlich auch auf, dass die natürlich auch einen eigenen Charakter haben. Das heißt, die sind auch wiederum unterschiedlich.

Andrea Göhring: Das hat aber jedes Tier, das hat natürlich artspezifische Eigenschaften und Fähigkeiten. Aber trotzdem kann man es nicht auf das minimieren, sondern jedes Tier hat wie wir natürlich auch eine Persönlichkeit, einen Charakter, wie du sagst. Und das muss man natürlich auch noch mal abwägen und dann im Prinzip das Tier dann entsprechend auswählen.

Martin Hoffmann: Genau, das heißt, manchmal hat auch ein Tier vielleicht keine Lust auf mich jetzt oder auf vielleicht die Person.

Andrea Göhring: Genau, auch das darf sein. Also das Tier darf mitentscheiden. Bei mir beruht es immer auf freier Begegnung, das heißt es wird kein Tier angebunden oder festgehalten, sondern es entscheidet auf der Weide, ob es mitmacht oder nicht. Oder wenn ich jetzt zum Beispiel mit einem Kind mit schwerster Mehrfachbehinderung zu der Kuh gehe und möchte es drauf lagern, dann muss ich einfach warten bis die Kuh gefressen hat und sich dann zum Wiederkäuen hinlegt und mir diese Forderung ermöglicht.

Martin Hoffmann: Wie werden denn die Tiere dafür trainiert? Also bleiben wir mal einfach bei der Kuh, dass die auch darauf vorbereitet wird, dass da jetzt Menschen kommen und das mit den Menschen auch gearbeitet werden muss und dass die auch was natürlich mit der Kuh machen.

Andrea Göhring: Also für mich ist so eine vertrauensvolle Mensch-Tier-Beziehung die Grundlage. Also das heißt, es braucht ganz, ganz viel Zeit. Man beschäftigt sich ganz, ganz viel mit diesen Tieren, damit die einfach wissen, dass Nähe zum Menschen was Wunderbares ist, dass Menschen was Tolles sind. Und bei mir kommen ja ganz verschiedene Behinderteneinrichtungen. Das heißt, die Menschen, die kommen, haben Rollstühle, verschiedene Hilfsmittel, einfach wie Rollator oder Krücken. Das heißt, die Tiere müssen diese Gegenstände kennenlernen oder Lagerungskissen, wo die Kinder drauf gelagert werden. Also erst spricht man von Sozialisation, dann Habituation, Gewöhnung sozusagen. Und wenn man natürlich möchte, dass die Tiere auch Leinen führig sind oder sich anhalftern lassen, dass man auch Spaziergänge machen kann, dann muss man das einen vorbereiten und zwar so, dass es einfach auch den Tieren Spaß macht. Das heißt, man berücksichtigt immer so diese Art spezifischen Eigenschaften und baut die sozusagen aus.

Martin Hoffmann: Hat sich aus deiner Erfahrung gezeigt, seit 15 Jahren hast du gesagt, arbeitest du in dem Bereich, dass sich manche Tiere besonders gut für manche Erkrankungen, ich sag jetzt mal, eignen.

Andrea Göhring: Also es gibt schon so ein bissle die Tendenz. Zum Beispiel Schafe sind halt sehr sanft in ihrem Erscheinungsbild und auch in ihrem Auftreten und in der Begegnung mit Menschen. Das heißt, da gehe ich dann eher mit Kindern rein, die schwerer beeinträchtigt sind oder die ängstlich sind oder unsicher sind oder auf mehr Hilfsmittel angewiesen sind. Aber es gibt schon so eine Tendenz. Pauschalrezepte gibt es tatsächlich nicht, weil immer wieder mal mach ich die Erfahrung, dass die Klienten sich ihr Lieblingstier, ihr Individuum auch raussuchen. Und mit dem wird dann intensiver weitergearbeitet.

Martin Hoffmann: Das heißt, da ist die Bindung natürlich auch noch mal zwischen Patient /Patientin und dem Tier auch noch mal...

Andrea Göhring: Ist auch ganz, ganz wichtig. Deshalb sind es auch keine einmaligen Besuche, sondern regelmäßige Besuche, weil nur so eine Beziehung zu diesem Tier und Klient wachsen kann.

Martin Hoffmann: Wie macht sich denn diese Wirkung bei öfteren Besuchen, bei der öfteren Arbeit die miteinander stattfindet, denn dann bemerkbar? Wie erkenne ich, dass diese Therapie dann erfolgreich ist?

Andrea Göhring: Also wenn ich zum Beispiel ein Kind habe mit einer körperlichen Beeinträchtigung und ich gehe dann zum Beispiel zu den Eseln und ich striegel die Esel oder ich putz die Esel und ich gehe dann anschließend mit den Eseln spazieren. Dann ist ja die Hoffnung, dass dieses Kind, das jetzt lieber läuft oder mehr läuft, oder auf weniger Hilfsmittel angewiesen ist, das dann auch in den Schulalltag oder auf das Zuhause übertragen kann. Also das ist ja sozusagen das Ziel, dass das Kind hier Dinge lernt und dann nachher in den Alltag überträgt.

Martin Hoffmann: Wäre so was auch denkbar, dass man zum Beispiel jetzt hier den Umgang mit einer Kuh, mit einem Esel, mit einem Schaf oder so was lernt? Und ist es dann sinnvoll, sich vielleicht auch ein Haustier anzuschaffen? Oder sind wir da wieder auf zwei unterschiedlichen Ebenen unterwegs?

Andrea Göhring: Da sind wir wieder auf zwei unterschiedlichen Ebenen unterwegs, genau. Also ich warne immer, oder was heißt ich warne, aber ich finde, man hat schon eine Verantwortung, wenn man dann plötzlich von tiergestützter Arbeit, also wöchentlichen Besuchen, dann nachher sich ein Tier anschafft und sich dann wirklich täglich drum kümmern muss. Das ist ja eine Verantwortung, die man dann hat.

Martin Hoffmann: Das heißt, ein Tier ist dann auch nicht gleich Tier, in dem Moment

Andrea Göhring: Genau.

Martin Hoffmann: Ein Haustier ist auch wieder anders.

Andrea Göhring: Genau. Und meine Tiere sind ja speziell vorbereitet und ausgebildet dementsprechend. Man kann also nicht denken, nur weil ich es liebe Schafe zu haben und hier das Setting funktioniert, dass ich mir dann selbst auch Schafe anschaffe und es plötzlich funktioniert. Also da würde ich abraten.

Martin Hoffmann: Was fasziniert dich denn an deiner Arbeit besonders? Wahrscheinlich auch diese Vielfalt, wenn man hier reinfährt und man sieht das erst mal alles?

Andrea Göhring: Also ich habe mir einfach meinen Beruf zur Berufung macht. Es macht unheimlich Spaß, einfach Menschen zu begleiten und die Tiere einbinden zu dürfen. Sie unterstützen mich bei der Hilfe Menschen zu unterstützen, einfach. Und ich finde einfach, es ist ein schöner Therapieansatz, weil er aber so wenig mit Therapie zu tun hat. Also es ist so durch die Hintertüre. Die Menschen, die erhalten zwar sozusagen Förderung, aber sie nehmen es nicht als Therapie oder Förderung wahr, sondern sie werden so durch die Hintertüre gefördert. Oft sind die Kinder oder Menschen, die zu mir kommen, ja auch Therapie müde. Ein anderer Ansatz hier dieses Erlebnis, Umfeld und diese viele sinnstiftende Arbeit, die ich mal hier auf dem Hof erledigen kann, das ist einfach schön für die Kinder. Ja.

Martin Hoffmann: Kann man eigentlich von so was wie eine Erfolgsquote sprechen oder hat alles immer irgendeine Wirkung?

Andrea Göhring: Ob ich immer Erfolg habe, das möchte ich gar nicht behaupten. Weil wenn ich jetzt zum Beispiel ein Kind habe, das eine schwerste Mehrfachbehinderung hat und das lege ich dann auf die Kuh, dann sind es eine halbe Stunde oder eine Stunde schmerzfreie Momente, wo das Kind keine Schmerzen hat und entspannt ist und die Spastik sich löst. Da kann ich nicht hoffen, dass die Behinderung dann nachhaltig weg ist oder wegbleibt, sondern das Kind wird auch weiterhin diese Behinderung haben. Manchmal geht es einfach nur um, wie gesagt, schmerzfreie Momente, die dann auch nicht lange anhalten. Ich kann eine Behinderung nicht wegzaubern, aber ich kann wenigstens schöne Momente schaffen, ohne Schmerzen. Und wo die Kinder einfach nicht in ihrer Behinderung, in Anführungszeichen, hängen bleiben.

Martin Hoffmann: Wenn ich dich jetzt persönlich frage, würdest du sagen Tiere machen uns gesünder und glücklicher? Ja oder nein?

Andrea Göhring: Ja, also würde ich auf jeden Fall sagen, ja.

Martin Hoffmann: Andrea, vielen, vielen Dank. Ich schau mich jetzt gleich noch ein bisschen hier um auf dem Hof. Ich werde bestimmt auch noch eine Kuh erwischen.

Andrea Göhring: Auf jeden Fall!

Martin Hoffmann: Ich freue mich sehr. Vielen, vielen Dank dir.

Andrea Göhring: Sehr gerne.

Martin Hoffmann: Ich muss schon sagen, es hat mich ganz schön gewundert, dass die medizinische Wirkung von Tieren auf den Menschen so wenig erforscht ist. Und, dass wenn es Studien gibt, dass die sich vor allem um die Hund-Mensch-Beziehung drehen. Ich dachte wirklich, da gibt es einiges mehr. Und dann ist mir noch die Geschichte von Andrea in Erinnerung geblieben. Besonders in Erinnerung, dieses Kind mit den körperlichen Beschwerden, das auf einer Kuh dann zur Ruhe kommt und wenigstens für diese halbe Stunde, das es dort verbringt, schmerzfrei ist. Und dann muss man sagen, selbst dann hat sich diese Therapie, diese Intervention schon gelohnt, auch wenn die natürlich noch viel, viel weiter geht. Wenn ihr mehr über das Thema „Machen uns Haustiere - oder Tiere generell glücklicher?“ wissen möchtet, dann kann ich euch unsere Shownotes empfehlen. Hier findet ihr alle Links und auch weitergehende Informationen. Und natürlich lohnt sich auch ein Blick auf unseren Instagram Kanal @gesundnah. Hier könnt ihr gerne Fragen, Anregungen und Themenvorschläge an uns schicken. Außerdem ist es natürlich toll, wenn ihr uns bewertet und Kommentare an uns weiterleitet. Wir freuen uns, wenn ihr nächstes Mal wieder dabei seid. Ich bin Martin Hoffmann. Wir hören uns.

Outro: GESUNDNAH. Der Gesundheits-Podcast der AOK Baden-Württemberg.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.